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Arnaldo Otegi, Sprecher der baskischen Partei Batasuna, wurde am Samstag, den 30.8.2008, aus 15-monatiger Haft entlassen. Unser Kommentar:

"Ein tiefes Gefühl der Freude"

31.8.2008 | Uschi Grandel

"Nicht oft gibt es die Momente, in denen die Türen des Gefängnisses als Synonym für ein tiefes Gefühl der Freude stehen, schon gar nicht in Euskal Herria (im Baskenland). Trotzdem, auf keine andere Art und Weise kann man das Gefühl derjenigen beschreiben, die sich am frühen Morgen in Donostia (spanisch: San Sebastian) vor dem Gefängnis Martutene versammelt haben. Man benötigt Begriffe wie Aufregung, Euphorie, Extase ... Wie eine der anwesenden Frauen es formuliert: 'wir haben nicht jeden Tag diese Art von Neuigkeit'.",

so beschreibt die baskische Zeitung GARA in ihrer Sonntagsausgabe am 31.8.2008 die Haftentlassung von Arnaldo Otegi, dem Sprecher der seit 2003 in Spanien verbotenen baskischen Partei Batasuna. Otegi wurde am Samstag, den 30.8.2008 nach 15-monatiger Haft aus dem Gefängnis entlassen.

Otegi: "ein tiefgreifendes politisches Problem, das nur durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden kann"

Die Masse an Kameraleuten, die sich morgens um kurz nach sieben um den besten Platz für die Aufnahme drängeln, strafen an diesem Tag die offizielle spanische Lesart des spanisch-baskischen Konflikts Lügen. Die besagt, es gäbe keinen Konflikt, nur das Terrorproblem der ETA. Mit rigiden Polizeimassnahmen und Sondergesetzen werde man dem schon Herr. Der Friedensprozess sei passe, mit einer 'Bande' Terroristen könne man nicht verhandeln. Und nun scharen sich Journalisten ausgerechnet um den Mann, der als bekanntestes Gesicht der "Izquierda Abertzale", der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung, Verhandlungsführer des letzen gescheiterten Konfliktlösungsversuches war. Die Botschaft, mit der Arnaldo Otegi nach 15-monatiger Haft noch vor den Gefängnistoren von Martutene vor die Presse tritt, ist klar: "Es gibt ein tiefgreifendes politisches Problem in diesem Land, von dem ich persönlich denke, daß es nur durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden kann", sagte er. Und er weiss mit dieser Aussage einen grossen Teil der baskischen Bevölkerung hinter sich.


30.8.2008: Arnaldo Otegi wird vor dem Gefängnis Martutene in Donostia
von Familie, Freunden und Anhängern begrüßt. © http://www.askatu.org/

Die spanische Regierung hat derzeit keinen erkennbaren Plan einer Konfliktlösungsstrategie. Laut zu Wort melden sich diejenigen, die auf Eskalation und Gewalt setzen und hoffen, die Aktivisten der baskischen Unabhängigkeitsbewegung dadurch zum Schweigen zu bringen, dass sie Sprecher und bekannte Aktivisten zu jahrzehntelangen Freiheitsstrafen verurteilen. Die baskische Unabhängigkeitsbewegung hat ein Konzept für eine demokratische und friedliche Lösung des Konflikts, sie muss aber zuerst einmal ihr Recht durchsetzen, sich politisch überhaupt wieder legal äussern zu können. Eine Vielzahl ihrer bekannten Aktivisten ist derzeit im Gefängnis: weil sie sich politisch betätigt haben, durch Pressekonferenzen oder wie der ehemalige Europaabgeordnete von Batasuna, Karmelo Landa, nach einem Interview (s. >> "Parteienverbot ... Demonstrationsverbot ... Politikverbot").

Politische Justiz gegen Friedensbemühungen?

Arnaldo Otegi ist frei, steht aber schon wieder mit vier weiteren Anklagepunkten im Fadenkreuz der Sonderjustiz des spanischen Sondergerichtshof, dessen Auflösung u.a. der Verband Europäischer Demokratischer Rechtsanwälte fordert. Zwei Anklagepunkte zielen direkt auf sein Engagement für eine friedliche Lösung des langen Konflikts: am 14. November 2004 erläuterte Otegi im Radsportstadion von Anoeta in Donostia (San Sebastian) vor 15.000 Menschen den Vorschlag Batasunas für einen Friedensprozess. Es war der Anfang von Gesprächen zwischen Batasuna, der baskischen PNV und baskischer Vertreter der spanischen Regierungspartei PSOE, die die Möglichkeit eines Konfliktlösungsprozesses ausloten sollten. Sie mündeten in einen Waffenstillstand der ETA ab März 2006. Im Juni 2007 war dieser Prozess endgültig gescheitert. Für seine führende Beteiligung an der Friedenssuche hat Otegi Anerkennung verdient - der spanische Sondergerichtshof "Audiencia National" konstruiert daraus zwei Anklagen:

  • Ungehorsam und illegale Versammlung: wegen der Veranstaltung in Anoeta
  • Missachtung der Anordnung des obersten Gerichts, die Aktivitäten für Batasuna einzustellen: wegen der Teilnahme an den Friedensverhandlungen. Hierfür sind übrigens auch der baskische Regierungschef Ibarretxe und weitere Politiker, die an den Treffen teilgenommen hatten, angeklagt. Ihr Vergehen lautet auf "Kollaboration mit Terroristen".

Auch der Haftgrund für den 15-monatigen Freiheitsentzug, den Arnaldo Otegi gerade hinter sich hat, ist eine Schande für das verurteilende Gericht, nicht für den Angeklagten: "Verherrlichung des Terrorismus" lautete das Urteil aus dem Jahre 2005. Otegi hatte angeblich im Jahr 2003 den legendären ETA-Führer José Miguel Beñaran, "Argala" an dessen Todestag öffent­lich geehrt. Argala war 1973 an dem Attentat gegen Admiral Luis Carrero Blanco beteiligt, den designierten Nachfolger von General Franco. Das Attentat war erfolgreich und leitete den Sturz der Franco-Diktatur ein. 1978 ermordeten spanische Todesschwadronen den ETA-Chef im französischen Teil des Baskenlandes.


Ein demokratisches Szenario für eine Lösung des Konflikts

Wie die baskische Unabhängigkeitsbewegung den spanisch-französisch-baskischen Konflikt politisch lösen will, erklärt Arnaldo Otegi in einem ausführlichen Interview aus dem Jahr 2005, das in Buchform erschienen ist und seit März 2008 auch in deutscher übersetzung vorliegt:

Literaturhinweis

Inaki Iriondo, Ramón Sola: Das Baskenland – Wege zu einem gerechten Frieden.Ein Gespräch mit Arnaldo Otegi.
übersetzung aus dem Spanischen von Ralf Streck und Ingo Niebel.
Pahl-Rugenstein, Köln 2008, 260 Seiten, 22.90 Euro.

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