Teilnehmerberichte unserer
Delegation in den Norden Irlands /
Participants’ reports on our delegation to the North of Ireland
- September 2000 -
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Nordirland ist von einer normalen Gesellschaft noch weit entfernt. Eine
der kolonialen Altlasten ist das militant pro-britische und anti-irische
Selbstverständnis der Royal Ulster Constabulary (RUC, militarisierte
Polizeitruppe), sowie ihre enge Verflechtung mit den katholikenhassenden
Oranierorden und den loyalistischen (königstreuen) Terrorgruppen. Man bekommt
einen Eindruck davon, wenn man sieht, mit welcher Brutalität die RUC gegen
Proteste irischer Nationalisten vorgeht und in wie vielen Fällen sie in
gewalttätige Aktionen gegen Anwohner irischer Wohngegenden verstrickt ist.
Staatliche Gewalt gegen Irische Nationalisten, Republikaner oder einfach
Katholiken landet selten vor Gericht. Ermittelt wird überhaupt nur in den
Fällen, in denen nach jahrelangen Bürgerrechtskampagnen die Opfer selbst
Ermittlungsergebnisse präsentieren.
(aus dem Aufruf zur Teilnahme an der Reise, pogrom Nr. 205, April 2000, Uschi
Grandel)
Vom 10.9. - 17.9.2000 waren wir in Nordirland unterwegs. Unser Besuch galt
Organisationen, die über Jahrzehnte hinweg für Demokratie, Chancengleichheit
und Menschenrechte, gegen staatlichen Terror, Willkür und
Menschenrechtsverletzungen kämpfen.
Unsere Stationen: Derry, Belfast, Portadown, Crossmaglen.
Karte Irlands
Teilnehmer dieser Reise: fünf Leute, die in verschiedener Weise auf den
Konflikt in Nordirland gestossen sind, durch Arbeit in
Menschenrechtsorganisationen, durch Sympathien für den Kampf der irischen
Republikaner für ein Irland frei von britischer Besatzung, durch
wissenschaftliche Arbeit an der Universität im Zusammenhang mit dem Friedens-
und Konfliktlösungsprozess im Norden Irlands.
Wir wollen mit unseren Berichten unsere Eindrücke und Erlebnisse weitergeben,
nicht zuletzt auch, um denjenigen, die uns während der Woche Rede und Antwort
standen, in dieser Form Danke schön zu sagen für die Offenheit und
Herzlichkeit, die wir erfahren haben.
Die Planung der Woche erfolgte in Zusammenarbeit mit dem in Derry ansässigen
Zentrum für Menschenrechte und soziale Veränderung, Pat
Finucane Centre.
Ihr/Sie findet im folgenden unsere individuellen Reiseberichte, die keinen
Anspruch auf Vollständigkeit haben, sondern persönliche Eindrücke wiedergeben.
Des weiteren stellen wir die Organisationen vor, die wir besucht haben.
Zum Schluss noch eine Anmerkung: notgedrungen bleiben bei einer einwöchigen
Reise viele Aspekte unberücksichtigt, weil die Zeit einfach nicht ausreicht und
wir bei der Planung notwendigerweise Schwerpunkte setzen mussten. Aber es muss
ja nicht das letzte Mal gewesen sein.
Björn, Claudia, Dagmar, Sandra, Uschi
..... unsere Eindrücke und
Erfahrungen / our personal experiences
- sorry only in German language available at the moment -
Björn
Claudia
Dagmar
Sandra
Uschi
..... die Organisationen, die
wir besucht haben / introduction to the groups we visited
- German/English -
Pat Finucane Centre for human
rights and social change
Sitz des Pat Finucane Centre ist Derry in Irland. Das Zentrum kämpft engagiert
für Menschenrechte und versteht sich als Motor für politische Entwicklung und
soziale Veränderung. Das PFC ist der Gewaltlosigkeit verpflichtet und arbeitet
aktiv an Bündnissen von Gruppen und Individuen im radikalen und progressiven
Spektrum Irlands. Das PFC ist der Überzeugung, dass die Einhaltung von
Menschenrechten, sowie von politischen, kulturellen und ökonomischen Rechten
nur im Kontext der aktiven Selbstbestimmung aller Iren gewährleistet ist.
Bloody Sunday Trust
Am 30. Januar 1972, der als Bloody Sunday in die Geschichte eingegangenen ist,
wurden 14 Teilnehmer einer Anti-Internierungs-Demonstration in Derry durch
Britische Soldaten ermordet. Das anschliessende Tribunal unter Leitung von Lord
Widery machte aus den Opfern bewaffnete Terroristen und erklärte die Morde zur
Notwehr. Die Angehörigen der Opfer kämpften über Jahrzehnte hinweg um die
Wahrheit. Inzwischen ist anerkannt, dass alle Ermordeten unbewaffnet waren und
für das Widgery Tribunal Aussagen von Soldaten manipuliert wurden. Ein grosser
Erfolg der Angehörigen ist die Neuaufnahme der Untersuchungen zu Bloody Sunday
im März 2000 unter Lord Saville. Die Anhörungen finden derzeit in Derry statt
und sind öffentlich.
Rosemary Nelson Campaign
Rosemary Nelson war eine renommierte Rechtsanwältin in Nordirland. Sie wurde am
Montag, 15. März 1999 von einer Autobombe einer pro-britischen loyalistischen
Organisation getötet. Rosemarys Tod fiel auf den selben Tag an dem ein Artikel
in der Irish News erschien, der die anhaltende illegale Belagerung in der
nordirischen Stadt Portadown durch den Oranierorden kritisierte; Wochen nachdem
Rosemary Nelson eine tiefergreifende Untersuchung gefordert hatte, die die
Zusammenarbeit der Royal Ulster Constabulary (RUC) mit pro-britischen
Untergrundorganisationen aufklären sollte. Speziell ging es um den Fall des Pat
Finucane, eines weiteren Rechtsanwalts, dessen Ermordung erschreckende
Ähnlichkeiten zu dem Mord an Rosemary aufweist. Obwohl die loyalistische Gruppe
"Red Hand Defenders" sich zu dem Anschlag bekannt hatten, ist eine
mögliche Zusammenarbeit zwischen der RUC und loyalistischen Terroristen stark
anzunehmen. Und nun ist es die RUC die selbst die Ermittlungen im Fall Nelson
führen.
Ardoyne Commemoration Project
Ardoyne ist eines der irisch republikanischen Stadtviertel im Norden Belfasts.
83 Menschen aus Ardoyne wurden während der letzten 30 Jahre getötet, mehr als
ein Viertel davon von Britischer Armee und RUC, der nordirischen Polizei. Nicht
ein Soldat oder Polizist verbrachte dafür auch nur einen Tag im Gefängnis. Vor
zwei Jahren haben Leute aus Ardoyne angefangen, ihre eigene Geschichte zu
erforschen. Einer der Beweggründe dafür war die Wut über die Unverfrorenheit,
mit der die unionistischen Gegner des Friedens-und Versöhnungsprozesses Opfer
des Konflikts für ihren Kampf gegen das Karfreitagsabkommen missbrauchen. Zwei
Jahre Recherche und über 300 Interviews resultieren in einem Buch, das
voraussichtlich im Frühjahr 2001 erscheint und die Geschichte jedes einzelnen
der Opfer erzählt, zur Erinnerung an die Toten und als Beitrag zur Aufarbeitung
des Konflikts.
Falls Women Centre
Das Frauenzentrum der Falls Road existiert seit den siebziger Jahren. Wie
Frauenzentren auf der ganzen Welt ist es in erster Linie Hilfe von Frauen für
Frauen. In allen Fragen, in denen Frauen Rat benötigen und suchen. Über
individuelle Hilfe hinaus, hat das Falls Women Centre natürlich mit den
Problemen zu kämpfen, die aus Konflikt und Diskriminierung resultieren. Über
Jahrzehnte hinweg haben die Frauen deshalb auch ihren Beitrag geleistet im Kampf
gegen Willkür und Unterdrückung.
Coiste na n’Iarchimi
Coiste na n-Iarchimí (Ex-Gefangenen Komitee) wurde 1998 gegründet, um die
Aktivitäten der Gruppen und Personen zu koordinieren, die mit republikanischen
Ex-Gefangenen und deren Familien arbeiten. Mittlerweile gibt es in ganz Irland
über 17 solcher lokaler Gruppen. Eine der zentralen Zielsetzzungen der Gruppe
ist der Kampf gegen die Kriminalisierung der Ex-Gefangenen. Dies umfasst unter
anderem den Kampf gegen Diskriminierung Ex-Gefangener bei Bewerbungen und im
Arbeitsleben, gegen Einreiseverbote in bestimmte Länder und die Notwendigkeit
einer Amnestie für all diejenigen, deren Verurteilung eine Folge des Konflikts
war.
Garvaghy Road Residence Committee
Die Garvaghy Road Residents Coalition ist eine Dachorganisation der Anwohner des
katholischen/irisch-nationalistischen Bezirks Garvaghy Road der Stadt Portadown.
Dieser Bezirk ist inzwischen weltweit berüchtigt für seine jährlich
wiederkehrenden Paraden, Gegendemonstrationen und für die Gewalt, die die
Paraden begleitet. Seit über zwei Jahren werden die Anwohner durch die
Belagerung durch Oranier Orden und deren Unterstützer terrorisiert, die einen
Marsch durch die Garvaghy Road trotz Verbot erzwingen wollen. Die Anwohner
werden mit ihrer Forderung nach Freiheit von religiös-fanatisch motivierter
Diskriminierung und Verfolgung von Menschenrechtsgruppen aus der ganzen Welt
unterstützt.
Relatives for Justice
Während der letzten dreissig Jahre waren Britische Staatsorgane für den Tod
von fast 400 Menschen direkt verantwortlich. Unzählige andere wurden auf Grund
der Zusammenarbeit dieser Staatsorgane mit loyalistischen Todesschwadronen
ermordet. Seit 25 Jahren haben Relatives for Justice (Angehörige für
Gerechtigkeit) Familien und Individuen unterstützt, die Opfer des Konflikts
wurden. RFJ arbeitet hauptsächlich mit und für Familien, die Staatsterror und
staatlich unterstützte Gewalt erleiden mussten. RFJ wurde von Angehörigen der
Opfer von Staatsterror gegründet.
South Armagh Farmer and Residence Committee
Leider konnten wir aus Zeitgründen das SAFRC nicht besuchen, da wir erst am
späten Freitag nachmittag in Crossmaglen ankamen. Wir haben das ganze
Wochenende in South Armagh verbracht. Die Gegend wimmelt vor Britischen Soldaten
trotz der Verpflichtung der Britischen Armee im Rahmen des Friedensabkommens
Demilitarisierungsschritte einzuleiten. Eine Unmenge an elektronischen
Überwachungsanlagen bespitzelt Anwohner, es besteht der Verdacht, dass diese
hohe Dichte an Elektronik auch Gesundheitsschäden verursachen kann. Nach wie
vor patrollieren Britische Soldaten zu Fuss mit Maschinengewehr im Anschlag,
Anwohner berichten häufig von Schikanen durch Polizei und Militär, von der
Armee beschlagnahmtes Land wurde zum Grossteil noch nicht zurückgegeben,
andauernde Helikopterflüge gefährden Anwohner und töten jedes Jahr tausende
Tiere.
Organisatoren dieser Delegation/Organizers of this delegation
Diese Delegation wurde organisiert von der Irlandinitiative
Heidelberg und der Save
the Good Friday Agreement Coalition (Regensburg)