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Interview mit den ANV-Vertretern Cristina Marcos und Unai Urruzuno:
Mit einer Europaweiten Rundreise klären die zwei Vertreter der ANV über das ihrer Partei drohende Verbot und die anderen Massnahmen zur Unterdrückung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung auf. Cristina Marcos, Stadträtin von Barakaldo und Unai Urruzuno, illegalisierter Bürgermeister von Ondarroa, begannen ihre Rundreise am 29.1.2008 mit einer Auftaktveranstaltung in Berlin: Interview: Timo Berger ( >>>> Junge Welt, 5.2.2008) ) Kurz vor den Wahlen in Spanien hat die Generalstaatsanwaltschaft ein Verbotsverfahren gegen die ANV und die baskische kommunistische Partei EHAK eingeleitet. Was bedeutet das für die baskische Linke? Cristina Marcos: Schon in der Vergangenheit hat die Linke im Baskenland mit Verboten zu tun gehabt. Ich betone immer, daß ich eine legale Stadträtin bin, weil unsere Liste in Barakaldo bei den Kommunalwahlen im Mai 2007 nicht verboten wurde. Die Situation von Unai Urruzuno ist eine andere. Er war Spitzenkandidat einer ANV-Liste, doch sie wurde verboten. Die Wähler in der Küstenstadt Ondarroa haben ihm dennoch mit absoluter Mehrheit ihr Vertrauen ausgesprochen. Er wäre also heute eigentlich Bürgermeister. Die ANV tritt ungeachtet des laufenden Verbotsverfahrens zu den Wahlen an… Cristina Marcos: Bisher wurde die Partei noch nicht verboten. Allerdings wurden bei den vergangenen Kommunalwahlen 150 von 230 einzelnen Listen illegalisiert. Das heißt, 80 Prozent der Leute konnte nicht ANV wählen. Der spanische Staat verfolgt eine Doppelstrategie: einerseits eine Verhaftungs- und Repressionswelle gegen ETA-Mitglieder; andererseits den Versuch, die parlamentarische baskische Linke kaltzustellen. Ist das nur eine Wahlkampftaktik des amtierenden Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE), der sich jetzt als starker Mann zeigen will, weil er in den Umfragen mit dem Kandidaten der Partido Popular (PP), Mariano Rajoy Brey, nahezu gleichauf liegt? Unai Urruzuno: Der spanische Staat pfuscht sich gerade etwas juristisch zusammen, um unsere Parteien zu verbieten. Für ein verfassungsgemäßes Verbotsverfahren ist keine Zeit – deshalb brauchen sie jetzt einen Richter, der mit einem Eilantrag unseren Antritt zur Wahl aussetzt. Das wäre zwar kein direktes Verbot, würde jedoch all unsere Aktivitäten unterbinden und de facto dafür sorgen, daß die ANV sich nicht zur Wahl stellen kann. Die aktuelle Strategie der Regierung hat nicht nur mit dem Wahlkampf zu tun, sie reicht viel weiter. Die spanische Regierung will, daß die baskische Unabhängigkeitsbewegung vollständig verschwindet. PSOE und die baskischen Christdemokraten (PNV) wollen sich verbünden, um die Mehrheit im baskischen Parlament zu sichern. Im Gegenzug versuchen sie alles, um die baskische Linke zu schwächen. Laut der Tageszeitung El País haben die Ermittlungen gegen ANV ergeben, daß Ihre Partei »eine effektive und wiederholte Zusammenarbeit mit Batasuna« pflegt und »wirtschaftlich durch Batasuna bevormundet wird«. Wie verteidigen Sie sich gegen diese Vorwürfe? Cristina Marcos: Unsere Anwälte machen uns nicht viel Hoffnung. Der spanische Staat mißachtet in dem Verbotsverfahren die Prinzipien des Rechtsstaats, benutzt die Gesetze gerade so, wie es ihm paßt. Unsere Anwälte versuchen, was sie können. Doch es werden von spanischer Seite lächerliche Beweise gegen uns vorgelegt, Beweise, die z.T. aus Prozessen stammen, die eingestellt wurden. Außerdem läuft eine Medienkampagne gegen uns: Im Grunde finden die Prozesse mehr in den Medien als vor den Gerichten statt. Wir werden vorverurteilt. Die Strategie unserer Verteidiger ist es, aufzuzeigen, wie unsere Rechte beständig eingeschränkt und beschnitten werden. Was tun Sie gegen diese Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien? Unai Urruzuno: In Spanien selbst bleiben auf dem Justizweg nicht viele Möglichkeiten. Die Justiz wird politisch instrumentalisiert, wir sollen illegalisiert werden. Wir sind deshalb in letzter Instanz bis nach Strasbourg gegangen, um gegen das Verbot von Batasuna zu klagen. Strasbourg muß sich in einem oder zwei Jahren entscheiden. Wir sind uns bewußt, daß Spanien alles versuchen wird, politisch Einfluß zu nehmen, damit das Urteil nicht zu unseren Gunsten ausfällt. Der politische Konflikt kann letztlich nicht durch Repression, sondern nur durch Verhandlungen beigelegt werden. Für uns bedeutete das die Selbstbestimmung, also dem baskischen Volk die Wahl zu geben und die territoriale Einheit des Baskenlandes zu bewahren. Wie sehen Sie im Augenblick die Chancen für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen? Unai Urruzuno: Im Mai vergangenen Jahres wurde der Dialog abgebrochen. Die baskische Linke hatte in den Verhandlungen klare Vorschläge gemacht. Das bisherige Modell der Autonomien innerhalb Spaniens ist gescheitert. Wir haben seit 30 Jahren ein Autonomiestatut – das hat aber nur die Abhängigkeit von Madrid gebracht. Jetzt können wir auf mehr setzten. Die nächsten Jahre werden die Jahre des Selbstbestimmung sein. Ist das nicht ein wenig optimistisch? Die letzten beiden Parteien der baskischen Linken sind kurz davor, illegalisiert zu werden… Unai Urruzuno: Es ist nicht das erste Mal, daß man uns verbietet. Den vorangegange Dialog haben wir auch aus der Illegalität heraus erreicht. Die Lösung für den politischen Konflikt liegt auf dem Tisch. Das hat auch die Mehrheit der baskischen Bevölkerung erkannt – unabhängig, ob sie für oder gegen die ETA sind. Wir sind an eine Grenze gestoßen. Die baskische Bevölkerung fordert einen Politikwechsel. Die Repression wird den Konflikt nicht aus der Welt bringen. |