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Entschuldigung aus London

18.12.2012 | Uschi Grandel (Junge Welt)

Britischer Premier entschuldigt sich für Mord an Belfaster Anwalt im Jahr 1989. Witwe hält neuen Bericht für „Weißwäscherei“

In der vergangenen Woche entschuldigte sich der britische Premierminister David Cameron vor dem britischen Unterhaus erneut für „ein fürchterliches Verbrechen“. Im Nordirlandkonflikt habe es eine »schockierende« Intensität »staatlicher Zusammenarbeit« mit der pro-britischen Terrororganisation Ulster Defence Association (UDA) gegeben. Anlaß für die Aussage war die Veröffentlichung eines vom britischen Premierminister in Auftrag gegebenen Berichts zum Mord an Pat Finucane. Der Belfaster Anwalt war am 12. Februar 1989 vor den Augen seiner Familie von der UDA kaltblütig erschossen worden. Der prominente britische Jurist Desmond de Silva wertete dazu geheime Regierungsdokumente aus. Die Analyse ergab, daß drei Angehörige der britischen Armee und der Royal Ulster Constabulary (RUC), der ehemaligen nordirischen Polizei, an dem Verbrechen direkt beteiligt waren und daß staatliche Stellen in großem Umfang die darauffolgende Verschleierung betrieben hatten.

Damit ist nunmehr britisches Regierungswissen, was die lange Kampagne der Familie Finucane bereits vor Jahren zutage gefördert hatte. Der Bericht stellt indes keine Verbindung zur damaligen Regierung von Margaret Thatcher her. Deren Minister Douglas Hogg hatte nur Wochen vor dem Attentat im britischen Parlament erklärt, »einige Rechtsanwälte haben übertriebene Sympathie für die IRA«. Geraldine Finucane lehnt den Bericht zum Tode ihres Mannes als »Schwindel« und »Weißwäscherei« ab. Der Bericht spreche den Staat, das Kabinett und die Minister, die Armee und die Geheimdienste von jeder Schuld frei und beschuldige statt dessen tote Zeugen und inzwischen aufgelöste Organisationen. Dies sei kein ernsthafter Versuch aufzuklären, was wirklich mit Pat Finucane und vielen anderen passierte. »Wir hatten keine Chance, die Beweise zu prüfen. Man erwartet von uns, den Worten eines Mannes zu glauben, der von der Regierung berufen wurde«, so die Witwe des Ermordeten.

In welchem Ausmaß mit der UDA die größte und gewalttätigste probritische Terrororganisation durch britische Stellen gesteuert wurde, läßt der Bericht dennoch erahnen. De Silva berichtet, daß 85 Prozent der Informationen, die die UDA für die Durchführung ihrer Anschläge und Morde benötigte, von britischen Stellen geliefert wurden. Allein in einem Zeitraum von zwei Jahren waren dies 89270 einzelne Informationen. Die UDA war 1971 gegründet worden und blieb bis 1992 legal, obwohl auf ihr Konto nach Schätzungen Belfaster Wissenschaftler mindestens 259 Morde gingen.

Unbeantwortet bleibt im Bericht die Frage zur Rolle der damaligen britischen Regierung. Bis heute ist unklar, inwieweit diese von den Machenschaften innerhalb der Polizei und der Armee Bescheid wußte. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams hält eine derartige Unkenntnis allerdings für unmöglich. Er verwies auch auf die Umstände des Gerichtsverfahrens gegen Brian Nelson, einen der Drahtzieher des Mordes an Pat Finucane. Nelson war Agent der britischen Armee und als eine der Führungspersonen der UDA in mindestens 15 Morde und unzählige Mordversuche verstrickt. Kurz vor Eröffnung des Gerichtsverfahrens im Jahr 1992 traf sich der damalige britische Premierminister John Mayor mit dem Generalstaatsanwalt und dem für den Prozeß zuständigen Richter. Während des Verfahrens wiederum unterstützte Colonel Gordon Kerr, damals Chef einer der britischen Militärgeheimdienstabteilungen, Nelson als Zeuge.


Photo: Neues Mural im
Gedenken an Pat Finucane

"Geplant vom britischen Establishment - ausgeführt von pro-britischen Todesschwadronen"


Erstveröffentlichung
Junge Welt, 18. Dezember 2012
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Hintergrund:
Collusion - Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Terrorgruppen im Nordirlandkonflikt

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Collusion, das ist der Einsatz und die Steuerung pro-britischer Todesschwadronen durch britische staatliche Stellen. Viel weiss man mittlerweile über diese Methode britischer Kriegsführung in Nordirland, der unbequeme Rechtsanwälte, Sinn Fein Aktivisten, IRA Mitglieder und unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen. Zu viel, um Untersuchungen ganz abzuwiegeln. Stattdessen verlegte sich die britische Regierung und die entsprechenden Stellen in den verschiedensten Geheimdiensten, der Polizei und dem Militär auf das Vertuschen, die Vernichtung von Beweismaterial und verweigert die Veröffentlichung der Untersuchungsberichte.

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