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Fünfzehn spanische Polizisten wegen Folter im Baskenland vor Gericht

25.10.2010 | Uschi Grandel

Heute begann in der baskischen Stadt Donostia (spanisch: San Sebastian) der Prozess gegen fünfzehn Polizisten der spanischen Guardia Civil, die wegen des Vorwurfs der Folter zweier junger Basken, Igor Portu und Mattin Sarasola, vor Gericht stehen.

Die spanischen Polizisten gehören zur Elite der Anti-ETA Kämpfer, zur Grupo de Acción Rápida (GAR, schnelle Eingreiftruppe) und zu einer im baskischen Intxaurrondo stationierten Einheit der spanischen Guardia Civil. Sie hatten die beiden Männer im Januar 2008 im Baskenland verhaftet. Dass die Polizisten nun vor Gericht stehen, ist allein der Tatsache geschuldet, dass Igor Portu viele Stunden nach seiner Festnahme mit schwersten Verletzungen auf die Intensivstation des Krankenhauses in Donostia (span: San Sebastian) eingeliefert wurde.

Schwerste Verletzungen in Polizeigewahrsam

Die Ärzte des Krankenhauses stellten Rippenbrüche, Lufteintritt im unteren Bereich der Lunge, Luft im linken Lungenflügel, pleurale Blutergüsse und Anzeichen kleinerer Verletzungen der Lunge fest. Dazu kamen Blutergüsse an der Brust, am Rücken und an der Wirbelsäule. Das linke Auge zeigte ebenfalls Blutergüsse und innere Blutungen. Er litt an Atemschwierigkeiten und hatte eine gefährliche Lungenaufblähung. Blasen erstecken sich unter der Haut vom Beckenbereich bis zum Nackenbereich. Der Krankenhausbericht gibt ausserdem an, der Patient habe "von Schlägen mit Fäusten und Tritten in Gesicht, Brust, Unterleib und die unteren Extremitäten." berichtet. Die Knie und Gelenke zeigen "viele Blutergüsse, Abschürfungen und Verletzungen."

Die Schwere der Verletzungen und die Unverfrorenheit, mit der der spanische Innenminister Rubalcaba sich hinter die Polizisten stellte, selbst als diese sich immer mehr in Widersprüche verwickelten, führte zu Massenprotesten im Baskenland. Auch jetzt steht das spanische Innenministerium hinter den Angeklagten. Zwei Anwälte aus den renommiertesten Kanzleien Madrids haben die Verteidigung übernommen.

Foltervorwürfe und Selbstbezichtigungen

Die Polizisten erklärten auch heute bei ihrer Vernehmung, die beiden Basken hätten Widerstand gegen ihre Verhaftung geleistet und sich die Verletzungen dabei zugezogen. Die Verteidigung versucht, die Glaubwürdigkeit der jungen Basken in Zweifel zu ziehen. Sie wurden schliesslich vor kurzem von dem spanischen Sondergericht Audiencia Nacional als ETA Mitglieder und als Verantwortliche des Attentats auf den Madrider Flughafen Barajas im Jahr 2007 zu 1040 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Anschlag hatte den damaligen Versuch eines Konfliktlösungsprozesses endgültig beendet. Hauptbeweismittel der Anklage war eine Selbstbezichtigung, die die beiden Basken in den Händen der Polizei in Incommunicado-Isolationshaft unterschrieben hatten, also in der Zeit, für die sie schwerste Foltervorwürfe erheben. Ihre Selbstbezichtigung haben sie später wiederrufen.

Gegen die Incommunicado-Haft und die Nicht-Beachtung von Foltervorwürfen laufen Menschenrechtsorganisationen seit Jahren Sturm. Denn die Zahl der Fälle allein im Baskenland ist erschreckend: etwa 10.000 Baskinnen und Basken wurden in den letzten 30 Jahren nach ihrer Verhaftung in Incommunicadohaft gehalten, also in einem Zustand des völligen Ausgeliefertsein an die Polizei, ohne Kontrolle durch einen Anwalt oder Arzt des eigenen Vertrauens, ohne jede Kenntnis der Angehörigen über den Aufenthaltsort. Das kann bis zu fünf Tage dauern, ein Richter des Madrider Sondergerichts Audiencia Nacional kann die Incommunicado-Periode auf bis zu 13 Tage verlängern. 2/3 der incommunicado gehaltenen Baskinnen und Basken, also etwa 7000 Menschen, haben danach Foltervorwürfe erhoben.

Amnesty International hat der Forderung nach Aufhebung dieser Incommunicado-Haft und nach einem Ende der Straflosigkeit für Folterer im September 2009 einen eigenen Bericht gewidmet, dessen Zusammenfassung auf Info Baskenland in deutscher Sprache zur Verfügung steht.

Tortura Ez - Nein zu Folter

Für den nächsten Samstag, den 30. Oktober 2010, haben 50 Organisationen zu einer Demonstration gegen die Incommunicadohaft und gegen Folter in Donostia (span: San Sebastian) aufgerufen. Unter den Organisationen befinden sich baskische Menschenrechtsorganisationen, Parteien, Gewerkschaften und Jugendorganisationen. Und auch 20 spanische Anti-Folter- und Menschenrechtsorganisationen beteiligen sich.


Foto:
Gerichtssaal in Donostia, links die Ankläger (Juan Carlos RUIZ/ARGAZKI PRESS)


Weitere Informationen

Amnesty International:
"Aus dem Dunkeln ans Licht - höchste Zeit, die Incommunicado-Haft zu beenden"
(Zusammenfassung in deutscher Sprache, 28. Sept. 2009)

Polizeidokument beweist Existenz illegaler Verhöre
(Juni 2010)

Bericht über die Verhaftung von Igor Portu und Mattin Sarasola
(Januar 2008)

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