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Menschenrechte - nicht der Rede wert:

Das Handelsblatt lädt ein zur Konferenz
"Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie"
am 3./4. Juli 2007 in Berlin

Von Uschi Grandel, 1. Juli 2007

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Am 3. und 4 Juli 2007 in Berlin treffen sich "Führungskräfte aus Politik, Bundeswehr, Verbänden und Industrie zu einem inhaltsreichen Programm und einem intensiven Gedankenaustausch", wie der Bundesminister für Verteidigung, Franz Jung, in seinem Grußwort schreibt. Der Konflikt in Nordirland steht auch auf dem Programm, als direkter Tagesordnungspunkt und indirekt durch den Referenten Tim Spicer, einen ehemaligen Oberstleutnant der britischen Armee, der unter anderem in Nordirland Dienst tat. ( Offizielle Webseite der Konferenz mit Programm und näheren Informationen )

Für uns von der Irlandsolidarität Grund genug, die Konferenz und ihr Programm weniger an salbungsvollen Grußworten zu messen, als daran, was denn die versammelte Elite rund ums Militär aus dem Konflikt in Nordirland lernen soll.

Der in diesem Jahr erzielte Durchbruch im nordirischen Friedensprozess bietet die Chance, die Erfolge nicht-militärischer Konfliktlösungsstrategien zu diskutieren und Lehren daraus zu ziehen. Die Organisatoren der Handelsblattkonferenz interessiert das ganz offensichtlich nicht.

Terrorist Arrest Kit

Auf dem Programm steht "Der Beitrag mittelständischer Forschungsprogramme im Kampf gegen 35 Jahre Terrorismus in Nordirland". Die letzten zehn Jahre Konfliktlösung kommen hier nicht vor. Eines der beiden vortragenden Unternehmen, Teal Safety LTD, entwickelt ausziehbare Schlagstöcke verschiedener Härtegrade und prahlt auf seiner Webseite bei der Vorstellung des Produktes "Terrorist Arrest Kit", das der Sicherung forensischer Spuren dienen soll, mit dem Einsatz in Nordirland:

"Über die letzten drei Jahrzehnte war Nordirland Vorreiter im Kampf gegen schwere, organisierte Kriminalität und Gewalt."

Auch wenn es nicht direkt aus der Webseite hervorgeht, können wir getrost annehmen, dass sie damit nicht die Gewalt meinen, die nordirische Polizei und britisches Militär, von Unternehmen wie Teal Safety LTD mit allerlei wirkungsvollem Inventar ausgerüstet, über 30 Jahre gegen die Zivilbevölkerung ausgeübt haben.

Der Krieg ist ein glänzendes Geschäft, bei dem Fragen nach Menschenrechtsverletzungen nur stören. Der "Terrorist Arrest Kit" versagte da, wo Aufklärung gar nicht gewollt war, weil die Mörder der pro-britischen Todesschwadronen von ihren britischen Führungsoffizieren gelenkt, bewaffnet und bezahlt wurden. Man schätzt, dass Hunderte Zivilisten durch diese Zusammenarbeit ermordet wurden. Typischerweise fehlt in solchen Fällen jegliche Spurensicherung am Tatort, eine Ungeheuerlichkeit, die erst jetzt langsam an die Öffentlichkeit gelangt.

Waren die neuen Nachtsichtgeräte, mit denen die britische Armee in Nordirland im Jahre 1974 ausgerüstet wurde, auch ein Beitrag "mittelständischer Forschungsprogramme"? Sechs junge Männer aus dem Belfaster Viertel New Lodge, die von Soldaten der britischen Armee beim Ersteinsatz dieser neuen Technik kaltblütig ermordet wurden, zahlten für diesen Beitrag mit ihrem Leben. Man muss nicht extra erwähnen, dass auch in diesem Fall kein "Terrorist Arrest Kit" zum Einsatz kam, weil es keine Untersuchung, keine Verhaftungen und keine Beweisaufnahmen gab. Nach jahrelanger Kampagne für die Aufklärung des Verbrechens führten die Bewohner von New Lodge im Jahr 2002 ihre eigene Untersuchung durch (s. dazu die Berichterstattung auf unserer Webseite: "Öffentliche Untersuchung des Todes von sechs Menschen aus New Lodge" und "Six murdered say international jurists" (e)).

Aber um diesen Terror, seinerzeit in Nordirland, oder heute im Irak und in Afghanistan, um den geht es bei der Konferenz nicht. Schon gar nicht darum, die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Das Beispiel Nordirland zeigt uns, dass staatlicher Terror nicht eine Entgleisung weniger psychisch gestörter Soldaten war, sondern über Jahrzehnte die planmäßige Politik der britischen Regierung. Solange solche Fragen im "intensiven Gedankenaustausch" dieser und ähnlicher Konferenzen nicht aufgearbeitet werden, können wir nicht davon ausgehen, dass für unsere Politiker staatlicher Terror keine Option ist, wenn es weltweit um Geschäft und um Kontrolle geht.

Einer der britischen Offiziere, der die menschenverachtende Haltung der Besatzer in Nordirland verkörpert, ist auf die Konferenz als Referent geladen. Er hat die britische Armee 1994 verlassen und verdient mittlerweile viel Geld in den weltweiten Konflikten.

Söldner in der Grauzone staatlichen Rechts

Tim Spicer , ehemals Oberstleutnant der britischen Armee, war der Chef zweier Soldaten, die 1992 in Belfast hinterrücks einen jungen Mann erschossen, den sie kurz zuvor auf Waffen durchsucht hatten. Ein ziviles Gericht verurteilte sie wegen Mordes an dem jungen Familienvater Peter McBride zu lebenslanger Haft.

Oberstleutnant Spicer bekämpft die Inhaftierung seiner beiden Soldaten, unter Eid bestätigt er die Aussage der Verteidigung, die vom Gericht später als "Lügengebilde" entlarvt wird. In seiner Autobiographie schreibt er, die Soldaten "hätten nie des Mordes angeklagt und schon gar nicht verurteilt werden dürfen". (Weitere Informationen: der Mord an Peter McBride (Webseite des PFC) und Kampagne "Gerechtigkeit für Peter McBride" in Deutschland, 2001-2003 )

Die Soldaten bleiben trotz Verurteilung und Gefängnis in der Armee, eine Kampagne der Armee führt nach kurzer Zeit zur Anordnung der damaligen britischen Nordirlandministerin, die Soldaten vorzeitig aus dem Gefängnis zu entlassen. Danach werden sie in Deutschland stationiert und nach Beginn des Irakkrieges im Jahre 2003 in den Irak verlegt. Ein Zufall, dass sich Menschenrechtsverletzungen durch britische Soldaten in Nordirland und im Irak gleichen?
(s. hierzu die gekürzte Übersicht "Mord ohne Konsequenzen - von Derry (Nordirland) nach Basra" nebenan; Link zur ungekürzten Fassung ).

Die Mutter Jean Mc Bride schreibt im März 2001 einen offenen Brief an die Bevölkerung in Deutschland:

"Alles was ich möchte, ist Gerechtigkeit für meinen Sohn. Seine Mörder wurden freigelassen, und ich akzeptiere das, so wie viele andere Menschen in Irland dies akzeptieren mussten. Aber ich kann und will nicht akzeptieren, dass sie in der britischen Armee bleiben, als ob das Leben meines einzigen Sohnes nichts bedeutet. Ich habe die volle Unterstützung der irischen Regierung, von Abgeordneten des US-Kongresses und des Europaparlaments, sowie vieler anständiger Menschen in Großbritannien. Ich bitte die deutsche Bevölkerung: lassen Sie Ihre Regierung wissen, dass Sie nicht einverstanden sind, wenn verurteilte Mörder Dienst in Deutschland tun."

Im Falle des Mordes an Peter McBride hat Oberstleutnant Spicer durch seine Unterstützung für die Mörder, die Billigung des Mordes und die Angriffe gegen das Urteil eines zivilen Gerichts Recht und Gerechtigkeit kaltschnäuzig missachtet. "Private Sicherheitsfirmen - Einsatz in der Grauzone staatlichen Rechts? Erfahrungen aus der Praxis" ist zynischerweise das Thema, über das er auf der Konferenz referiert.

Auf der Konferenzseite ist nachzulesen, dass Spicer "für seine herausragenden Verdienste während seines aktiven Einsatzes in Nordirland … den britischen Ritterorden Order of the British Empire - OBE." erhält.

Ein Referent, der Mord billigt und UN-Embargos bricht?

Das Handelsblatt verschweigt ein paar Unschönheiten seines Lebenslaufes (s. Webseite des PFC), etwa dass er 1997 in Papua Neu Guinea verhaftet wurde. Die Firma Sandline International, die er als CEO leitete, war an einem Plan beteiligt, Waffen und Söldner ins Land zu schmuggeln. Auch der Skandal in Sierra Leone, als Sandline International ein UN Embargo verletzte und eine politische Krise in Großbritannien auslöste, wird vornehm verschwiegen. Die Erfahrung "in der Grauzone staatlichen Rechts" ist bei Spicer nicht auf Nordirland beschränkt.

Offensichtlich ist die Billigung von Morden in besetzten Gebieten oder der Bruch eines UN-Embargos kein Grund, in den honorigen Kreis der Handelsblattkonferenz nicht geladen zu werden.

Als CEO von Aegis Defence Services ist er mittlerweile einer der Gewinnler des Krieges im Irak, wie in seinem Lebenslauf nachzulesen ist.

"Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir,
wer Du bist"
(Goethe)

Das ist offensichtlich die Gesellschaft, in der unser Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung und unser Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, die beide ihre Teilnahme bereits zugesagt haben, ihren Gedankenaustausch gerne pflegen. Es ist passend, dass Schäuble zum Thema "Terrorismusbekämpfung und Innere Sicherheit aus deutscher Sicht" referiert. Plastikgeschosse, wie sie britische Armee und Polizei in Nordirland gegen die Zivilbevölkerung einsetzt, wurden von einem CDU-Kollegen ja schon mal zum G8 Gipfel ins Gespräch gebracht. Durch Plastikgeschosse getötete Kinder in Nordirland sollten als Mahnung dienen, dass manche von Innerer Sicherheit reden und Friedhofsruhe meinen.

Solange Menschenrechtsverletzer und käufliche Söldner wie Tim Spicer von Politikern als Gesprächspartner, Konferenzteilnehmer und schlimmer noch als Militärpartner akzeptiert werden, sollten bei uns die Alarmglocken läuten, wenn diese Leute von Demokratie, Freiheit, Sicherheit und Terrorbekämpfung reden.

Danke an die Düsseldorfer Stattzeitung TERZ , deren Bericht "Krieg als lohnendes Geschäft" uns auf die Konferenz aufmerksam gemacht hat!

Wir unterstützen den Action Alert des Pat Fincane Centre (PFC):

Protestieren Sie gegen die Anwesenheit von Tim Spicer
auf der Handelsblattkonferenz!

>>>> Vorschlag des PFC für ein Protestschreiben und weitere Informationen (e) <<<<


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