Irish News, 12.5.2000

Glücklicherweise hatte ein Polizist ein Gewissen

von Steven McCaffrey

Original in englischer Sprache

VIELE Leute haben Bernard Griffin gesagt er sei ein Glückspilz. Er ist sich nicht sicher ob er da zustimmt. Er hat Glück gehabt, weil ein ehrlicher Polizist sich geweigert hat, bei der Vertuschung gegen ihn mitzuspielen.

Glück gehabt, denn wenn der Polizist nicht gehandelt hätte, wäre heute Bernard Griffin und nicht die Polizisten, die sich gegen ihn verschworen haben, im Gefängnis. Glück gehabt oder nicht, Herr Griffin ist der Mittelpunkt eines noch nicht dagewesenen Falles.

Am Mittwoch hat das Gericht in Belfast anerkannt, dass er von Polizeibeamten mißhandelt wurde, die ihm dann drohten, ihn von der LVF (rechtsradikalen "loyalistischen" Todesschwadronen) umbringen zu lassen, und schließlich versuchten, ihm eine Anklage wegen Bedrohung anzuhängen.

Seine Klage gegen die RUC (nordirische Polizei) hat zum ersten Mal in einem Fall dieser Art zwei Polizisten eine Haftstrafe eingebracht. Der aussagende Beamte und ein Soldat erhielten jeweils eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet DM 3000.-

In einem Interview mit der Irish News in seinem Haus im (Belfaster Stadtteil) Whitewell, erinnerte sich der 21-jährige Bernard Griffin, wie die Episode in den frühen Morgenstunden des 2. Februar 1998 begann.

"Ich kam aus dem (irischen Sportverein) GAA in Ardoyne und wartete auf einen Hamburger. Dieser Polizeibeamte kam herüber und sagte: 'Wir haben Dich eine Stunde lang beobachtet wie Du Flaschen nach einer Polizei-Streife geworfen hast.'

"Ich konnte nichts dazu sagen, ich meine, ich war ja gerade erst aus dem GAA gekommen

"Er setzte mich einfach in den Jeep. Sowie die Tür geschlossen war, fragte mich der Polizist auf dem Vordersitz nach meinem Namen. Ich antwortete ihm nicht.

"Er fing an, auf mich einzuschlagen, während er sagte: 'Wie heißt Du, Du irischer Bastard.'

"Er schlug mich mit dem Knüppel auf den Hinterkopf, auf den Mund. Schlug mich in's Gesicht, nannte mich immer wieder einen irischen Bastard.

"Er sah, daß ich ein T-Shirt des Fussballvereins Celtic anhatte und meinte: "Er trägt ein verdammtes Celtic T-Shirt!"

"Er versuchte, es mir auszuziehen, bis mein Rücken bloß war und schlug weiter auf mich ein.

"Dann zog er mich zu sich her, setzte mir den Knüppel an den Kopf wie eine Pistole und sagte: 'Wir werden dafür sorgen, daß Dich die LVF abknallt. Wir setzen Dich in der Shankill Road ab.'

"Ich dachte, ich komme nicht lebend aus dem Jeep heraus. Ich war erleichtert als ich in der Polizeiwache Antrim Road ankam. Ich war mit Blut bedeckt und heulte und sagte, die hätten mich angegriffen. Ich erfuhr erst später, dass sie sich gegenseitig verletzt hatten und behaupteten, ich hätte sie angegriffen und mich der Verhaftung widersetzt."

Herr Griffin wurde wegen ordnungswidrigem Verhalten angeklagt. Der Beamte, der ihn verhaftet hatte, versuchte vergeblich, andere anwesende Polizeibeamte dazu zu bewegen, ihn ebenfalls wegen Gewaltanwendung und Widerstand gegen die Festnahme zu belasten.

Tage später ging der Reservist Andrew Timothy Lea (39), der ebenfalls im Jeep gewesen war, zu seinem Vorgesetzten und berichtete ihm von der Vertuschung. Die falschen Anschuldigungen gegen Bernard Griffin wurden später fallen gelassen. Gegen die drei RUC Beamten und den britischen Soldaten, die im Land Rover dabei waren, wurde ermittelt.

Sein Anwalt erzählt, dass innerhalb weniger Wochen nachdem der Fall zur Verhandlung kam, eine Durchsuchung im Haus von Bernard Griffin durchgeführt wurde.

"Es war an einem Sonntag morgen," erzählte Bernard Griffin. "Ich hatte geschlafen. Mein Bruder kam zu mir hoch und sagte: 'Die Polizei ist an der Tür. Sie fragen nach Dir.'

"Ich ging hinunter und sie sagten: 'Wir führen eine Hausdurchsuchung nach Sprengstoffen durch.'

"Sie durchsuchten das Haus und behaupteten, auf dem Dachboden eine Bombe gefunden zu haben. Ich denke die Durchsuchung hat mir gegolten, weil sie ja nach mir gefragt hatten, aber mein Bruder lebt hier auch.

"Ich wußte überhaupt nichts darüber (über die Bombe) ... Ich blieb dabei, daß sie mir die Bombe untergeschoben hatten, um meine Aussage bei der Polizei unglaubwürdig zu machen.

Im September 1999 wurde Bernard Griffins Bruder auf Kaution entlassen, Bernard jedoch wurde in Untersuchungshaft behalten und in die Jugendstrafanstalt nach Hydebank verlegt, wo er bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Anklage fasllen gelassen wurde, also bis zum 22. Dezember, einsaß.

Bernard Griffin's Anwalt beschrieb den angeblichen Bombenfund und die Entscheidung, die Anklage fallen zu lassen, als "äußerst verdächtig".

Es gibt keinen Beweis, daß der Fund mit der Klage gegen die vier RUC Beamten, bei der Mr. Griffin ein Hauptzeuge war, zusammenhängt. Aber Mr. Griffin sagt, dass er mißtrauisch ist und behauptet, daß während der Durchsuchung ein Polizeibeamter sagte: 'Sie sind derjenige der die Polizeibeamten vor's Gericht gebracht hat? Das dachte ich mir.'

Die ganze Episode hat sein Leben und das seiner Familie sehr beeinflusst. Herr Griffin sagt: "Seit dieser Sache ist mein Leben ein Alptraum..." Er wird Nordirland jetzt verlassen, aber was wünscht er sich für die Zukunft? "Ich möchte in Frieden leben" sagt er.

Ablauf der Ereignisse:

2. Februar 1998: Mißhandelt von RUC Beamten im Land Rover nach einer Verhaftung wegen ordnungswidrigem Verhalten. Die Beamten einigen sich darauf, die Mißhandlung zu vertuschen.

Die Anklage gegen Mr. Griffin wird nach einiger Zeit fallen gelassen, nachdem einer der Beamten, Andrew Lea, die Vertuschung seinen Vorgesetzten mitgeteilt hatte.

Mr. Griffin bleibt bei seiner Klage gegen die RUC Beamten wegen Mißhandlung.

22. September 1999: Eine erneute Anklage erfolgt gegen Mr. Griffin und seinen jüngeren Bruder Kenneth wegen Besitzes einer Kaffeedosenbombe und Gewehrmunition nach einer Hausdurchsuchung durch die RUC.

Verbringt 3 Monate in Untersuchungshaft in der Jugendstrafanstalt in Hydebank während er auf seine Verhandlung wartet.

22. Dezember 1999: Anklage wird fallen gelassen.

7. Februar 2000: Die Verhandlung gegen die Polizeibeamten, die wegen Mißhandlung angeklagt sind, ist anberaumt. Sie wird um 2 Tage verschoben, nachdem einer der Angeklagten, der Soldat Matthew Butcher, - der mit den Polizeibeamten zusammen war - Amtsmißbrauch zugegeben hat.

9. Februar 2000: Die Verhandlung für die 3 übrigen Angeklagten ist anberaumt, als sie sich ebenfalls für schuldig erklären.

12. April 2000: Die Urteilsverkündung soll stattfinden - einen Tag nach der Verleihung des George Cross an die RUC - und wird für mehrere Wochen verschoben.

10. Mai 2000: zwei RUC Beamte werden zu Gefängnisstrafen verurteilt wegen Gewaltanwendung und Amtsmißbrauchs bei der Vertuschung. Lea und Butcher werden zu Geldstrafen verurteilt.

Übersetzung: Karen A. Krieger, Stuttgart, 6.9.2001, Text in Klammern dient der Erläuterung