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Anmerkungen zum Bankraub in Belfast und den politischen Folgen


Der Bankraub in Belfast am 20.12.2004 war einer der grössten der Geschichte. Über 30 Millionen Euro erbeuteten die Gangster in einem perfekt inszenierten Überfall. Bankraub und andere kriminelle Umtriebe sind eigentlich nicht unser Thema. Was danach folgte, ist es leider.

Die nordirische Polizei PSNI, die Nachfolgerin der berüchtigten RUC, reagierte direkt nach dem Bankraub planlos und konfus. Kritik kam auf, als bekannt wurde, dass der Hinweis eines Parkwächters auf einen verdächtigen LKW vor der Bank von der Polizei mit langsamer Sorglosigkeit verfolgt wurde. Zu Fuss bummelten zwei Polizisten in Richtung der Bank und kamen so spät, dass der LKW bereits die zweite Geldladung abtransportiert hatte, bevor die Beamten eintrafen. Ein paar Tage später tat sie das, was sie am besten kann. Sie überzog die politische Opposition, also irische Republikaner, mit Hausdurchsuchungen. Und zwar gleich ganze Viertel: Privathäuser, Geschäftszentren, Jobbörsen, Supermärkte und andere Einrichtungen im irisch-republikanischen Westbelfast und Nordbelfast. Zum Teil rammte sie Türen ein, als sei Gefahr in Verzug, manche Büroräume streifte sie nur mit kurzen Blicken in die Ecke und unter den Schreibtisch, immer aber war ausgewählte Presse dabei, die die Razzien mit Leidenschaft kommentierte.

Abgeordnete aus den Vierteln protestierten gegen die pauschale Kriminalisierung, lokale Tageszeitungen kommentierten die Lächerlichkeit der Hausdurchsuchungen: PSNI-Offiziere, die am Weihnachtsabend die Geschenke unter dem Christbaum öffneten, als ob zwei LKW-Ladungen Geld mal schnell als Kindergeschenk getarnt werden könnten. Brian Feeny, politischer Kommentator aus Belfast, kommentierte dies mit der Bemerkung, die Szene hätte aus dem Film Casablanca stammen können: "verhaften Sie die üblichen Verdächtigen".

Verhaftungen gab es keine einzige. Die Durchsuchungen waren inhaltlich eine Pleite, atmosphärisch katastrophal.

Die pro-britische DUP des protestantisch-religiösen Fanatikers Paisley hatte sich mit knapper Not vor Weihnachten einem Durchbruch im Friedensprozess entzogen. Das Angebot der IRA, ihre Waffen komplett zu vernichten, lag bereits auf dem Tisch. Die Forderung der DUP nach fotographischer Dokumentation der Vernichtungsaktion verhinderte einen Kompromiss und damit die Wiederbelebung der von der britischen Regierung suspendierten Regionalregierung. Seit dem Bankraub ist die DUP wieder obenauf: nur die IRA könne es gewesen sein und da IRA und Sinn Fein sowieso dasselbe seien, sei ja wohl klar, dass Kriminelle nichts in einer Regierung zu suchen haben. Dass Sinn Fein in Nordirland die grösste Partei im irischen Lager ist, und daher die Mehrzahl der irisch-nationalistischen Wähler repräsentiert, interessiert die DUP dabei nicht.

Die IRA hat öffentlich jegliche Verwicklung in den Bankraub dementiert. Martin McGuinness und Gerry Adams haben beide erklärt, sie hätten die Versicherung der IRA, dass sie nichts mit dem Raub zu tun hat.

Der eigentliche Skandal passierte am Freitag, den 7. Januar 2005. Auf einer Pressekonferenz nahm der PSNI-Chef Nordirlands, Hugh Orde, Stellung zu den Ermittlungen und sagte: "Meiner Meinung nach ist die IRA verantwortlich für dieses Verbrechen und alle Hauptrichtungen der Ermittlung gehen in diese Richtung." Diese öffentliche Vorverurteilung ist durch kein einziges Indiz belegt. Hugh Orde erklärte in der Öffentlichkeit seine Einschätzung der Situation (also die Beurteilung der Situation durch seine Geheimdienste) zur Wahrheit. Eine völlig intransparente Schuldzuweisung ohne Möglichkeit zur Überprüfung, aber legitimiert durch die Tatsache, dass es der oberste Polizeichef selbst war, der diese Aussage machte.

Was seit jenem 7. Januar 2005 folgt, ist ein Kesseltreiben aus vorhersehbarer Richtung. Die DUP verlangt den Ausschluss von Sinn Fein aus den Verhandlungen, anti-republikanische Medien spekulieren über mögliche Strafen. Eine schnelle Einigung im Friedensprozess, für die Sinn Fein geworben hatte, ist erst einmal nicht möglich.

Dies ist nicht die erste Krise, die durch das Vorgehen der PSNI (bzw. ihrer Vorgängerin RUC und deren Special Branch) ausgelöst wird: schon immer haben sie mitgemischt in den dunklen Ecken des Konflikts, haben intrigiert und waren und sind in zahllose Verbrechen verstrickt. Einiges ist auf unserer Webseite dokumentiert: