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Anhörung zum Tod der Sechs aus New Lodge

25.11.2002 | Andersonstown News

Ein internationales Gremium anerkannter Juristen untersucht derzeit den Mord an sechs Menschen im Nordbelfaster Stadtteil New Lodge. Die Untersuchung wurde von den Menschen in New Lodge selbst organisiert.

Jim Sloan, Jim McCann, Tony Campbell, Brendan Maguire, John Loughran und Ambrose Hardy wurden in der Nacht vom 3. zum 4. Februar 1973 in einer Zeitspanne von 90 Minuten niedergeschossen. Die britische Armee gab ursprünglich zu, für den Tod der sechs Männer verantwortlich zu sein, widerrief diese Aussage jedoch später wieder.

"Wir Bewohner des Viertels New Lodge werden weiter nach der Wahrheit suchen, auch wenn uns 30 Jahre lang Lügen erzählt wurden," sagt Paul O'Neill vom Komitee Wahrheit im Fall der sechs aus New Lodge .

Die zwei Tage dauernde Untersuchung des Mordes an sechs Menschen aus dem Viertel New Lodge war vom Stadtviertel selbst initiiert und ging am Samstag mit den Zeugenaussagen von über 30 Zeugen, Familienmitgliedern und Freunden der sechs Ermordeten zu Ende. Sie erzählten von dem Horror der Nacht, in der britische Soldaten von einem Beobachtungsposten aus das Feuer eröffneten, direkt nachdem zwei unbewaffnete IRA Mitglieder vor Lynch's Bar aus einem vorüberfahrenden Auto erschossen wurden.

Dies war das erste Mal, dass in der Öffentlichkeit auch die Erschiessung der weiteren vier Personen durch die Armee und das Leid ihrer Angehörigen zur Sprache kam. Ein Zeuge nach dem anderen erzählt während der zwei Tage des Hearings, dass die nordirische Polizei RUC (Royal Ulster Constabulary) ihn nie zu den Ereignissen der Nacht befragt oder zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte.

"Die Hälfte der Anzahl an Ermordeten des Bloody Sunday Massakers" (Juristin Gareth Peirce)

Podiumsteilnehmerin Gareth Peirce, die durch die Verteidigung einiger High-Profile-Fälle irischer Bürger, die in Grossbritannien (unschuldig) inhaftiert waren, wie z.B. der Guildford Four and Birmingham Six, jahrelange Erfahrung mitbrachte, zeigt sich schockiert darüber, dass sie vor der Einladung zum Hearing nie von den Ereignisse der Nacht vom 3. und 4. February 1973 im Viertel New Lodge gehört hatte. "Und das, obwohl die Opfer die Hälfte der Anzahl an Ermordeten des Bloody Sunday Massakers in Derry ausmachen."

Für Paul O’Neill sind die Schüsse, die in der Nacht und in den frühen Morgenstunden des 3. und 4. Februar 1973 in New Lodge abgefeuert wurden, Teil eines kontinuierlichen und geplanten Vorgehens der britischen Streitkräfte im Norden Irlands, mit dem Ziel, die Menschen zu terrorisieren, eine Taktik, die über die gesamte Zeit des Konflikts angewendet wurde.

"Von Danny O'Hagan, der ersten Person, die in 1970 auf der New Lodge Road erschossen wurde bis zu Seamus Cassidy, der in der Hauptstrasse von New Lodge in seinem Auto bei hellem Tageslicht erschossen wurde. Auch bei diesem Mord behaupteten sie, er hätte eine Waffe bei sich gehabt, aber alle Leute, die damals auf der Strasse waren, wissen, dass das eine Lüge war.

Sie haben uns die Lüge erzählt, dass McGurk's Bar ein IRA-Eigentor war und gaben die Wahrheit niemals zu, nicht einmal, nachdem ein UVF-Mann wegen des Bombenattentats verurteilt worden war. Sie haben sich bis heute nicht bei den Menschen dieses Viertels entschuldigt. Sie haben den armen Micky Hayes in einen Hauseingang gezogen und dort ermordet. Auch in diesem Fall haben sie behauptet, er sei bewaffnet gewesen. Wir wissen, auch dies war eine Lüge.

Jahre später ermordeten sie den jungen Seamus Duffy und kamen wieder mit ihren Lügen. Wir wollen die Wahrheit über die Sechs aus New Lodge wissen, für ihre Familien und auch für die Familien all der anderen, die der britische Staat ermordet hat. Und wir werden diese Wahrheit ans Licht bringen. Wir sind uns dessen sicher, weil wir nicht aufhören werden, bevor wir sie wissen."

Das Podium der internationalen Rechtsexperten und Menschenrechts-Anwälten war von vielen der Zeugnisse sichlich bewegt.

In einer sehr emotionalen Aussage sprach eine Zeugin, die damals 16 Jahre alt war, zum allerersten Mal von dieser Horrornacht. Sie hatte versucht, die Blutungen des 19-jährigen unbewaffneten IRA-Mitgliedes Tony 'TC' Campbell zu stillen, als er sterbend in Edlingham Street lag.

Die Aufzeichnung der Aussage von Minnie Loughran, deren schlechter Gesundheitszustand eine Teilnahme am Hearing nicht zulies, rührte viele in der St. Kevin Hall in der North Street zu Tränen. Die bis an den Rand gefüllte Halle hörte die Aussage der Mutter von John Loughran, der erschossen wurde, als er die Toten aus dem Schussbereich in sein Haus ziehen wollte.

"Wir hatten niemanden, zu dem wir gehen konnten." (Charlie Carson)

Die Mutter sagte, sie habe immer gewusst, dass die britische Armee die Morde verschleiert. Das Rechtssystem und verschiedene richterliche Untersuchungen akzeptierten einfach die Darstellung der britischen Armee. Rosaleen Beattie erzählte, dass ihre Eltern gerade mal 90£ Kompensation für den Mord an ihrem Bruder Ambrose Hardy erhielten.

Verschiedene Sprecher des Podiums erwähnten die unglaubliche Hilfsbereitschaft derjenigen, die den Sterbenden zu Hilfe kamen und dabei selbst erschossen wurden.

Charlie Carson, der im Kugelhagel in Edlingham Street verwundet wurde, fasste die Gefühle vieler Opfer zusammmen, als er gefragt wurde, was er getan hatte, um Gerechtigkeit einzufordern: “Wir hatten niemanden, zu dem wir gehen konnten. Niemand wollte zuhören, niemand wollte es wissen. Für diese Leute waren wir keine Menschen."


Journalistin:
Andrea McKernon

Übersetzung:
Uschi Grandel, 27.11.2002


Originalversion:
(in englischer Sprache)
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Webseite der Kampagne
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