Damien Walsh Lecture
Claudia
Jedes Jahr organisiert der "Victims and Survivors Trust" zum Gedenken an
Damien Walsh einen Vortrag mit einem bekannten Redner. Damien, der 1993 mit
17 Jahren an seiner Arbeitsplatz, einer Milchfarm, von der UFF (einem Tarnnamen für
die pro-britischen Paramilitärs von UDA oder UVF) erschossen
wurde, steht dabei stellvertretend für die vielen unpolitischen,
katholischen Opfer, die Anfang der 90er Jahre vor dem Hintergrund einer sehr
zaghaften Annäherung der britischen Regierung und der IRA von UFF/UVF
ermordet wurden um den Konflikt wieder anzuheizen und so einer von
Loyalisten gefürchteten Einigung vorzubeugen.
Dieses Jahr wurde die Lecture von Eamon McCann gehalten, was für mich noch
mal ein besonderer Anreiz war hinzugehen, weil es einfach ein Genuss ist
seinen hellsichtigen, leidenschaftlichen und dabei unheimlich witzigen
Analysen zu lauschen, auch wenn ich nicht immer zustimmen kann.
Der Journalist Eamon McCann war einer der Gründer der Bürgerrechtsbewegung
in Nordirland, die Mitte/Ende der 60er Jahre die politische und
wirtschaftliche Gleichberechtigung für Katholiken forderte und durch den
Zusammenstoß mit einem kompromisslosen, unionistischen Establishment die
Troubles auslöste.
Besonders bekannt ist er heute durch seinen Einsatz für die Opfer und
Hinterbliebenen von Bloody Sunday. Daher war Bloody Sunday bzw das Tribunal,
indem eine Aufklärung versucht wird, auch Thema seines Vortrages.
1972 waren bei einer (von Eamon mit organisierten) Demonstration gegen die
massenhaften Internierungen ohne Gerichtsverfahren 14 Demonstranten von
Angehörigen des britischen Parashoot Regiments im hellen Tageslicht
erschossen worden. Wenige Monate später kam der englische Oberrichter Lord
Widgery in seinem Untersuchungsbericht zu dem Ergebnis, dass alle
Demonstranten unbewaffnet waren, gleichwohl ihre Ermordung völlig legal war.
Seit jener Zeit plagt nun die Angehörigen der Opfer die Frage, ob Bloody
Sunday ein durch das politische Klima in Großbritannien und durch die
Berichterstattung in den britischen Medien motivierter "Ausraster" des
Parashoot Regiments war, der dann durch den Widgery Report nachträglich
abgesegnet wurde, oder ob bereits im Vorfeld geplant war - wie manche
Hinweise es vermuten lassen- es an diesem Tag zu einem Blutbad kommen zu
lassen. Jahrzehntelang hat Eamon zusammen mit den Angehörigen für eine
öffentliche Untersuchung gekämpft. Im Zuge des Friedensprozesses wurde dann
tatsächlich das Bloody Sunday Tribunal etabliert. Die anfängliche Freude
und Erwartungshaltung sind inzwischen aber großer Frustration und Zynismus
gewichen, weil es mittels Verfahrenstechniken und dem Zurückhalten von
Informationen durch Militär und Geheimdienst gelungen ist die Anhörung seit
fast 4 Jahren zu verschleppen. Das heißt vom augenblicklichen Stand des
Tribunals gibt es wenig neues zu berichten außer einer Vielzahl von
juristischen Ticks und Kniffen mit deren Hilfe man es schaffen kann, dass
man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Am interessantesten fand ich eine Information am Rande. Im Zuge des
Vorbereitung des Tribunals hatte die Gruppe um Eamon erfahren, dass wenige
Wochen nach Bloody Sunday zwei Männer in der loyalistischen Shankill Road
von Angehörigen des Parashoot Regiments unter dubiosen Umständen getötet
worden waren. Ich kann nach voll ziehen, dass die Angehörigen der Bloody
Sunday Opfer etwas Sorge hatten, dass diese Information dazu dienen könnte
Bloody Sunday nur als das völlig unpolitische Austicken einiger Mitglieder
eines generell fragwürdigen Regiments darzustellen. Aber es waren
tatsächlich unionistische Politiker, die sich vehement dagegen gewehrt
haben, dass diese beiden Todesfälle ebenfalls in die Untersuchung mit
eingeschlossen würden, weil sie mit dem Tribunal in keinster Weise
verbunden sein wollten. D.h. sie waren lieber bereit die Ermordung von
Mitgliedern ihrer eigenen Klientel ungesühnt zu lassen als Teile des
britischen Staatsapparates in irgendeiner Weise durchleuchtet zu sehen.