Gerry Adams (M.) beim Protest gegen die Militärparade der britischen Armee
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Krieg verherrlicht
Tausende protestieren gegen Heimkehrer-Parade für britische Soldaten aus Afghanistan und dem Irak in Belfast
Von Florian Osuch
Am Sonntag demonstrierten in Belfast mehrere tausend Personen gegen eine Militärparade der britischen Armee.
Aufgerufen zu dem Protest hatte die irische Linkspartei Sinn Féin sowie NGOs und Friedensgruppen. Der als
»Heimkehrer-Parade« deklarierte Aufzug wurde vom britischen Verteidigungsminister aus London organisiert und
war die erste Militärparade in Belfast seit Ende des Zweiten Weltkrieges.
Paul Maskey von Sinn Féin äußerte, die Parade diene lediglich dazu, die »zunehmend unbeliebte Besetzung
Afghanistans und des Irak zu legitimieren« und »brutale Unterdrückung zu glorifizieren«. Der Abgeordnete
für Westbelfast verwies auf die Opfer sowie die Verbrechen der Armee in Nordirland. Die irisch-nationalistische
Bevölkerung von Belfast und Derry habe »brutale militärische Besatzung sowie das Verweigern von Menschenrechten«
aus erster Hand erfahren.
Der Aufzug war auch deshalb ins Zentrum der Kritik geraten, weil die britische Armee ihren Militäreinsatz in
Nordirland im Sommer letzten Jahres nach fast 30 Jahren offiziell für beendet erklärt hatte. Gerry Adams,
Präsident von Sinn Féin, bezeichnete die Entscheidung des britischen Verteidigungsministers als »inakzeptabel«,
während er Verständnis dafür äußerte, daß Familienangehörige der Soldaten ihre Verwandten »nach einem gefährlichen
Einsatz zu Hause« begrüßten.
Insgesamt zogen 250 Angehörige verschiedener Einheiten der britischen Armee durch die Innenstadt von Belfast,
darunter Soldaten des Royal Irish Regiment (RIR), die zuvor sechs Monate im irakischen Basra stationiert waren.
Der Infanterieverband RIR ging 1992 aus dem Ulster Defence Regiment (UDR) hervor, einem zentralen Element der
militärischen Besatzung Nordirlands und berüchtigt für seine Verbindungen zu paramilitärischen Verbänden und
Verbrechen gegen irische Zivilisten.
Bis zu 25 000 Bürger säumten am Sonntag die Straßen von Belfast, wobei sich auch militante Anhänger
paramilitärischer Organisationen wie der »Ulster Defence Association« unter die Jubelmasse mischten.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot vertreten, verhinderte jedoch nicht, daß die gegen das Militärspektakel
Protestierenden mit Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert wurden. Mark Thompson, Direktor der irischen NGO
Relatives for Justice, äußerte, es sei »falsch, Menschen zu töten: in Irland, ebenso wie im Irak oder in Afghanistan«.
Während des Interviews mit dem irischen Staatsfernsehen RTÉ, wurde der Protestzug mit Feuerwerkskörpern beschossen,
und Thomson mußte in Deckung gehen.
Relative for Justice unterstützt lokale Initiativen, Nachbarschaftsvereine und Familien, die Aufklärung über
die Hintergründe von einer Vielzahl ungeklärte Todesfälle im Nordirlandkonflikt fordern. Britische
Sicherheitskräfte, darunter auch Angehörige der UDR/RIR, kollaborierten mit Mordkommandos paramilitärischer
Organisationen wie der »Ulster Volunteer Force« (UVF). Ein besonders schwerer Fall solcher Kooperation war
das sogenannte Miami Showband massacre im Jahr 1975. Damals wurden bei einem Überfall auf den Tourbus der
Band drei Mitglieder der Kabarettgruppe getötet. Soldaten des UDR, die gleichzeitig aktive Mitglieder der
paramilitärischen UVF waren, wurden später wegen Mordes an den Musikern verurteilt.
Weitere Informationen zum Thema:
>>>> Offener Brief an den britischen Nordirlandminister (in englischer Sprache): "There is nothing decent yet alone liberating about the wars in Iraq and Afghanistan anymore than your
wars in Ireland. "
>>>> Themenschwerpunkt Collusion (= Einsatz und die Steuerung pro-britischer Todesschwadronen
durch britische staatliche Stellen in Nordirland
>>>> Webseite der Organisation 'Relatives for Justice', Belfast, in der sich Familien von Opfern von Collusion
zusammengefunden haben (in englischer Sprache): www.relativesforjustice.com