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Der ehrenwerte Außenseiter im höchsten Staatsamt

31.10.2011 | Peter Nonnenmacher, London (Stuttgarter Zeitung)

Ein ungewöhnlicher Politiker, ein Dichter und Förderer der Künste, ist jetzt mit Michael D. Higgins zum neuen irischen Staatsoberhaupt gewählt worden. Wiewohl seit den sechziger Jahren der irischen Labour Party zugehörig, hat sich der künftige Präsident als unabhängiger Geist, als Individualist mit allerlei persönlichen und moralischen Anliegen einen Namen gemacht.

Die Eigenwilligkeit des 70-Jährigen haben Higgins den Respekt auch konservativer Landsleute und nun, auf sieben Jahre hin, das Präsidentenamt eingetragen. Kein anderer der sieben Kandidaten schien den Iren letzten Endes so geeignet, einen Bruch mit Korruption und kommerzieller Gewissenlosigkeit der Jahre des „keltischen Tigers” zu signalisieren, wie der kleinwüchsige, grauhaarige Politveteran. 57 Prozent der Stimmen waren ein deutliches Zeichen.

Higgins, war man sich generell einig in Irland am Sonntag, würde einen ganz hervorragenden Präsidenten, einen ehrenwerten Außenseiter im höchsten Staatsamt der kleinen Republik am Rande Europas abgeben - einen Anti-Establishment-Präsidenten sozusagen, kurioserweise, aus der politischen Elite des Landes.

Aufgewachsen im ausgebluteten Westen der Insel, unter dem Eindruck deprimierender Armut und permanenter Emigration, war Higgins das erste Mitglied seiner Familie, das es auf eine Hochschule schaffte. Teils in den USA ausgebildet, unterrichtete er in den folgenden Jahren an der Uni Galway Soziologie und Politologie und setzte sich in der Öffentlichkeit immer wieder vehement für Menschenrechte ein. Seine Landsleute lernten ihn kennen als scharfen Debatteur, als Atomwaffengegner, als unerbittlichen Pinochet-Kritiker, als frühen Warner vor dem Irakkrieg. Mit durchaus spezifischen Vorstellungen zur weiteren Entwicklung Irlands schaute er doch immer gern über den irischen Tellerrand hinaus. Globale Ereignisse fesselten ihn mehr als innerparteiliche Grabenkämpfe. Einmal, in den achtziger Jahren, seufzte der damalige Labour-Chef Frank Cluskey, Higgins wähle „halt immer die einfachere Aufgabe” - er wolle offenkundig „lieber die Welt retten als die Labour Party”. Daran war richtig, dass Higgins in der Labour-Hierarchie nie ganz zur Spitze vorstieß, sondern bloß das „dekorative” Amt des Parteipräsidenten versah. Auch das irische Präsidentenamt hat in erster Linie repräsentative Funktionen.

Von 1993 bis 1997 war er allerdings auch Minister für Kultur und für die gälischsprachigen Gebiete Irlands. Das war ein Amt, das ihm auf den Leib geschrieben schien. Mit guten Irischkenntnissen, Verständnis für die Probleme des Westens und erheblichen Sympathien für die Künste verschaffte er sich weiteres Ansehen.

Er hob die irischsprachige Fernsehanstalt TG4 aus der Taufe, verhalf der Filmindustrie zu einer stärkeren Basis und sorgte für großzügigere öffentliche Subventionen für die Museen der Nation. Er hob übrigens auch die vormals bestehende Redezensur für Repräsentanten der Republikanerpartei Sinn Féin im Rundfunk auf: Das war eine Reform, die den Friedensprozess in Nordirland begünstigte.

Higgins' Frau Sabina war, zu Beginn ihrer Ehe noch, eine bekannte Schauspielerin in Irland. Higgins selbst verfasste Gedichte und gab mehrere Sammlungen heraus. Zuletzt ist er zudem Präsident seines Fußballclubs Galway United gewesen. Hauptsächlich aber verbinden die Leute mit seinem Namen die Vorstellung von einem unbestechlichen, intellektuell regen Zeitgenossen, der sich wie kaum ein anderer aufs Reden verstanden. „Michael D” wurde und wird Higgins überall im Lande nur genannt. Das D steht, was die wenigsten wissen, für Daniel. Am 11. November bezieht „der Neue” den Präsidentenpalast im Phoenix Park in Dublin und löst Mary McAleese ab, die das Amt zweimal, seit 1997, innehatte. Er ist der neunte Präsident der Irischen Republik.


Erstveröffentlichung
Stuttgarter Zeitung vom 31.10.2011:

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