Ein Neubeginn: Polizei in Nordirland
Das Good Friday Agreement fordert eine neue, von beiden Seiten akzepierbare Polizei. Als Ergebnis der hierfür gebildeten Kommission legt Chris Patten am 9.9.1999 seinen Bericht "A New Beginning: Policing in Northern Ireland" vor. Statt der  zu über 90% protestantischen Royal Ulster Constabulary (RUC), die von vielen Katholiken als der "militärische Arm der Unionisten" gesehen wird, soll es eine neue Polizei geben, die NIPS , den Northern Ireland Policing Service. 

Die Umsetzung des Patten-Kommissionsberichtes in entsprechende Gesetzgebung war Aufgabe der britischen Regierung. Das bisherige Ergebnis ist nicht mehr als ein schlechter Witz.  

Nordirische kommunale Gruppen und Menschenrechtsorganisationen legen einen 10- Punkte Fragenkatalog vor, anhand dessen Massnahmen zur Schaffung einer akzeptierbaren Polizei überprüft werden sollten:

Der Weg zu einer neuen Polizei? - 10 Fragen

Wozu eine neue Polizei - ein Beispiel ...

Donnerstag, 30. September 1999: Nordirlands oberster Strafverfolger, der  Director of Public Prosecutions,  fällt die Entscheidung, die RUC Offiziere nicht strafrechtlich zu verfolgen, die im April 1997 tatenlos zugesehen haben, wie der 25jährige Robert Hamill mitten in Portadown zu Tode geprügelt wurde. In einer Protesterklärung beschreibt das Pat Finucane Center, eine in Derry (Nordirland) ansässige Menschenrechtsorganisation, noch einmal, was vor zweieinhalb Jahren geschah:

"... im April 1997 wurden Robert Hamill und ein Freund von ca. 30 Loyalisten (probritisch)  angegriffen. Der Angriff geschah in voller Sichweite eines Landrovers der nordirischen Polizei RUC (Royal Ulster Constabulary), keine 200 m von der nächsten Polizeistation entfernt. Die vier im Fahrzeug befindlichen RUC Offiziere  Constable Neill, Reserve Constable Atkinson, Reserve Constable Cornett und Reserve Constable Sharpe schritten nicht ein, obwohl sie mit kugelsicheren Westen und Maschinengewehren ausgerüstet waren. Stattdessen blieben sie im Fahrzeug, bis die Attacke vorüber war. Robert Hamill kam nicht mehr zum Bewußtsein und starb nur wenige Tage später.
Zu diesem skandalösen Verhalten gab die RUC eine Reihe widersprüchlicher und falscher Pressemeldungen heraus. Keiner der Offiziere wurde vom Dienst suspendiert. Es ist anzunehmen, daß keine Disziplinarmaßnahmen ergriffen wurden und solche auch nicht geplant sind. ..."

... und leider kein Einzelfall:

Viele loyalistische Gewalttaten und Morde hätten ohne Verflechtung von RUC und loyalistischen Terrorbanden  nicht geschehen können. Ein prominenter Fall ist der Mord an der Anwältin Rosemarie Nelson im März 1999 durch eine Autobombe. Zur Tat bekannte sich kurz darauf die loyalistische Terrorgruppe "Red Hand Defenders". Experten gehen davon aus, dass diese Gruppe logistisch nicht in der Lage war, das Attentat ohne Hilfe durchzuführen. Im September 1998 hatte Rosemary Nelson vor dem amerikanischen Kongress von Einschüchterungsversuchen und Todesdrohungen durch Offiziere der RUC berichtet. Dieser Bericht im Originalton, sowie weitere Informationen sind auf der Homepage der Rosemarie Nelson Kampagne zu finden.
Zahllos sind die Fälle von unterlassener Hilfeleistung durch die RUC, die Einschüchterung von Zeugen oder Akte willkürlicher Gewalt. Im Skandal um Personenakten, die aus britischen Militärkreisen stammen und detaillierte Beschreibungen von über 300 pro-irischen Nationalisten und Republikanern  enthielten, hat die RUC durch ihre mangelhafte Information Empörung erregt. Die Anfang November 1999  in der Halle eines Oranierordens aufgefunden Akten waren auf "unerklärliche Weise" in die Hände der loyalistischen Terrorgruppe "Orange Volunteer Force" gelangt. Obwohl bereits mindestens ein Attentat in Belfast mit den Funden in Zusammenhang gebracht werden kann, weigert sich die RUC, den betroffenen detaillierte Auskunft über ihre Bedrohung zu geben. Die loyalistische Terrorgruppe hatte durch die Akten Kenntnis nicht nur von Adressen und KFZ-Nummern, sondern auch von detaillierten Wohnungsskizzen und Angewohnheiten. In South Armagh umfasst die Liste der Betroffenen über 100 Personen, von Teenagern bis hin zu einer 80-jährigen Witwe. Von der RUC erhielten sie als "Information" nichts als  eine vorbereitete, kurze Erklärung. Die Betroffenen haben jetzt an die irische und britische Regierung appelliert,  eine öffentliche, unabhängige Untersuchung einzuleiten, die sich mit diesem neuerlichen Skandal der Zusammenarbeit von "Sicherheits"kräften mit loyalistischen Killerkommandos befassen soll.      

Im Internet  ist der komplette Patten-Bericht unter http://www.belfast.org.uk/ zugänglich.

September 1999