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Ungestraftes Foltern

18.11.2011 | Uschi Grandel (Junge Welt vom 18.11.2011)

Spanischer Oberster Gerichtshof hebt Verurteilung von Polizisten wegen Folterung zweier Basken auf

Die Beweislast war erdrückend und so verurteilte das Gericht der baskischen Provinz Gipuzkoa (spanisch: Guipúzcoa) im Dezember 2010 vier Polizisten der spanischen Guardia Civil wegen Folter an Igor Portu und Mattin Sarasola zu Strafen von je zwei, bzw. vier Jahren Haft. Dieses Urteil hob der spanische Oberste Gerichtshof am letzten Dienstag auf und sprach die Polizisten frei. In seiner Begründung führt das Gericht aus, die zwei jungen Basken seien mittlerweile für das Attentat der ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) auf den Madrider Flughafen Barajas im Dezember 2006 zu hohen Haftstrafen verurteilt. Außerdem weise ETA ihre Mitglieder an, Foltervorwürfe zu erfinden, um die spanische Polizei zu diffamieren.

Rippenbrüche und innere Blutungen

Im Fall von Portu und Sarasola fehlt es nicht an Beweisen. Die beiden Männer waren im Januar 2008 im baskischen Arrasate (spanisch: Mondragon) verhaftet worden. Viele Stunden später wurde Igor Portu mit schweren inneren und äußeren Verletzungen in die Intensivstation des Krankenhauses von Donostia (spanisch: San Sebastian) eingeliefert. Die Ärzte des Krankenhauses stellten Rippenbrüche, Lufteintritt und Verletzungen der Lunge, Lungenaufblähung, Blutergüsse an der Brust, am Rücken und an der Wirbelsäule, innere Blutungen im Auge, Atemschwierigkeiten und Blasen unter der Haut vom Becken bis zum Nacken fest.

Incommunicado-Haft und Folter

Mattin Sarasola blieb noch tagelang in Incommunicado-Haft, der völligen Kontaktsperre in den Händen der Polizei. In dieser Zeit hatte er nach Polizeiangaben sich und Igor Portu freiwillig des Attentats auf den Flughafen bezichtigt. Das Madrider Sondergericht Audiencia Nacional fällte ihr Urteil gegen die beiden Männer im Sommer 2010 auf Basis dieser Selbstbezichtigung, obwohl Sarasola zu dieser Zeit die Aussage längst widerrufen hatte und Ermittlungen gegen die Polizisten wegen der Foltervorwürfe bereits aufgenommen worden waren. Warum sollte ausgerechnet diese Selbstbezichtigung wahr sein, fragt die baskische Tageszeitung Gara, wenn die Richter des Obersten Gerichtshofs alle anderen Aussagen von Portu und Sarasola für Lügen halten?

Beide Basken haben schwere Foltervorwürfe erhoben. Ihre Schilderungen werden durch die Aussagen dreier Zeugen bestätigt. Auch Portus schwere Verletzungen sind mit seinen Angaben kompatibel. Der Oberste Gerichtshof beschuldigt in seinem Urteil die Zeugen der Falschaussage im Auftrag von ETA und kritisiert den Richter der ersten Instanz. Dieser habe Experten vor Ort gewählt und die Ferndiagnose aus Madrid ignoriert.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Spanien

„Skandalös“ nennt die baskische Linke das Urteil. Nach dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETA sieht Maite Sarasua vom baskischen linken Wahlbündnis Amaiur den spanischen Staat in der Pflicht. Spanien müsse „aufhören, Menschenrechte zu verletzen und kann Folter nicht ungestraft lassen.“ Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Spanien im September 2010 und im März 2011 in zwei Fällen, weil Foltervorwürfe ignoriert worden waren. Der Dachverband der Anti-Folter-Organisationen im spanischen Staat sieht darin keine Einzelfälle. Für das Jahr 2010 dokumentiert er im Baskenland über 100 Foltervorwürfe.


Erstveröffentlichung:
Junge Welt vom 18. November 2011
in leicht gekürzter Form


Foto:
Igor Portu nach der Einlieferung ins Krankenhaus von Donostia, Januar 2008


Siehe auch:

Bericht zum Prozess
(Oktober 2010):
Fünfzehn spanische Polizisten wegen Folter im Baskenland vor Gericht weiterlesen >>


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