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Der spanische Justizminister Bermejo fährt das schwere Geschütz Parteienverbote auf, die spanische Vizepräsidentin María Teresa Fernández de la Vega erklärt ganz offen: ( >>>> El Pais, 26.1.2008, es ) :

"Wir werden verhindern, dass diese Parteien an den Wahlen teilnehmen!"

... und die Justiz verbietet in Rekordzeit ...

Uschi Grandel, 9. Februar 2008

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Am 26. Januar 2008 leitet der spanische Justizminister Bermejo das Verbot der beiden letzten verbliebenen legalen Parteien der baskischen Unabhängigkeitsbewegung ein. Nach einem Schnellverfahren verfügt Richter Baltasar Garzón am 8.2.2008 ein dreijähriges Verbot der EAE-ANV (Accion Nationalista Vasca), sowie der kleinen kommunistischen Partei EHAK (PCTV - Partido Comunista de las Tierras Vascas). Ganz nach dem Plan der spanischen Regierung werden beide Parteien danach vom obersten spanischen Gerichtshof in einer Eilentscheidung von der Teilnahme an den für den 9. März angesetzten Wahlen zum spanischen Parlament ausgeschlossen. Mehr als 200.000 Wählern - und damit über 15% der Bevölkerung des von Spanien beherrschten Teils des Baskenlandes - wird damit die Wahl ihrer politischen Vertreter verboten. So offensichtlich ist das Manöver, dass sogar die konservative baskische PNV von politischer Justiz spricht.

Die EHAK stellt derzeit 9 von 75 Abgeordneten des baskischen Parlaments. Die Kandidaten der EAE-ANV gewannen bei den Kommunalwahlen 2007 die stolze Zahl von 337 Sitzen in Stadt- und Gemeinderäten, obwohl die Hälfte ihrer Listen verboten worden war.

Nach dem Verbot während der Franco-Diktatur
nun das Verbot durch die PSOE

Die fast 80-jährige antifaschistische Partei EAE-ANV war bisher nur während der Franco-Diktatur verboten. Vor 70 Jahren stand sie im spanischen Bürgerkrieg an der Seite der jungen spanischen Republik gegen den Putsch Francos. Den Kampf gegen die Faschisten, in dem 500 Mitglieder der ANV ihr Leben verloren, führten sie gemeinsam mit Aktivisten der PSOE, derselben Partei, deren Enkel heute mit dem Verbot der ANV in Francos Fussstapfen treten.

Die spanische Regierung stört es dabei nicht, dass die Grundlage der Verbote, das extra im Jahr 2002 zur Vorbereitung des Batasuna-Verbots erlassene Parteiengesetz hochumstritten ist. Es stört sie auch nicht, dass die berechtigte Annahme besteht, das Verbot von Batasuna verstosse gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Dezember 2007 eine entsprechende Klage Batasunas gegen den spanischen Staat zugelassen. Da das Batasuna-Verbot die Grundlage der jetzigen Verbotsanträge ist, stürzt mit einer Aufhebung des Verbots das ganze Verbotskartenhaus in sich zusammen. Aber dann sind die Wahlen ja schon längst vorbei.

Spanien kein demokratischer Staat!

" ... Vertreter der baskischen Unabhängigkeitsbewegung (werden) wegen politischer Aktivitäten 'als Kriminelle' behandelt ... Ich komme langsam zu der Meinung, dass niemand Spanien als demokratischen Staat bezeichnen kann ..." Alex Reid, irischer Priester, Vermittler im spanisch-baskischen Konflikt, nach der Verhaftung der Batasuna-Führung im Oktober 2007 ( >>>> s. vollständiges Interview )

"Die spanische Exekutive und Justiz agiert ... in einem konfusen, undemokratischen Durcheinander ... gegen all unsere Hoffnungen auf Frieden mit einer Sturzflut von Verhaftungen (und späteren Gefängnisstrafen) ... rechtlich - unvorstellbar / sozial - beschämend / politisch - nicht korrekt / historisch - anachronistisch / ethisch - infam / ideologisch - dumm ... " Alfonso Sastre, spanischer Dramaturg, zu den Massenprozessen gegen Vertreter baskischer sozialer Bewegungen, Dez. 2007 ( >>>> GARA, 2.12.2007, es )

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Dezember 2007 die Klage der baskischen Partei Batasuna (Einheit) gegen die spanische Regierung wegen des Verstosses gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit zugelassen. Die baskische Partei, deren politisches Ziel ein unabhängiges Baskenland ist und die zum Spektrum der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung (Izquierda Aberzale) zählt, war 2003 von der spanischen Regierung verboten worden. In Frankreich ist die Partei legal. ( >>>> s. Bericht vom 18.12.2007 )

Als legale baskische Partei bleibt damit nur noch die konservativ-christliche Partei PNV (Partido Nacionalista Vasco) übrig, die zur Zeit mit Juan José Ibarretxe den Regierungschef der Autonomen Region des Baskenlandes, zu der drei baskische Provinzen gehören, stellt und die den Status Quo erhalten will. Nach aussen hat die PNV zwar gegen die Parteiverbote protestiert, dies ist aber wohl eher der Versuch, nicht als Erfüllungsgehilfe des spanischen Demokratieabbaus im Baskenland dazustehen.

Interview mit den ANV-Vertretern Cristina Marcos und Unai Urruzuno:
Mit einer Europaweiten Rundreise klären die zwei Vertreter der ANV über das ihrer Partei drohende Verbot und die anderen Massnahmen zur Unterdrückung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung auf. Cristina Marcos, Stadträtin von Barakaldo und Unai Urruzuno, illegalisierter Bürgermeister von Ondarroa, begannen ihre Rundreise am 29.1.2008 mit einer Auftaktveranstaltung in Berlin:

»Die Lösung liegt auf dem Tisch«

Vorschläge zur Bewältigung des Konflikts

Ein Gespräch mit Cristina Marcos und Unai Urruzuno wenige Tage vor dem Verbot ihrer Partei.
Interview: Timo Berger ( >>>> Junge Welt, 5.2.2008) )

Kurz vor den Wahlen in Spanien hat die Generalstaatsanwaltschaft ein Verbotsverfahren gegen die ANV und die baskische kommunistische Partei EHAK eingeleitet. Was bedeutet das für die baskische Linke?

Cristina Marcos: Schon in der Vergangenheit hat die Linke im Baskenland mit Verboten zu tun gehabt. Ich betone immer, daß ich eine legale Stadträtin bin, weil unsere Liste in Barakaldo bei den Kommunalwahlen im Mai 2007 nicht verboten wurde. Die Situation von Unai Urruzuno ist eine andere. Er war Spitzenkandidat einer ANV-Liste, doch sie wurde verboten. Die Wähler in der Küstenstadt Ondarroa haben ihm dennoch mit absoluter Mehrheit ihr Vertrauen ausgesprochen. Er wäre also heute eigentlich Bürgermeister.

Die ANV tritt ungeachtet des laufenden Verbotsverfahrens zu den Wahlen an…

Cristina Marcos: Bisher wurde die Partei noch nicht verboten. Allerdings wurden bei den vergangenen Kommunalwahlen 150 von 230 einzelnen Listen illegalisiert. Das heißt, 80 Prozent der Leute konnte nicht ANV wählen. Der spanische Staat verfolgt eine Doppelstrategie: einerseits eine Verhaftungs- und Repressionswelle gegen ETA-Mitglieder; andererseits den Versuch, die parlamentarische baskische Linke kaltzustellen.

Ist das nur eine Wahlkampftaktik des amtierenden Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE), der sich jetzt als starker Mann zeigen will, weil er in den Umfragen mit dem Kandidaten der Partido Popular (PP), Mariano Rajoy Brey, nahezu gleichauf liegt?

Unai Urruzuno: Der spanische Staat pfuscht sich gerade etwas juristisch zusammen, um unsere Parteien zu verbieten. Für ein verfassungsgemäßes Verbotsverfahren ist keine Zeit – deshalb brauchen sie jetzt einen Richter, der mit einem Eilantrag unseren Antritt zur Wahl aussetzt. Das wäre zwar kein direktes Verbot, würde jedoch all unsere Aktivitäten unterbinden und de facto dafür sorgen, daß die ANV sich nicht zur Wahl stellen kann. Die aktuelle Strategie der Regierung hat nicht nur mit dem Wahlkampf zu tun, sie reicht viel weiter. Die spanische Regierung will, daß die baskische Unabhängigkeitsbewegung vollständig verschwindet. PSOE und die baskischen Christdemokraten (PNV) wollen sich verbünden, um die Mehrheit im baskischen Parlament zu sichern. Im Gegenzug versuchen sie alles, um die baskische Linke zu schwächen.

Laut der Tageszeitung El País haben die Ermittlungen gegen ANV ergeben, daß Ihre Partei »eine effektive und wiederholte Zusammenarbeit mit Batasuna« pflegt und »wirtschaftlich durch Batasuna bevormundet wird«. Wie verteidigen Sie sich gegen diese Vorwürfe?

Cristina Marcos: Unsere Anwälte machen uns nicht viel Hoffnung. Der spanische Staat mißachtet in dem Verbotsverfahren die Prinzipien des Rechtsstaats, benutzt die Gesetze gerade so, wie es ihm paßt. Unsere Anwälte versuchen, was sie können. Doch es werden von spanischer Seite lächerliche Beweise gegen uns vorgelegt, Beweise, die z.T. aus Prozessen stammen, die eingestellt wurden. Außerdem läuft eine Medienkampagne gegen uns: Im Grunde finden die Prozesse mehr in den Medien als vor den Gerichten statt. Wir werden vorverurteilt. Die Strategie unserer Verteidiger ist es, aufzuzeigen, wie unsere Rechte beständig eingeschränkt und beschnitten werden.

Was tun Sie gegen diese Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien?

Unai Urruzuno: In Spanien selbst bleiben auf dem Justizweg nicht viele Möglichkeiten. Die Justiz wird politisch instrumentalisiert, wir sollen illegalisiert werden. Wir sind deshalb in letzter Instanz bis nach Strasbourg gegangen, um gegen das Verbot von Batasuna zu klagen. Strasbourg muß sich in einem oder zwei Jahren entscheiden. Wir sind uns bewußt, daß Spanien alles versuchen wird, politisch Einfluß zu nehmen, damit das Urteil nicht zu unseren Gunsten ausfällt. Der politische Konflikt kann letztlich nicht durch Repression, sondern nur durch Verhandlungen beigelegt werden. Für uns bedeutete das die Selbstbestimmung, also dem baskischen Volk die Wahl zu geben und die territoriale Einheit des Baskenlandes zu bewahren.

Wie sehen Sie im Augenblick die Chancen für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen?

Unai Urruzuno: Im Mai vergangenen Jahres wurde der Dialog abgebrochen. Die baskische Linke hatte in den Verhandlungen klare Vorschläge gemacht. Das bisherige Modell der Autonomien innerhalb Spaniens ist gescheitert. Wir haben seit 30 Jahren ein Autonomiestatut – das hat aber nur die Abhängigkeit von Madrid gebracht. Jetzt können wir auf mehr setzten. Die nächsten Jahre werden die Jahre des Selbstbestimmung sein.

Ist das nicht ein wenig optimistisch? Die letzten beiden Parteien der baskischen Linken sind kurz davor, illegalisiert zu werden…

Unai Urruzuno: Es ist nicht das erste Mal, daß man uns verbietet. Den vorangegange Dialog haben wir auch aus der Illegalität heraus erreicht. Die Lösung für den politischen Konflikt liegt auf dem Tisch. Das hat auch die Mehrheit der baskischen Bevölkerung erkannt – unabhängig, ob sie für oder gegen die ETA sind. Wir sind an eine Grenze gestoßen. Die baskische Bevölkerung fordert einen Politikwechsel. Die Repression wird den Konflikt nicht aus der Welt bringen.

Hintergrund / weitere Informationen zum Thema auf Indymedia:
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