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Bürgerrechtsveteran Oliver Kearney kämpft für seinen inhaftierten Sohn

9. Dezember 2002 |

Der 31-jährige Ciaran Kearney ist einer derjenigen, die im Zusammenhang mit dem angeblichen „republikanischen Spionagering“ in Belfast im Oktober 2002 verhaftet wurden. Sein Antrag, auf Kaution frei gelassen zu werden wurde Anfang November abgelehnt.

Sein Vater Oliver Kearney ist ein Veteran der Bürgerrechtsbewegung. Eine seiner Hauptaktivitäten war die Sensibilisierung der amerikanischen Öffentlichkeit für die Einhaltung der MacBride Prinzipien für faire Arbeitsplatzvergabe durch internationale Firmen, die sich in Nordirland betätigten.

Oliver Kearney bittet in einem Appell an diejenigen, die den Friedensprozess und die Bürgerrechtskampagnen in den vergangenen Jahrzehnten unterstützt haben, um Hilfe gegen die willkürliche Inhaftierung seines Sohnes.

Wir haben seinen Brief und beiliegende Informationen (einen Aufruf zu Aktionen, einen Bericht des Bruders von Ciaran, Jarlath Kearney, über die Anhörung und die Argumentation des Richters, ein Datenblatt mit Fakten zu Ciaran Kearney)übersetzt:

Appell Oliver Kearneys an die Öffentlichkeit

Liebe Freunde,

nach 30 Jahren des Kampfes für Menschenrechte, dem Werben für die MacBride Prinzipien für faire Arbeitsplatzvergabe und dem Einsatz gegen die Auslieferung politischer Häftlinge, bin ich erschüttert, dass ich nicht in der Lage bin, meinem eigenen Sohn Ciaran, der ohne Gerichtsverhandlung in einem britischen Gefängnis in Nordirland inhaftiert ist, zu helfen.

In einem erschreckenden Beispiel politisch motivierter, willkürlicher Gesetzesauslegung wurde Ciaran die Freilassung auf Kaution verweigert. Aufgrund von Beweisen, die in keinem zivilisierten Justizsystem zugelassen wären, bleibt er bis zu seiner Gerichtsverhandlung, die in 12 oder eventuell sogar erst in 18 Monaten stattfindet, mit fadenscheinigen Begründungen inhaftiert.

In Nordirland ist die Freilassung auf Kaution eine Ermessensfrage und wird Personen, die des Mordes, der Körperverletzung, eines Überfalls, organisierter Erpressung, der Geldwäsche oder des Drogenhandels angeklagt sind, problemlos gewährt.

Der Richter, der die Freilassung auf Kaution für Ciaran mit der Begründung abgelehnt hat, Ciaran habe angeblich Dokumente in seinem Besitz, die für Terroristen nützlich sein könnten, führte am selben Tag im selben Gerichtssaal auch den Vorsitz in einem Fall, bei dem der Angeklagte des Besitzes von Munition beschuldigt wurde und der 3 Tage zuvor mit weiteren Mitgliedern einer bewaffneten Gruppe loyalistischer Paramilitärs der UVF beim Einbruch in das Haus eines Waffenhändlers festgenommen wurde. Diesem Angeklagten wurde die Freilassung auf Kaution anstandslos gewährt.

Der senile, alte Richter erklärte, er würde keine Anschuldigungen gegen Ciaran erheben, um dann prompt einen Monolog weitreichender Spekulationen darüber zu beginnen, was intelligente Menschen wie Ciaran nach ihrer Freilassung auf Kaution möglicherweise tun könnten. Er unterbrach die Anhörung dann mit dem Vorschlag, zusätzlich zu den anwesenden Polizeioffizieren auch höhere Offiziere der RUC Sondereinheit SPECIAL BRANCH, die an diesem Tag nicht anwesend waren, für den nächsten Tag vorzuladen, um zu diesen Spekulationen Stellung zu nehmen. Die Offiziere der Special Branch kamen dieser Aufforderung auch prompt nach und bestätigten, dass „Intelligenz“ bedeute, Ciaran sei eine Mischung aus "Carlos, dem Schakal" und "Osama bin Laden".

Der Richter zeigte dann in empörender Weise seine Verachtung für all diejenigen, die entweder schriftliche Referenzen für Ciaran eingereicht hatten oder persönlich erschienen waren, um Ciarans guten Charakter und seine Unschuld zu bezeugen. Zudem weigerte er sich, weitreichende Versicherungen zu akzeptieren, nämlich dass Ciaran jegliche Sicherheiten bieten, jegliche Vorschriften beachten und zu seinem Gerichtstermin erscheinen würde.

Ich werde meine Energie nicht auf Briefe an Politiker, irische oder britische Offizielle, oder an die High Society verschwenden, da ich die Antworten - wenn denn welche kommen sollten - bereits kenne. Stattdessen appelliere ich direkt an die anständigen und hilfsbereiten Amerikaner, die Häftlinge und ihre Familien unterstützten, die für die MacBride Prinzipien kämpften und den Friedensprozess möglich gemacht haben bevor es Mode wurde, ihn zu unterstützen. Es ist mir eine große Ehre, sie meine Freunde nennen zu dürfen.

Ich füge ein Datenblatt bei, das die Situation, in der sich Ciaran befindet und die Vorwürfe gegen ihn objektiv zusammenfasst, sowie einen Aktionsplan, von dem ich hoffe, dass er ihre Zustimmung findet. Bitte kopieren Sie beides und verteilen Sie es an so viele Menschen wie möglich. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie bereit sind zu helfen. Wenn Sie nicht helfen können, ist eine Erklärung nicht notwendig.

Wir werden es schaffen!

Oliver Kearney

Vorschlag für einen Aktionsplan (Auszug):

Ich bin Oliver, der Vater von Ciaran und ich appelliere an Sie persönlich, uns dabei zu helfen, dass der junge Vater von zwei kleinen Mädchen, der sich niemals auch nur das Geringste zu Schulden hat kommen lassen und der nun als politischer Sündenbock für eine von der RUC Special Branch - die Stasi, die immer noch Nordirland kontrolliert - inszenierte Aktion herhalten muß und auf unbestimmte Zeit in einem britischen Gefängnis inhaftiert ist, auf Kaution freigelassen wird.

Wenn Sie bereit sind zu helfen, sorgen Sie bitte dafür, dass alle Ihre Aktionen gewaltfrei, legal und nachhaltig sind und sich auf die Leute konzentrieren, die immer noch die Macht in Englands irischer Kolonie haben - die britische Regierung.

Um mit dem Aktionsplan zu beginnen, BITTE:

- Finden Sie die öffentliche Telefonnummer des nächsten britischen Konsulates heraus.
- Rufen Sie diese Nummer morgen früh an. Bitten Sie nicht darum mit einem Konsularangestellten sprechen zu dürfen. Sprechen Sie direkt mit dem Telefonisten.
- Nennen Sie ihm/ihr höflich Ihren Namen und die Organisation (falls Sie einer angehören), erläutern Sie höflich und ohne jegliche Anschuldigungen oder Beleidigungen Ihre Entrüstung über die Behandlung von Ciaran und verlangen Sie seine Freilassung auf Kaution. (...)

Jarlath Kearney (Ciarans Bruder): Bericht über die Anhörung

„Ciaran hat am Montag Freilassung auf Kaution beantragt. Es zog sich bis Dienstag hin.

Der Richter hat in seiner schriftlichen Entscheidung die tadellosen Referenzen, die für Ciaran gesammelt wurden, als glaubhaft eingestuft, hat akzeptiert, dass Ciaran nicht untertauchen und bestimmt zum Gerichtstermin erscheinen würde, hat akzeptiert, dass Ciaran einen erheblichen Beitrag zum Friedensprozess geleistet hat, hat akzeptiert, dass Ciaran wieder zu seiner Arbeitsstelle und zu seiner Familie zurückkehren würde und er hat akzeptiert, dass Ciaran alle Auflagen einhalten würde.

Dennoch hat der Richter die Freilassung auf Kaution verweigert.

Die alleinige Grundlage für die Entscheidung des Richters waren die Anschuldigungen gegen Ciaran, die durch die strafverfolgende Behörde DPP und den PSNI Superintendenten Robert 'Roy' Suitters vorgebracht wurden. Sie behaupteten, dass Ciaran ein höherer Offizier des IRA Geheimdienstes sei, der nach seiner Freilassung seine Aktivitäten fortsetzen würde.

Diese falsche Anschuldigung der Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation (etwas, dessen Ciaran gar nicht angeklagt ist!) wurde mit weiteren völlig unwahren und abstrusen Behauptungen vorgebracht, z.B. dass er regelmäßig an Veranstaltungen der (amerikanischen Organisation) Noraid teilnähme und diese Kontakte zum Untertauchen nutzen würde. Ciarans Rechtsanwalt wies diese Behauptung zurück und legte als Bestätigung Ciarans Reisepass vor. Daraufhin erklärte der Anklagevertreter, dass die Anschuldigung auf Polizeierkenntnissen beruhe. Superintendent Suitters meinte, Ciaran hätte ja mit falschem Reisepass reisen können.

Es stellte sich bei der Anhörung heraus, dass Ciarans Fingerabdrücke nur auf einer UUP Antwort an die Patten Commission und einer unveröffentlichten politischen Abhandlung über Republikanismus gefunden wurde.

Sie können sehen auf welch schwachen Füßen die Anklage steht. Trotzdem wurden bei dieser Anhörung zur Freilassung auf Kaution Behauptungen, die auf Hörensagen beruhen, zugelassen. Weiß Gott, was sie sagen, wenn Denis (Donaldson) Kaution beantragt ....“

Ciaran Kearney - Datenblatt

Ciaran ist 31 Jahre alt und besitzt ein First Class Honours Diplom der Universität von Ulster. Er ist mit Jane verheiratet. Sie sind dabei ihr eigenes Haus in Belfast zu kaufen und haben zwei kleine Töchter die 5 und 3 Jahre alt sind.

Ciaran ist der Sohn eines Veterans der Bürgerrechtsbewegung und der MacBride Kampagne, Oliver Kearney. Jane ist die Tochter von Denis Donaldson, einem ehemaligen Gefängniskameraden von Bobby Sands, der zur Zeit Büroleiter für Sinn Fein im Nordirischen Regionalparlament, der Northern Ireland Assembly, ist.

Ciaran hatte eine führende Rolle in der Kampagne zur wirtschaftlichen Gleichstellung Ende der 90er Jahre und ist seit fünf Jahren als Policy Research und Information Manager beim Falls Community Council in West Belfast angestellt. Ciaran hat wichtige Forschungen und Analysen für den Falls Community Council und auch für Sinn Fein geleitet: zur wirtschaftlichen Diskriminierung und Ungleichheit in der irisch-nationalistischen Bevölkerungsgruppe; zur Menschenrechtssituation; zur Strafrechtsreform im Norden, und vor allem zur Reform des Polizeisystems und zum Bericht der Patten-Kommission.

Die Ergebnisse seiner Untersuchungen wurden dem Büro der Britischen Regierung in Nordirland, der Irischen Regierung, der Europäischen Kommission und der UN übergeben.

Am 4. Oktober 2002 inszenierte die nordirische Polizei, unter der Leitung der (umstrittenen) Polizeisondereinheit RUC Special Branch, eine großangelegte, Durchsuchung der Sinn Fein Büros in den Regierungsgebäuden. Ciaran und sein Schwiegervater wurden jeweils zuhause verhaftet.

Ciaran war nach der Verhaftung für 6 ½ Tage in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit wurde sein Haus ein zweites Mal durchsucht. Nachdem Ciaran für 156 Stunden festgehalten worden war, informierte ihn die Polizei, dass er wegen „Besitzes von Dokumenten, die hilfreich für Terroristen sein könnten“ angeklagt werde. Zuvor hatte ein Polizeibeamter Ciarans Anwalt bestätigt, dass die Dokumente die ihm zugeordnet werden konnten, an sich nicht belastend seien.

Die ihm zugeordneten Dokumente wurden angeblich in einem Rucksack im Haus von Ciarans Schwiegervater gefunden, zusammen mit anderen Dokumenten, die als „nützlich für Terroristen“ klassifiziert wurden.

Die Polizei hat in dem Rucksack nach eigenen Angaben Ciarans Fingerabdrücke auf folgenden Dokumenten festgestellt: einer veröffentlichten Analyse der Patten Kommission über die Polizeireform und auf einem Blatt Papier, das Notizen für einen Aufsatz über Republikanismus enthielt. Diese Dokumente stammten angeblich aus dem Rucksack, in dem auch andere Papiere, die angeblich für Terroristen von Nutzen sein könnten, gefunden wurden. Ferner gab die Polizei an, einen Daumenabdruck von Ciaran auf einer Plastiktüte eines bekannten Kleidergeschäfts, die ebenfalls im Rucksack war, gefunden zu haben.

Die Polizei behauptet, dass der Daumenabdruck auf der Plastiktüte beweise, dass Ciaran irgendwann im Besitz aller Dokumente des Rucksack gewesen sein muss, einschliesslich der belastenden Dokumente.

Der Richter aus Belfast, der Ciaran in Untersuchungshaft behielt, akzeptierte diese Beweisführung. Ciarans Antrag, auf Kaution freigelassen zu werden, wurde im nordirischen High-Court am 4. und 5. November behandelt. Das Gewähren der Kaution ist in Nordirland Ermessenssache und dem Antragsteller ist nicht erlaubt für sich zu sprechen.

Während der Verhandlung bestätigte die Polizei, dass sich ihre Beweisführung auf die oben erwähnten Indizien stütze, die Ciaran nicht in Zusammenhang mit belastendem Material brachten. Aber sie erklärten auch, dass geheimdienstliche Polizei-Informationen nahelegten, Ciaran sei ein führender IRA Geheimdienstoffizier. Deshalb sei es gefährlich, ihn auf Kaution freizulassen.

Ciaran wurde die Freilassung auf Kaution ausschließlich aufgrund dieser Behauptung nicht gewährt. Er bleibt bis zum Verhandlungstermin, der in 12 bis 18 Monaten stattfinden soll, in Haft. Damit ist er de facto ohne Verhandlung interniert als Opfer eines politisch abgekarteten Spiels der Sondereinheit RUC Special Branch, die immer noch die nordirische Polizei kontrolliert.


Originalversion des Briefs in englischer Sprache:
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Übersetzung:
Uschi Grandel, Dezember 2002, Anmerkungen der Übersetzerin in Klammern


Hintergrund:

Friedensprozess & Karfreitagsabkommen
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