Man sollte meinen, Abkommen werden geschlossen, um gehalten zu werden, auf jeden Fall treffe beim Bruch denjenigen die Schuld, der es bricht.
In Nordirland ist das
anders.
Der
britische Nordirlandminister suspendierte am Abend des 11. Februar die
nordirische Regionalregierung in britisch selbstherrlichem Alleingang und die
Presse hierzulande zeigt Verständnis. Das Friedensabkommen jedoch verlangt,
Konsens in solch gravierenden Fragen. England hat in Umsetzung des
Friedensabkommens seine seit 1920 im „Government Act of Ireland“
proklamierte Vorherrschaft des britischen Parlaments über Nordirland
aufgegeben; im Gegenzug dazu hat die Irische Republik die territorialen
Ansprüche auf den Nordosten Irlands aus der Verfassung gestrichen.
Und nun?
Der irische Ministerpräsident
Bertie Ahern ist wütend über diesen britischen Alleingang und Bruch des
internationalen Friedensabkommens. Als Grund für seinen Alleingang hat
Peter Mandelson die Weigerung der IRA genannt, ihre Waffen abzugeben.
Wahr
ist, dass kein britischer Nordirlandminister der IRA die Abgabe ihrer Waffen
diktieren kann, genauso wenig, wie die IRA die britische Armee in Nordirland
entwaffnen und heimschicken kann. Der Krieg hat keinen militärischen Sieger.
Trotzdem hat die IRA mit einem weitgehenden Angebot auf die Krise geantwortet.
Trotz des schleppenden Fortschritts auf der politischen Bühne.
·
Im Zuge des
von Senator Mitchell ausgehandelten Kompromisses wurde Anfang Dezember 1999 die
nordirische Regionalregierung gebildet. Über 15 Monate später, als im
Friedensabkommen vom April 1998 vorgesehen.
·
Am Tag
danach nimmt ein hochrangiger Vertreter der IRA Verhandlungen mit der
Internationalen Entwaffnungskommission (IIDC) auf. Diese Zusage hatte die IRA,
die das Friedensabkommen nicht unterschrieben hat, aus freien Stücken gemacht,
als Zugeständnis an die pro-britische Ulster Unionist Party (UUP). Die IRA hat
sich bis Ende Januar dreimal mit der Kommission getroffen.
·
Die
loyalistischen Paramilitärs glänzen durch Passivität in der Waffenfrage. Sie
haben erklärt, ohne Vorleistungen der IRA keine Waffen abzugeben.
·
Bereits im
September 1999 legte Chris Patten seinen Bericht zum Neuaufbau einer von allen
Seiten akzeptierbaren Polizei vor. Die Frage der Polizei spielt darin eine
zentrale Rolle, da die Royal Ulster Constabulary nicht nur durch ihre
Menschenrechtsverletzungen, sondern auch durch ihre Zusammenarbeit mit
loyalistischen Terrorgruppen international diskreditiert ist. Peter Mandelson,
verantwortlich für die Umsetzung der im Patten-Report nahegelegten Reformen,
hat eine verwässerte Version der Vorschläge auf die lange Bank geschoben.
Erste Massnahmen sind nicht vor Herbst 2000 zu erwarten.
·
Die
britische Regierung war durch das Friedensabkommen verpflichtet, bis Ende
Dezember 1999 einen detaillierten Plan zum Abbau der hohen militärischen
Präsenz der Britischen Armee, mit ihren Spähposten,
Hubschrauberüberwachungsflügen, Militärpatroullien und festungsähnlichen
Militärstationen auszuarbeiten. Herausgekommen ist bisher nicht mehr als eine
äusserst wage allgemeine Absichtserklärung ohne Details.
·
Die
Regionalregierung hatte in den wenigen Wochen ihrer Existenz dieser ganzen
zähen Entwicklung einen grossen Auftrieb gegeben, allen Unkenrufen zum Trotz
funktioniert und war damit ein wichtiger Motor des Prozesses.
Und nun würgt Peter Mendelson diesen gerade warmlaufenden Motor ab.
Vorgeblich, weil die IRA in dieser kurzen Zeit von 8 Wochen noch keine
Waffen abgegeben hat und keine Details zur Beseitigung der Waffen bekannt sind.
Und ganz offensichtlich aus Sympathie für eine einzige Partei und uralt
Bundesgenossen der alten Kolonialmacht: der Ulster Unionist Party (UUP)
Wer die besorgten Äusserungen
der UUP über die Waffen der IRA hört, vergisst leicht, dass der „bewaffnete
Arm“ der Ulster Unionist Party (UUP) eine über 80 Jahre aufgebaute enge
Verflechtung militanter Oranierorden, Polizei und loyalistischer Terrorgruppen
ist.
Kein Wunder, dass ihr Ziel die Verteidigung dieser Machtstruktur mit Zähnen und
Klauen ist, dass sie gegen jede kleinste Änderung der Polizei wütend Amok
läuft.
Es droht im Zuge der geschickten Inszenierung der letzten Woche in Vergessenheit
zu geraten, dass dieser Friedensprozess um Gleichberechtigung der irischen
Hälfte der Bevölkerung geht.
Peter Mandelson hat die schlimmsten Befürchtungen der Iren wahrgemacht. Er hat
sich wie so oft in irischer Geschichte, gegen Recht und Gesetz auf die Seite der
Unionisten gestellt, um ihre Forderungen nicht im Dialog, sondern auf
kolonialherrschaftliche Weise zu erfüllen. Und wie bisher in der Geschichte
werden Teile der UUP die willkommene britische Unterstützung nutzen, um den
Friedensprozess weiter zu sabotieren. Erste Forderungen aus dieser Ecke nach
einem Stopp jeglicher Polizeireform sind bereits zu hören. Peter Mandelson fand
bereits den neuen positiven Bericht der IICD (International
Independent Commission for Decommissioning) auf dem Tisch. Als er zur
Suspendierung der Regionalregierung schritt, hatte er ihn noch nicht einmal
gelesen.
Uschi Grandel
Save the Good Friday Agreement Coalition