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Prisoners Day

Claudia

Irgendwie hatte ich mich mal wieder bei Freunden in Nordbelfast verklönt und war prompt zu spät dran als der Rest der Gruppe zum Felons Club wegen des Prisoners Day unterwegs war. Deshalb musste ich mir ein Taxi nehmen und wie der Zufall es so wollte stellt sich heraus, dass der Taxifahrer selber ein Ex-Prisoner war, also war ich doch wieder nahe am Thema. Wir kamen an einem Murial vorbei, das den Dutzenden von Ermordeten unter den Black Taxi Fahrern gewidmet ist und so kamen wir ein bisschen ins Ratschen.

Die Taxifahrer waren eine besonders beliebte Zielscheibe aus drei Gründen: erstens ideologisch, weil sie für die Verkehrsanbindung einiger besonders rebellischer Viertel sorgten, zu denen die städtischen Buslinen bewusst eingestellt worden waren, zweitens weil es unter ihnen einen besonders hohen Anteil von Ex-Prisoners gibt, deren Arbeitsmöglichkeiten noch eingeschränkter sind als für den Rest der katholischen Bevölkerung und die sich auch bewusst entschieden haben diese sehr wichtige, aber eben nicht ganz ungefährliche Aufgabe für ihre Gemeinschaft zu übernehmen, und drittens weil bei einem Taxifahrer normal ist, dass er in eine fremde Gegend gerufen wird und sich Fremde in sein Auto setzten - und er so eben besonders leicht Opfer eines Anschlages werden kann. Um diesem Risiko entgegen zu wirken, gibt es in Belfast schon seit langem "katholische" und "protestantische" Taxifirmen, die jeweils nur republikanische oder loyalistische Gegenden anfahren. Wer von einem Gebiet ins andere will, dem kann es abhängig von der augenblicklichen Sicherheitslage passieren, dass ihn der Taxifahrer nur bis in die Innenstadt nimmt und von dort muss man sich dann ein neues Taxi zu seinem Ziel nehmen.

Aber eine Sache, die mir mein Fahrer erzählt hat, war mir völlig neu und hat mich sehr geschockt. Er erzählte mir, dass es eine zeitlang ein beliebter Tick von Loyalisten war die Funksprüche katholischer Taxizentralen abzuhören. Wenn nun ein Fahrer in eine für die Loyalisten günstig gelegene Ecke gerufen wurde, dann versuchten diese vor dem eigentlichen Fahrer mit einem passend aussehendem Wagen da zu sein und der Fahrgast, von dem sie aufgrund des Wohnortes sicher annehmen konnten, dass er katholisch war, stieg vertauensvoll in ihr Auto und verließ es nicht mehr lebend.

Ich glaube es sind die sich als solchen Bedingungen ergebenden alltägliche Konsequenzen der Troubles, die für die Betroffenen oft am schwerwiegendsten sind, aber für Aussenstehende oft so schwer zu ermessen sind. Wer von uns kann sich denn vorstellen, dass die Wahl der richtigen Taxifirma eine Frage von Leben und Tod ist? Wer ist daran gewöhnt eine doppelt so lange Strecke als nötig in Kauf zu nehmen, eben weil die sicher ist und durch kein "verbotenes" Terain führt? Wie viele von uns haben ihr Studium abgebrochen, weil es irgendwann zu gefährlich wurde jeden Tag zu einem vorhersehbaren Zeitpunkt immer die selbe Straße benützen zu müssen?....