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Filmkritik:
Esther Schapira: "Belfast, die Kinder und der Fluch der Geschichte"
aus der Reihe "Das rote Quadrat"
Erstausstrahlung: ARD, Herbst 2003

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Filmauszug (Filmbeginn):

Esther Schapira (als Sprecherin):

ich bin auf der Suche nach der Geschichte hinter den Bildern, die auf dieser Straße spielten.

Belfast 2001 – Protestanten gegen Katholiken – Erwachsene gegen Kinder. Schulweg unter Polizeischutz, Spießrutenlauf der Kinder mitten im aufgeklärten Europa im 21. Jahrhundert.

In diesem Film kommen keine Politiker zu Wort, sondern die, um die es geht – die Kinder.

Der Film beginnt interessant  und lässt hoffen, dass hier jemand mit offenen Augen und kritischem Hinterfragen den Skandal um das Monate andauernde Spießrutenlaufen der Holy Cross Grundschülerinnen aus dem Nordbelfaster Stadtteil Ardoyne im Herbst 2001 näher beleuchtet. Die Bilder der Kinder gingen damals um die Welt. Gerade deshalb klingt das Versprechen, die Kinder zu Wort kommen zu lassen, gut. 

Herausgekommen ist ein schlechter Film. Die Aussagen der Kinder drapieren sich als Beiwerk um  suggestive Dialoge mit sehr einseitig ausgewählten erwachsenen Protagonisten. Die Art der Fragen und Zwischenkommentare sind gefällig und sehr unkritisch, wenn es um den Dialog mit der Polizei geht. In der Beschreibung der betroffenen Stadtviertel und auch in der Präsentation der interviewten Familie aus Ardoyne zeigt die Filmemacherin, die selbst in der Rolle der Sprecherin die Zuschauer durch den Film führt,  eine Mischung aus Unverständnis und besserwisserischer Arroganz.

Direkt nach der Erstausstrahlung des Films haben wir die Auseinandersetzung mit Frau Schapira gesucht und es ist positiv anzumerken, dass sie sich auf diese Auseinandersetzung eingelassen hat.

Für Anwohner aus Ardoyne war der Weg in die Stadt  die „Mörderstrecke“

Einige Bemerkungen zu den Akteuren und zur Situation: Nordbelfast ist ein Flickenteppich, in dem sich kleinere irische Viertel wie Patchwork mit größeren pro-britischen Vierteln abwechseln. Der Weg in die Belfaster Innenstadt, von Ardoyne aus zu Fuß vielleicht 20 Minuten die Hauptstrasse Crumlin Road hinunter, war in den Jahren des Konflikts für die Bewohner der irischen Viertel lebensgefährlich. „Murder mile“ wurde er genannt, weil loyalistische Paramilitärs in der Nähe solcher Viertel wie Ardoyne, herumfuhren – auf der Suche nach einem leichten Mordopfer. Es reichte, dass das  Opfer einen Weg einschlug, der in Richtung eines irischen Viertels deutete. Damit kennzeichnete es sich selbst als katholisch, irisch, eventuell sogar irisch-republikanisch von Gesinnung, eben als „Taig“ oder „Fenian“, dem Schimpfwort für all die, denen die britische Präsenz im Norden Irlands ein Dorn im Auge ist. „KAT – kill all taigs“ findet man in loyalistischen Bezirken an den Häuserwänden. „Fenian whores“ – „irische Huren“ wurde den kleinen Mädchen von den Holy Cross Protestierern entgegengebrüllt. „Loyalisten“ nennen sich die Paramilitärs wegen ihrer Loyalität zur britischen Krone. Unionisten und Loyalisten sind für die Union mit Großbritannien, beide Strömungen also pro-britisch. Weitverbreitet im pro-britischen Lager ist ein anti-irischer, anti-katholischer Rassismus (sectarianism). 

Allein in Ardoyne wurden 99 Menschen Opfer des Konflikts. Der überwiegende Teil von ihnen wurde von   loyalistischen Mordbanden, britischem Militär oder der nordirischen Polizei getötet. Von loyalistischer Seite war meist die UDA für diese Morde verantwortlich. Die UDA, ausgeschrieben Ulster Defence Association, die oft auch unter dem Tarnnamen UFF – Ulster Freedom Fighters, oder RHD – Red Hand Defenders agiert, war trotz vielfacher Morde bis 1992 legal. Dies ist eines der Charakteristika des im Jahre 1920 von Großbritannien geschaffenen Kunstgebildes  Nordirland, in dem staatliche Organisationen wie Militär und Polizei gemeinsam mit pro-britischen Mörderbanden Hand in Hand gegen die „Taigs“ und „Fenians“ zu Felde zogen. In den 80er Jahren wurde diese  „Collusion“  benannte Zusammenarbeit intensiviert. Wurde von offiziellen britischen Stellen dies früher noch strikt als irisch-republikanische Propaganda zurückgewiesen, ist seit den  Untersuchungen des englischen Polizeioffiziers Stevens und des kanadischen Richters Cory offiziell bestätigt, dass  „Collusion“ existiert. Prominentes Opfer einer solchen „Zusammenarbeit“ war der Rechtsanwalt Pat Finucane, der von der UDA in Nordbelfast  ermordet wurde. Alle am Mord beteiligten Personen in der UDA, soweit sie bisher bekannt sind,  arbeiteten parallel für verschiedene Dienste der britischen Regierung.

Die Polizei RUC war im Friedensabkommen als Problem erkannt. 1999 erarbeitete eine internationale Kommission unter Chris Patten Richtlinien für eine demokratische Umgestaltung der Polizei. Die Umsetzung der Patten-Richtlinien ist heute (Oktober 2004) immer noch Gegenstand von Kontroverse, im September 2001, als der Holy Cross Skandal begann, war die alte RUC (heutiger Name PSNI) noch völlig intakt.  

Wer kommt zu Wort?

Vor diesem Hintergrund ist der erste Skandal dieses Films die Auswahl der Redner und die unkritische Einbeziehung der Polizei als quasi zweiten Erzähler im Film:

 

Filmauszug:

Esther Schapira: „An einem Punkt scheinen sich beide einig zu sein, Sie mögen keine Polizei.“

Sergeant Allan Jones : „Nein, überhaupt nicht.“

Esther Schapira: „Sie stehen dazwischen ?“

Sergeant Allan Jones : „Ja, sehr sogar.“

Also: der sympathische Polizeibeamte, der hoffnungslos der Gewalt zweier verfeindeter Gruppen gegenüber steht. Kein kritisches Wort im Film über die Rolle der Polizei. Nicht einmal die Frage, warum eigentlich die hochgerüstete Polizei nicht in der Lage ist, diejenigen, die kleine Kinder monatelang Spießruten laufen lassen, in gehöriger Distanz zu halten. Schließlich riegelt die Polizei ohne weiteres ganze Strassen in irischen Vierteln während der „Marching Season“ der Oranierorden  mit meterhohen Sperrgittern ab, damit die  Paraden ungestört durch Proteste ablaufen können.

Die Protestierer haben den Kindern und ihren Eltern Schimpfworte wie Bastard, Ratte, Hure, Dreck, Scheiße und andere Unflätigkeiten ins Gesicht gebrüllt, sie angespuckt, sie mit Steinen, Flaschen, Golfbällen und mit Beuteln beworfen, die mit Urin und Exkrementen gefüllt waren und all das war möglich, ohne dass die Polizei jemanden festgenommen hat oder diesem Treiben ein Ende bereitet hat. Einige wenige Festnahmen gab es während der monatelangen Tortur der Kinder.

Father Aidan Troy, Pfarrer von Holy Cross seit Juli 2001 und Mitglied im Aufsichtsrat der Schule, hat die Kinder täglich auf ihrem Schulweg-Horrortrip begleitet. Auf einer Veranstaltung in Ardoyne im Herbst 2002 zur Veröffentlichung des Buches „Ardoyne – the untold truth“, das die Geschichte derer beschreibt, die während des Konflikts ums Leben gekommen waren, sagt er:

“Ich bin der Meinung, wir müssen die Geschichte der Kinder auch erzählen. Wir müssen sie erzählen, weil es eine Geschichte ist, auf die Ardoyne und die Gemeinde Holy Cross unglaublich stolz sein kann. Stolz, dass Ihr, die Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel, Nachbarn und Freunde mit so großer Würde reagiert habt, als Euere Kinder drei unverzeihbare Monate lang diese Strasse hinauf und hinunterlaufen mussten. Dieser Protest hätte nach drei Stunden zu Ende sein müssen. Drei Tage wären nicht zu rechtfertigen, drei Monate sind obszön. Auch darüber sollte man die Wahrheit erzählen. Die Kinder liefen diese Strasse hinauf und hinunter, bedroht durch Heckenschützen, beworfen mit Luftballons, die mit Urin gefüllt waren,  eine Bombe wurde auf sie geworfen, sie wurden mit pornographischen Bildern und  furchterregenden Masken konfrontiert und mussten Verwünschungen  und Beschimpfungen über sich ergehen lassen, in der schlimmsten Sprache, die ich in den  32 Jahren seit ich Priester bin, je gehört habe.

Und ich bin stolz, dass ich Euch und Euere Kinder begleiten konnte, mit Euch und ihnen reden, lachen und weinen konnte. Eines Tages werden wir die Geschichte der 220 Helden, ihrer Brüder und Schwestern und ihrer Eltern erzählen, die das alles durchgemacht haben. In der Einleitung (zum Buch) sagt Seamus Dean: ‚nur Gerechtigkeit und Gleichheit können Irland und insbesondere Nordirland ändern.’ Ich glaube, dies ist absolut wahr.“    

Im Film findet Father Troy keine Erwähnung.

Ein weiterer Erwachsener, der zu Wort kommt, ist Marc Coulter. Er wird im Film eingeführt als „Anwohnersprecher der Glenbryn Residents“. Glenbryn ist der Name des pro-britischen Viertels, in dem die Holy Cross Grundschule liegt. Wie viel Autorität er hat, wo er politisch steht, sind Dinge, die im Film nicht zählen. Aber seine Einschätzung zu einer wichtigen Frage, ob der Protest von den loyalistischen Paramilitärs der UDA gesteuert wurde, geht im Film unkommentiert als Tatsache durch.

Filmauszug:

Esther Schapira: Der 2. Schultag wird schlimmer als der erste.Er beginnt mit einer Morddrohung gegen 3 der katholischen Eltern und dann explodiert eine Rohrbombe.

Patrick Bradley (einer der Väter der Holy Cross Grundschülerinnen): Eine Rohrbombe, ein Sprengsatz auf Kinder, die morgens zur Schule gehen!

Esther Schapira: Sie glauben, die zielt auf die Kinder?

Patrick Bradley: Natürlich auf niemanden sonst, wir waren doch die einzigen, die auf der Straße waren.

Esther Schapira: Entscheidend ist was die Leute glauben, hatte Sgt. Jones mir gesagt. Tatsächlich ist deutlich zu sehen, die Kinder sind weit weg, der Sprengsatz trifft die Polizei. Ein Polizist verliert sein Bein, zu dem Anschlag bekennt sich eine Fraktion der UDA. Stimmt doch, was mir alle Katholiken erzählen, dass der Protest in Wahrheit von Paramilitärs gesteuert würde?

Marc Coulter, Anwohnersprecher der Glenbryn Residents: Der Protest hat doch nicht mit Paramilitärs zu tun. Es waren einfach Leute dieser Gemeinde, die einfach genug davon hatten, sich wie Bürger 2. Klasse – nein, sich wie Dreck behandeln zu lassen  - darum ging es.

Auf meine Nachfragen in Belfast erfahre ich, dass Marc Coulter der DUP nahe steht. Dass so einer nicht offen zugibt, er unterstütze eine Aktion gemeinsam mit der UDA, ist politisch verständlich. Die Scharfmacher der DUP haben seit jeher „Sectarianism“, also anti-katholische Stimmung geschürt und alle Verantwortung von sich gewiesen, wenn die UDA oder andere dies wörtlich genommen haben. Ein weiterer Anwohnersprecher, Jim Potts, lebt in Glenbryn, ist jedoch immer noch in Dover Street, Lower Shankill gemeldet. Lower Shankill ist eine Hochburg der UDA.  Sein Bruder, Thomas Pott war zum damaligen Zeitpunkt der Stellvertreter von Johnny Adair in der UDA C-Company (Lower Shankill). Aber Frau Schapira hinterfragt die Akteure dieses widerlichen Schauspiels in ihrem Film nicht.

Im August 2001 versuchten Ardoyner Eltern und Community-Worker, in nächtelangen Verhandlungen mit der anderen Seite einen Kompromiss zu finden, um den Protest am Schulanfang nicht mehr aufflammen zu lassen. Ein an den Verhandlungen beteiligter Community-Worker aus Ardoyne erzählte mir, dass für Glenbryn etwa ein Dutzend verschiedene „Anwohnersprecher“ auftraten, die auch untereinander nicht einig waren. Nachdem ein Kompromiss schon in Sicht schien, waren plötzlich die verhandlungsbereiteren „Sprecher“ nicht mehr zu sehen und neue Hardliner übernahmen das Kommando.  

Anstatt das Klischee Protestanten gegen Katholiken unreflektiert  zu transportieren, wäre es aufschlussreich gewesen, zu erfahren, wie sehr das Viertel Glenbryn von DUP und UDA in diese Aktion getrieben wurde.  

Die Schlussfolgerung, die Esther Schapira aus dem Dialog mit Patrick Bradley, dem Vater eines der Kinder zieht, ist für mich eine der vielen Stellen, an denen ich nicht sicher bin, ob Arroganz oder Ignoranz der Filmemacherin überwiegt. Dem Vater wird ein Klischeeblick unterstellt, weil er annimmt, die Rohrbombe, die am zweiten Protesttag geworfen wurde, sei für Kinder und Eltern bestimmt gewesen. Auf die angesprochenen Morddrohungen gegen drei Eltern geht Frau Schapira nicht weiter ein.

Die UDA Bilanz im Jahre 2001: 3 Morde und über 100 Rohrbomben

Ein bisschen Hintergrundinformation hätte Frau Schapira geholfen, die Einschätzung des Vaters nachzuvollziehen. Dann hätte sie vielleicht auch den Einfluss der UDA nicht so leicht abgetan:

am 30.7.2001, nur ein paar Wochen vor der erneuten Blockade der Holy Cross Schülerinnen, attackierte die UDA das Golden Threat Theater in Ardoyne mit zwei Rohrbomben. In dem Theater lief gerade ein Stück für Kinder und Jugendliche, es waren ca. 250 jugendliche Zuschauer im Theater. Das Theaterstück war Teil des Ardoyner Sommerfestivals „Ardoyne Fleadh“, mit dem das Viertel jedes Jahr Spannungen abbauen und vor allem Kinder und Jugendliche auf andere Gedanken bringen will.

Über das gesamte Jahr 2001 war die UDA im Grosseinsatz zur Destabilisierung der Lage, nicht nur in Ardoyne: 180 Angriffe der UDA gegen irische Viertel und ihre Einwohner wurden allein im Jahr 2001 registriert: Rohrbomben gegen Häuser, drei Morde an Jugendlichen, die die UDA für katholisch hielt. Den letzten Mord vor der Konzentration auf Holy Cross verübte die UDA in Nordbelfast am 29. Juli 2001. Gavin Brett, das Mordopfer, war Protestant. Er stand mit katholischen Freunden vor einem irischen Sportvereinsheim. Die UDA hatte in deshalb für einen Katholiken gehalten und in alter Tradition der „Murder Mile“ aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen.

Ein (katholischer) Anwohner des irischen Viertels, in dem Gavin ermordet wurde, kritisierte die Medien mit Worten, die auch den Film von Frau Schapira treffend bezeichnen:

"Es sind die Medien, die aus diesem Jungen einen Protestanten gemacht haben. Als er noch lebte, hat seine Religionszugehörigkeit hier keinen interessiert."

Die Terrorkampagne der UDA erwähnt Frau Schapira mit keinem Wort, heraus greift sie sich einen einzigen Toten:

Filmauszug:

Esther Schapira: Entscheidend ist was die Leute glauben, hatte Sgt. Jones mir gesagt. Tatsächlich ist deutlich zu sehen, die Kinder sind weit weg, der Sprengsatz trifft die Polizei. Ein Polizist verliert sein Bein, zu dem Anschlag bekennt sich eine Fraktion der UDA. Stimmt doch, was mir alle Katholiken erzählen, dass der Protest in Wahrheit von Paramilitärs gesteuert würde?

Marc Coulter, Anwohnersprecher der Glenbryn Residents: Der Protest hat doch nicht mit Paramilitärs zu tun. Es waren einfach Leute dieser Gemeinde, die einfach genug davon hatten, sich wie Bürger 2. Klasse – nein, sich wie Dreck behandeln zu lassen  - darum ging es.

Esther Schapira:  am 2. Tag des Protests ist die Medienfalle endgültig zugeschnappt. Protestanten werfen Rohrbomben auf katholische Kinder.

Kamerateams aus der ganzen Welt verfilmen diese Botschaft. Täglich begleiten sie die Kinder und Eltern auf ihrem Spießrutenlauf. Diese Bilder habe ich damals gesehen.

Erst jetzt begreife ich, dagegen hatte die komplizierte Wahrheit keine Chance. Wir glauben nur, was wir glauben wollen. Diese Bilder habe ich damals nicht gesehen. Tatsächlich gab es schon am 2. Schultag einen Toten. Thomas McDonald war 16 Jahre alt. Er war Protestant. Er war mit dem Fahrrad unterwegs als ihn ein Katholik vorsätzlich überfuhr.

Also doch der Hass der Erwachsenen? Katholiken überfahren protestantische Kinder? Thomas Mc Donald kann als tragisches Opfer der eskalierenden UDA-Kampagne bezeichnet werden: er wurde von einer (irisch-katholischen) Autofahrerin im Interface-Bereich des nordbelfaster Viertels Whitewell/White City umgefahren, nachdem er einen Ziegelstein in ihre Autoscheibe geworfen hatte. Auch dieser Bereich gehörte zum Einzugsgebiet der Terrorkampagne der UDA im Jahr 2001. Zahlreiche Angriffe waren auf die Anwohner verübt worden, die Frau musste um ihr Leben fürchten.

Die Angriffe gehören übrigens keineswegs der Vergangenheit an: am 5. September 2004 wurde ein Teenager im selben Interface-Bereich krankenhausreif geschlagen, im Juli 2002 wurde Gerard Lawlor an derselben Stelle von pro-britischen Paramilitärs, vermutlich wiederum der UDA, ermordet.        

Es ist grauenvoll, wenn ein Mensch ums Leben kommt. Die Fahrerin des Autos wurde wegen Totschlags zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah die Situation. Frau Schapira zeigt uns die Situation nicht. Sie ignoriert die Morde und den Terror der UDA des Jahres 2001 und bewertet das tragische Ereignis des Todes von Thomas McDonald „als vorsätzlich“ – eine Vorverurteilung. Weil es der einzige Tote ist, der in das Bild passt, das sie zeichnen will? Gavin Brett, ebenfalls Protestant, der wie oben beschrieben im Juli 2001 von der UDA ermordet wurde, als er mit katholischen Freunden vor einem irischen Sportvereinsheim stand, passt jedenfalls nicht ins Klischee der verfeindeten Gruppen. Seine Freunde auch nicht.   

Es ist schwer zu verstehen, warum der Film nicht wenigstens als Frage auswirft, ob die intensive Gewalt der UDA im Jahre 2001 und die völlige Tatenlosigkeit der britischen Behörden, der Polizei, der unionistischen, pro-britischen Politiker nicht den Holy Cross Skandal erst möglich gemacht haben.

Es ist schwer zu verstehen, warum der sympathische Polizist Jones nicht wenigstens mit der Frage konfrontiert wurde, warum  die Polizei diesem widerwärtigen Protest nicht sofort ein Ende bereitet hat.

Es gibt noch viele Dialoge, die zu kommentieren wären.

Die einzigen Highlights im Film sind die Interviews mit den Kindern. Auch wenn sie in einem verzerrten Kontext stehen. 

Aus unserer Sicht hat in diesem Film  „die Wahrheit keine Chance“. 

Dr. Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, Oktober 2004


Nachtrag (16.11.2007)

In der Diskussion, die wir mit Frau Schapira geführt haben, hatten Frau Schapira stets den starken Einfluss der UDA auf die Proteste ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen, vermutlich weil sie für die gesamte Berichterstattung der Polizeiversion gefolgt war.

Neue Informationen belegen im Nachhinein unsere Kritik am folgenden Filmausschnitt:

Filmauszug (s.o.):
Esther Schapira: ... Erst jetzt begreife ich, dagegen hatte die komplizierte Wahrheit keine Chance. Wir glauben nur, was wir glauben wollen. Diese Bilder habe ich damals nicht gesehen. Tatsächlich gab es schon am 2. Schultag einen Toten. Thomas McDonald war 16 Jahre alt. Er war Protestant. Er war mit dem Fahrrad unterwegs als ihn ein Katholik vorsätzlich überfuhr.

Unser Kommentar (s.o.):
Also doch der Hass der Erwachsenen? Katholiken überfahren protestantische Kinder? Thomas Mc Donald kann als tragisches Opfer der eskalierenden UDA-Kampagne bezeichnet werden: er wurde von einer (irisch-katholischen) Autofahrerin im Interface-Bereich des nordbelfaster Viertels Whitewell/White City umgefahren, nachdem er einen Ziegelstein in ihre Autoscheibe geworfen hatte. Auch dieser Bereich gehörte zum Einzugsgebiet der Terrorkampagne der UDA im Jahr 2001. Zahlreiche Angriffe waren auf die Anwohner verübt worden, die Frau musste um ihr Leben fürchten.

Der nachfolgende Artikel über die Thomas McDonald Gedenkparade macht klar, dass Thomas ein jugendliches Mitglied der UDA war, der kurz vor seinem Tod in Gewaltaktionen gegen Anwohner involviert war:

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Britische rechtsextreme Skinheads werden Loyalisten an Interface unterstützen
(4. September 2006)


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