home
Reisebericht:
Delegation zum West Belfast Festival im August 2005

von Brigitte Priebe und Uschi Grandel

Seit 1988 verwandelt sich das irisch-republikanische West Belfast jedes Jahr in der ersten Augustwoche in eine bunte Mischung aus Stadtviertelfesten, internationalem Kultur- und Musikprogramm mit Künstlern aus aller Welt und politischen Veranstaltungen zur Konfliktlösung im eigenen Land und international.
Das West Belfast Festival ist ein durch und durch politisches Festival, das den Prozess der Konfliktlösung unterstützt und dem Staatsterror in Nordirland und weltweit mit viel Selbstbewusstsein den Kampf angesagt hat. Es ist ein Erbe der Bürgerrechtsbewegung, die im Apartheid-Staat Nordirland Ende der 60er Jahre für Bürgerrechtsforderungen und Menschenrechte auf die Strasse ging: für gleiches Wahlrecht, für ein Ende der Diskriminierung bei Arbeits- und Wohnungssuche, für Gerechtigkeit und Menschenwürde.

(aus unserer Einladung zur Teilnahme an der Delegation)

Donnerstag, 28. Juli 2005

Wir waren bereits in Belfast und so wurden wir Zeugen eines historischen Ereignisses:

Seanna Walsh verliest die Erklärung der IRA, in dem sie das Ende ihres bewaffneten Kampfes bekanntgibt:

"Alle IRA-Einheiten wurden angewiesen, ihre Waffen abzugeben. Alle IRA-Aktivisten wurden instruiert, die Entwicklung von rein politischen und demokratischen Initiativen durch ausschliesslich friedliche Mittel zu unterstuetzen. IRA-Aktivisten duerfen sich an keinen andersgearteten Aktionen beteiligen."

Die Erklärung deutscher Übersetzung findet sich unter:

>>>> Sinn Féin - Peace Process Special - IRA Statement <<<<

Es war phantastisch, an diesem Tag in Belfast zu sein, und die Reaktionen hautnah mitzuerleben.

Am Abend sind wir im Pub Glenowen in der Glen Road im irisch-republikanischen Westbelfast. Morgen beginnt das Festival und die Leute sind in Feierlaune. Die Erklärung der IRA ist das Thema des Abends. Auf den drei Grossbildfernsehern des Pubs läuft das lokale Programm BBC Ulster, die eine Sondersendung mit Interviews von Politikern und Passanten zu der Meldung des Tages bringen.

Die Stimmung der überwiegend republikanischen Gäste ist freundig erregt. Stolz, dass "wir" den ersten Schritt getan haben, aus Stärke. Viele sehen diesen Schritt als Befreiungsschlag, akzeptiert, spätestens seit der Aufforderung des Sinn Féin Präsidenten Gerry Adams an die IRA absehbar und mutig.

Aber es gibt auch Bedenken, dass die kleinen irischen Viertel in Nordirland dem hohen Level an loyalistischer (unionistischer, pro-britischer) Gewalt durch die unionistischen Paramilitärs UVF, UDA und LVF, die seit Wochen in eine blutige Fehde verstrickt sind, nun schutzlos gegenüberstehen.

Die Meldungen aus den unionistischen/loyalistischen, pro-britischen Vierteln sind jedenfalls erschreckend:

Die Reaktion der unionistischen, pro-britischen Politiker und der unionistischen Paramilitärs entlarvt, wie sehr sie die IRA als Sündenbock und als immer gute Entschuldigung dafür gebraucht hatten, den Friedensprozess zu destabilisieren. Sie sind wütend. Die DUP, inzwischen die stärkste Partei im unionistischen Lager, hatte eine Einigung, die die Entwaffnung der IRA im Dezember letzten Jahres im Rahmen eines politischen Gesamtpakets vorsah, in letzter Minute verhindert. Die DUP stellte die demütigende Forderung nach photographischer Überwachung der Waffenvernichtung. Hämisch verlangte der DUP Chef Ian Paisley in einer seiner gewohnten Brandreden, die Republikaner müssten in "Sack und Asche" gehen. Er wähnte sich so sicher, dass die Forderung nach Demütigung ein Druckmittel war, den weiteren Fortschritt im Friedensprozess zu verhindern.

Im Fernsehen sehen wir Ian Paisley denn auch das erste Mal sprachlos. Lahm und fast sprachlos sagt er, man dürfe der IRA nicht blind trauen, sondern müsse Taten abwarten. Der Kommentar ist aber meilenweit entfernt von den üblichen Donnerreden des fanatischen Anti-Republikaners.

Ein Paramilitär der UVF, selbst in Morde und Fehden verstrickt, bezeichnet die IRA Erklärung als besorgniserregend. Er schliesse daraus, dass die IRA sich sehr sicher fühlen müsste, ein vereinigtes Irland zu erreichen. Nein, eine Entwaffnung der UVF käme nicht in Frage.

Die britische Regierung begrüsst die Erklärung "wärmstens" als "wichtige Entwicklung im Friedensprozess". Die irische Regierung bezeichnet sie als "historische Entscheidung". Selbst Papst Benedikt kommentiert die Erklärung als "freudiges Ereignis".

Freitag, 29. Juli 2005

Noch immer bestimmt die Erklärung der IRA vom Vortag das Geschehen. Die britische Regierung veröffentlicht einen Demilitarisierungsplan, der innerhalb der nächsten 2 Jahre abgeschlossen sein soll.

Mit sofortiger Wirkung wird einer der hochgerüsteten Armeestützpunkte in South Armagh in der Nähe von Camlough geräumt und abgebaut ... und das Hochhaus Divis Tower am unteren Ende der Falls Road in Westbelfast. Seit 30 Jahren hatte die britische Armee die beiden obersten Etagen dieses Hochhauses besetzt, und auf dem Dach jede Menge Überwachungselektronik installiert. Das ist nun Vergangenheit.

Geplant ist weiterhin die Auflösung des Regimentes "Royal Irish Regiment (RIR)". Die Unionisten toben. Die RIR war mehr als Polizei und Armee ihre Truppe mit derzeit etwa 3000 Soldaten unter Waffen und ca. 50 000 Soldaten, die insgesamt die RIR durchlaufen haben. Bei einer Bevölkerung von 1.5 Millionen und etwa 800 000 Menschen, die in unionistischen Vierteln leben, sind dies über 5% der unionistischen Bevölkerung.

Abends war dann Festivalstimmung pur im "Big Foot", dem zentralen Festival Saal an der Falls Road. Zur Eröffnung spielten die Hothouseflower und Jerry Fish & The Mudbug Club, beide Bands aus Dublin und beide richtig gut.

Samstag, 30. Juli 2005

Wir besuchen eines der politischen Festival Ereignisses, eine Veranstaltung mit Billy Leonhard. Er erzählt über seine Entwicklung vom ehemaligen Polizisten der RUC Reserve zum ersten Sinn Fein Landrat in Coleraine.

Die Veranstaltung fand im irisch-republikanischen Club "Rodaís Mac Corlaís" statt und Billy war sicher der erste (Ex)-Polizist, der diesen Club mit einer Einladung zu einem Vortrag betrat.

Einige Aspekte seiner Wandlung:

Abends gehen wir in eine der Theatersessions: "The Wrong Man" wird nach der Vorlage des gleichnamigen Buches von Danny Morrison von einem Londoner Ensemble gespielt. Der Inhalt: "Ein Informant in der IRA muss gefunden werden. Aber verdächtigt die IRA vielleicht den Falschen? Warum sollte er seine Freunde verraten? Ein Stück über die dunkle Seite des Konflikts, über Betrug, Loyalität und die Menschen, die in all das verwickelt waren."

Das Buch gibt es übrigens auch in deutscher Übersetzung: Der falsche Mann

Sonntag, 31. Juli 2005

Am Sonntag findet die grosse Eröffnungsparade statt. Ein karnevalistischer Umzug vieler lokaler Gruppen, zusätzlich internationale Gäste und ethnische Minderheiten aus ganz Belfast.

Die Abschlussparty findet im McRory Park statt. Über Jahrzehnte war er ein riesiges Militärgelände der britischen Armee und wurde erst vor einigen Jahren den ursprünglichen Eigentümern, einem Sportverein wieder zurückgegeben.

Montag, 1. August 2005

Wir besuchen die Veranstaltung zur Erinnerung an die Masseninternierungen vom 9. August 1971.

Vertreter beider Seiten, der irisch-republikanischen und der pro-britisch unionistischen Viertel diskutieren die Ereignisse und die Folgen für die weitere Entwicklung ihrer Viertel.

Die Reaktion der beiden Communities auf die Internierungen durch die britische Armee war völlig unterschiedlich:

Die 13. Frank Cahill Memorial Lecture hatte das Thema "Women in Political Leadership". Mitglieder des "Iranischen Nationalen Widerstandskongresses" berichteten über ihren Kampf gegen das Regime der Mullahs im Iran. Weil sich die Unterdrückung der Mullahs vor allem gegen Frauen richtet, sieht die Gruppe die Etablierung von Frauen in Führungspositionen als wichtiges Signal. Sie lehnen die Zusammenarbeit mit den Mullahs ab und kritisieren die europäische Haltung gegenüber dem Iran, mehr jedoch fürchten sie einen Angriff Amerikas, den sie auf das Schärfste ablehnen.

Dienstag, 2. August 2005

Wir besuchen Radio Féile FM. Das Radio wird von insgesamt 120 Leuten betrieben, bis auf die eine festangestellte Managerin Emma sind alles Freiwillige, viele junge Leute. Das Radio sendet an 28 Tagen im Jahr, immer für feste Highlights: Die Lizenz für ein ganzjähriges Communityradio ist beantragt (und inzwischen - Stand November 2005 - genehmigt). Auch ein Zeichen sich ändernder Zeiten, der Stärke und des Selbstbewusstseins in den irischen Vierteln. Während der ganzen Jahre, die Féile FM schon sendet, musste das Radio sich mit eigener Kraft gegen die Widerstände des Establishments behaupten.

Der Empfangsradius ist derzeit etwa 9 km, reicht also auch in die irischen und unionistischen (pro-britischen) Viertel in Nordbelfast. Das Radioteam hat das Shankill Women Centre aus dem unionistischen Teil Westbelfasts mit einem festen, zweistündigen Sendeplatz am Mittwoch vormittag einbezogen.

Das Radio betrachtet sich als unabhängiges Community Radio. Die Moderatoren, Rechercheteams und Nachrichtenteams lernen ihre Arbeit von professionellen Journalisten, die ebenfalls ehrenamtlich im Vorfeld der Sendetermine Kurse durchführen. Die Qualität des Radios ist extrem hoch und so ist es nicht nur ein Diskussionsforum für alle Belange der verschiedenen Gruppen und Individuen in West Belfast, sondern auch eine Möglichkeit für Jugendliche, sich in einem Viertel mit chronisch hoher Arbeitslosigkeit eine Perspektive zu erarbeiten.

Wir erhalten eine Einladung zu einer 1-stündigen Sendung, die wir in deutsch-italienischer Kooperation zusammen mit Silvia Calamati auch wahrnehmen. Silvia ist eine italienische Journalistin, die seit Jahrzehnten über Nordirland schreibt und regelmässig mehrfach im Jahr vor Ort ist. Sie hat zwei Bücher geschrieben, eines davon, Women’s Stories from the North of Ireland ist auch in English erschienen.

Am Nachmittag treffen wir uns mit fünf Frauen aus dem unionistischen Bezirk Shankill in den Räumen des Shankill Women Centre, um über die Situation im Viertel zu reden.

Die Frauen arbeiten in verschiedenen Community Gruppen Die Stimmung in den unionistischen/loyalistischen Bezirken ist derzeit wegen der blutigen Fehde der unionistischen Paramilitärs sehr angespannt und es erfordert einiges an Mut von den Frauen, in einer solchen Situation mit Fremden überhaupt zu reden. Nun, ganz fremd sind wir nicht, über Jahre haben wir den Kontakt zu Gruppen im Shankill-Bezirk gesucht. Wir haben immer wieder Berichte gehört, wie die Paramilitärs von UDA, UVF und LVF in ihren Bezirken mit Angst und Terror herrschen.

Wir reden über die Lage im Bezirk Shankill:

die Fehde zwischen der UDA und der UVF um die Vorherrschaft im Bezirk Shankill ist mittlerweile fünf Jahre her, trotzdem ist der Bezirk sehr gespalten und die Atmosphäre von Furcht geprägt. 250 Familien wurden damals von der UDA aus ihren Häusern im Bereich "Lower Shankill" vertrieben und leben jetzt ein paar hundert Meter weiter im UVF-Bezirk "Upper Shankill". Die meisten konnten gerade einmal ihre notwendigsten Habseligkeiten mitnehmen, Einrichtungsgegenstände wurden gestohlen oder demoliert, die Häuser zum Teil unbewohnbar gemacht. In viele der Häuser zogen linientreue UDA-Familien ein (einige davon aus dem Upper Shankill vertrieben).

Die Familien haben keine staatliche Hilfe, keine psychologische Betreuung erhalten. Hilfe zur Selbsthilfe koordinieren freiwillige Helfer. Ein spezielles Problem existiert für die hochtraumatisierten Kinder, die jetzt erst Verhaltensänderungen, wie z.B. Depressionen zeigen und dringend Hilfe benötigen.

Das Women's Centre liegt im Grenzbereich zwischen Lower Shankill und Upper Shankill, einer imaginären Grenzlinie, die viele Familien aus Furcht heute noch nicht überschreiten. Das Women's Centre ist der einzige neutrale Ort, an dem sich Frauen aus dem ganzen Viertel treffen. Das Centre hat über die Jahrzehnte seit den siebziger Jahren viel Unterstützung von Frauengruppen aus den irischen Vierteln erhalten. Selbstorganisation, Aufbau von Community-Strukturen, Dinge selbst in die Hand nehmen, sich einbringen, waren die Mittel, mit denen sich die irisch-republikanischen Viertel während des langen Konfliktes gegen staatliche Willkür und Unterdrückung zur Wehr setzten. In den "gesetzestreuen", eher konservativen unionistischen Viertel, die von einem extrem konservativen Frauenbild geprägt sind, mussten die Frauen das erst mühsam lernen. Aber das Frauennetzwerk in Belfast ist sehr gut, was auch daran sichtbar wird, dass eine der Frauen der Gesprächsrunde aus einem irischen Viertel kommt.

Es ist nicht einfach für die Anwohner im Shankill, sich gegen "ihre" unionistischen/loyalistischen Paramilitärs zu behaupten. So wurde in mühsamen Verhandlungen erreicht, dass während der "marching season", der Zeit der Oranierparaden keine Bürgersteige mehr blau-weiss-rot angemalt werden. Die Beflaggung ist immer noch eines der Probleme. Gerade ältere Menschen beschweren sich über den Lärm, den die Fahnen vor ihren Fenstern verursachen, haben jedoch keine Handhabe gegen die Paramilitärs.

"The Session", eine politisch gefärbte Musik-Komödie des Belfaster Regisseurs Brian Moore war eines der Festival-Higlights, spielte täglich vor ausverkauftem Haus und ist derzeit in Irland auf Tournee.

Die Veranstaltung zur Situation des Konflikts in Palestina mit Lheila Khaled musste per Videolink nach Dublin stattfinden. Grossbritannien hatte Lheila die Einreise verweigert.

Mittwoch, 3. August 2005

Empfang in der Belfaster City Hall durch den Sinn Fein Stadtrat Paul Maskey. Pauls Bruder Alex Maskey war im Jahr 2002 der erste Sinn Fein Bürgermeister in der Geschichte Belfasts.

In einer hervorragenden Rede zur Übernahme des Bürgermeisteramts sagte Alex Maskey damals:

Ich möchte in diesem Jahr als Bürgermeister alle Menschen dieser Stadt repräsentieren. Dafür steht irischer Republikanismus. Darum geht es in unseren Anstrengungen um Frieden.

Irischer Republikanismus ist eine demokratische Philosophie, die niemanden ausgrenzt. Belfast war im 18. Jahrhundert die Wiege des Republikanismus. Seine Verfechter und Unterstützer hatten als Hintergrund die (protestantischen)Traditionen der Presbyterianer und der Church of Ireland.

In jenen Tagen war Belfast ein Ankerpunkt für positives, progressives Denken. Es war kein Zufall, dass es damals das Athen des Nordens genannt wurde; kein Zufall, dass Belfast die erste Stadt auf diesen Inseln war, die Schiffe aus ihrem Hafen verbannte, die in Sklavenhandel verwickelt waren.

Meine Hoffnung ist, in meiner Zeit als Bürgermeister dazu beizutragen, einen solchen Geist wiederzubeleben....

Aber ich bin auch in einer gespaltenen Stadt aufgewachsen. Das Rathaus war nicht für die Viertel und ihre Bewohner da, die ich repräsentiere und von denen ich komme. Aber das ändert sich. Und das ist gut für alle Bürger Belfasts....

Ich möchte das Bürgermeisteramt für das Wohl aller Bürger in Belfast ausüben und möchte sicherstellen, dass Belfast ein gastfreundlicher Ort ist, an dem sich Besucher wohlfühlen. Es ist meine feste Absicht, in dieser Hinsicht so viel wie möglich zu erreichen.
Drei Jahre später erzählt Paul von dem gewaltigen Anstoss, den die Initiative der IRA der Sinn Fein Wählerschaft gegeben hat. Anrufe am laufenden Band von Menschen, die sich einbringen wollen. Aber auch Besorgnis von Menschen, die sich nun schutzlos fühlen. Paul erzählt, wie sie Leute ermutigen, sich selbst einzubringen und die Lücke zu füllen.

Abends gab es eines der politischen Highlights, die uns, die wir aus dem politikverdrossenen Deutschland kommen, hier einfach nur begeistern. "West Belfast Talks Back" nennt sich die Veranstaltung, in der ein Podium mit Vertretern aller grossen politischen Parteien einer etwa 800-köpfigen Zuhörerschaft Rede und Antwort stehen.

Diesjährige Teilnehmer:

Moderator: Conor Bradford von der BBC nahm ungefiltert Fragen aus dem Publikum entgegen und reichte sie an das Podium weiter.

Themen waren:

Anwesend waren wohl 800 Menschen, der Saal in St. Louises College an der Falls Road war völlig überfüllt. Etwa 3/4 der Anwesenden kamen aus dem republikanischen West Belfast, dem Viertel, das zur Veranstaltung eingeladen hatte. Der Rest kam aus anderen Teilen Belfasts oder war extra von weiter her angereist. Einige wenige internationale Gäste waren erstaunte Zuschauer.

Die Fragen der Zuhörer wurden auf hohem Niveau gestellt, der Saal war extrem diszipliniert und sehr höflich. Selbst Arlene Forster wurde vom überwiegend republikanischen Publikum mit höflichem Beifall begrüsst, was umso deutlicher die Absurdität der DUP-Position zeigt, die sich immer noch weigert, mit Sinn Fein Repräsentanten zu reden oder die simpelsten menschlichen Anstandsregeln einzuhalten, wie z.B. einen SF-Repräsentanten nur zu begrüssen.

Donnerstag, 4. August 2005

Die Dachorganisation der ehemaligen republikanischen Gefangenen, Coiste na n-Iarchimí, lädt zur Informationsveranstaltung und Erfahrungsaustausch über politische Gefangene in Irland, dem Baskenland, Palestina und dem früheren Apartheids-Südafrika.

Bedrückend ist die Lage der politischen Gefangenen in allen Ländern, in Palestina ist besonders anzumerken, dass in erschreckendem Maße Recht und internationale Resolutionen ohne weitere Konsequenzen für Zehntausende komplett ausser Kraft gesetzt sind.

Ein zweites Thema war der Launch der überarbeiteten Webseite von Coiste na n-Iarchimí's Political Tours Projekt. Das Projekt bietet Unterstützung für diejenigen, die sich über den Konflikt, den Friedensprozess und die politische Lage vor Ort informieren wollen. Wir unterstützen dieses Projekt nicht zuletzt durch Kooperation im Rahmen unserer Delegation.

Scribes on the Rock in der Rock Bar, einem der richtig alten und nostalgischen Pubs der Falls Road: jedes Jahr wieder eine Literaturveranstaltung, in der schon Stunden vor Beginn der Saal zum Bersten voll ist. Bekannte Autoren lesen aus ihren Werken .... und das Publikum ist begeistert.

Youth for Truth ist das Thema einer 1-tägigen Jugendkonferenz, zu der An Fhírinne (Die Wahrheit) eingeladen hatte. An Fhírinne sucht Aufklärung zum Thema Collusion, dem dunklen Kapitel der Zusammenarbeit staatlicher britischer Stellen mit unionistischen/loyalistischen Todesschwadronen, der während des Konflikts schätzungsweise mehrere hundert Menschen zum Opfer gefallen waren. Junge Leute, deren Angehörige durch Collusion ermordet wurden, gestalten diesen Tag und berichten - oft zum ersten Mal vor Publikum - wie diese Morde ihr Leben veränderte. Ca. 300 Jugendliche waren zusammengekommen, um die Kampagne zur Aufklärung dieser Verbrechen weiter zu treiben.

Abends kam uns langsam ins Bewusstsein, dass dies der letzte Abend der gemeinsamen Delegation war. U2- und Oasis Cover Band im offiziellen Feile Programm gegen ein gemütliches Pint bei Irish Traditional, die Meinungen waren geteilt. Aber den Ausklang beim letzten Pint gabs gemeinsam.

Freitag, 5. August 2005

Am Freitag machten wir einen Abstecher zum New Lodge Festival in Nordbelfast und bekamen eine private Stadtteilführung. Girwood Barracks, eine der grössten Polizei-und Militärkasernen in Nordbelfast wird gerade abgebaut. Einige Quadratkilometer Land in Stadtzentrumsnähe werden damit in Zukunft hoffentlich einer positiven Verwendung zugeführt.

Was uns diesmal ebenfalls positiv aufgefallen ist: nach langer Blockadepolitik des langezeit mehrheitlich unionistischen Belfaster Stadtrats und seiner "die kriegen nichts"-Politik gegen irische Viertel haben wir die ersten Kinderspielplätze in New Lodge und am Dunville Park an der Falls Road gesichtet.

Ausklang am Abend im Pub Sean Mc Diarmuda bei irischer Musik mit dem irisch-republikanischen Balladen-Duo Bik McFarlane & Terry O'Neill. Einfach klasse. Es gibt sie auch auf CD - wir finden sie sehr empfehlenswert. Unsere Favoriten: "Something Inside So Strong" (Bik McFarlane & Terry O'Neill) oder auch "Irish Ballads" (Terry O'Neill). Beide erhältlich im Sinn Fein Online bookshop.

Samstag, 6. August 2005

Nach ausgiebigem Kaffee im schönsten Sonnenschein im neueröffneten Falls Road Strassencafe war "Prisoners' Day" im Felons Club angesagt. Der Felons Club ist ein irisch-republikanischer sozialer Verein ehemaliger politischer republikanischer Gefangener. Mitglied kann nur werden, wer aus politischen Gründen im Gefängnis war. Nelson Mandela ist Ehrenmitglied des Vereins.

Der "Prisoners' Day" ist eine alte Institution im Festival Programm und eine Mischung aus gemütlichem Treffen mit alten Bekannten und politischer Information. Diesmal stand die Wiederbelebung des "Green Cross" im Mittelpunkt. Das Green Cross ist die Hilfsorganisation für Gefangene, deren Lage in Magheberry Jail immer noch katastrophal ist, und kümmert sich auch um die Familien der Gefangenen.

Abends war Party in Ballymurphy angesagt, in der Halle des lokalen gälischen Sportvereins.

Sonntag, 7. August 2005

Demonstration zum Jahrestag der Internierungen, ebenfalls veranstaltet von An Fhírinne (Die Wahrheit).

Themen der Demonstration, an der ca. 2000 Personen teilnahmen, waren:

Die aus dem hochmilitarisierten South Armagh angereisten Demonstrationsteilnehmer brachten gleich einen ganzen Wachturm nebst Soldaten mit, die sie am Ende der Demonstration in einem virtuellen Demilitarisierungsakt abbauten.

Hauptredner der Abschlusskundgebung waren Albert Fullerton und Pat Doherty, An Fhírinne machte mit einer pfiffigen Kultur- und Theatereinlage auf ihr Thema aufmerksam.

Die Andersontown News schreibt:

"Albert Fullerton, dessen Vater (und damaliger Sinn Fein Landrat)Eddie von der UDA 1991 in seinem Haus in County Donegal (eines der an Nordirland angrenzenden Länder der irischen Republik) ermordet wurde, hält vor den Teilnehmern der Demonstration in Dunville Park eine emotionale Rede: 'Es ist ein absolutes Privileg und eine Ehre, hier im Herzen des republikanischen West Belfasts zu Euch zu sprechen', sagte er.

Zum Thema Collusion, der Zusammenarbeit der britischen Regierung mit loyalistischen Todesschwadronen, fragte er: 'Wie war es all die Jahre für die britische Regierung möglich, irische Nationalisten zu ermorden und nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden?'

'Wäre so etwas in Italien, Frankreich oder Australien möglich? Die Antwort ist nein. Der Grund, warum sie nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, ist das Versagen der irischen Regierung. Die irische Regierung erzählt, sie repräsentiere alle Menschen in diesem Land, sie wertschätze alle Iren, aber in Wahrheit tun sie das Gegenteil.'

Der ehemalige Sinn Féin Stadtrat in Buncrana sagte, man müsse auch das Versagen der irischen Regierung, die Briten für Staatsterror und Collusion zur Verantwortung zu ziehen, untersuchen.

'Einer der Gründe, warum die britische Regierung für ihre Zusammenarbeit mit Todesschwadronen nicht zur Verantwortung gezogen wurde, war die Komplizenschaft der irischen Regierung, die über all die Jahre nicht einmal Bedenken geäussert hat zu dem, was da passierte.'

'Ich lebe in der irischen Republik und allzuviel wird unter dem Namen Demokratie in uns hineingestopft. Und mein Vater, Eddie Fullerton, wurde vor unserem Haus unter den Augen meiner Mutter von britischen Mördern erschossen und die (irische Polizei) Gardaí hat viel unternommen, die Wahrheit über diesen Mord zu verschleiern.

'Wenn ein Repräsentant des irischen Staates von einem fremden Staat ermordet werden kann, ohne dass dies untersucht und angeprangert wird, dann existiert Demokratie nicht,' fügte Herr Fullerton hinzu. 'In den letzten Wochen haben wir viel über die Vernichtung der IRA Waffen gehört. Das ist eine gute Nachricht. Aber eine Waffe bleibt über, die können sie uns nicht nehmen, und das ist die Wahrheit. '..."

Tag und Festival gingen im Felons Club zu Ende bei einem Konzert der "Irish Brigade".

Last not least ...

... möchten wir uns mit den Reiseberichten ganz herzlich bei denen bedanken, die uns während der Woche Rede und Antwort standen.

Brigitte und Uschi


Ankündigung für die Delegation 2006:

Voraussichtlicher Termin: 1. Augustwoche 2006
Eintragung in eine unverbindliche Interessentenliste möglich per email an delegation@info-nordirland.de


Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, news@info-nordirland.de