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Vorbemerkung: der folgende Beitrag ist eine Übersetzung des Blogeintrags, den Sinn Féin Präsidenten Gerry Adams am 12. Januar 2010 verfasste. Er befasst sich mit der schwierigen und traumatischen Situation, in die seine Familie geriet, als sie davon erfuhr, dass sein Vater und auch sein Bruder Liam ihre Kinder missbraucht hatten. Ursprünglich hatten wir nicht vor, über diese sehr persönliche Familientragödie auf Info Nordirland zu berichten. Wir sind ausserdem der Meinung, Gerry Adams und seine Familie verdienen Respekt für ihren Umgang mit dem Thema und für ihre Konsequenz, alle ihre Schritte durch die Opfer des Missbrauchs bestimmen zu lassen. Die ersten Berichte in Deutschland haben dieses sensible Thema fair behandelt. Der Irland-Berichterstatter der taz, Ralf Sotschek, ist sich jedoch nicht zu schade, in seinem Artikel "Mrs. Robinson gefährdet Regierung - Irlands Reifeprüfung" in der taz vom 10.1.2010 am Ende langer Abhandlungen über den Sexskandal der Iris Robinson, den Versuch zu starten, in zwei kurzen Absätzen Gerry Adams durch Unterstellungen zu seinem Verhalten im Missbrauchsfall in seiner Familie politisch beschädigen zu wollen. Damit hat die taz unterstes Bildzeitungsniveau erreicht. Gerry Adams Richtigstellung zu diesen Verleumdungen, die auch durch einige irische Medien geistern, haben wir deshalb auch für taz-Leser ins Deutsche übersetzt.


>>>> Léargas - der Blog des Sinn Féin Präsidenten Gerry Adams:

Ein Familientrauma

12. January 2010

Kurz vor Weihnachten notierte ich in diesem Blog, dass ich "über einige Vorfälle im Leben meiner Familie und in meinem eigenen Leben ... vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt schreiben" werde.

In den letzten Wochen haben einige Medien meinen Umgang mit den Themen kritisiert, die sich aus den Vorwürfen des sexuellen Mißbrauchs gegen meinen Bruder Liam durch seine Tocher Áine ergaben. Einige unterstellten mir und Sinn Féin Vertuschung. Einige politische Gegner haben auf sehr zynische Weise versucht, dieses persönliche Familientrauma auf eine zutiefst offensive Art und Weise auszuschlachten. Sie versuchten, die Bemühungen meiner Familie, mit dem Trauma des Kindesmissbrauchs umzugehen, auch mit der Qual, den eigenen Vater als Missbraucher zu entlarven, mit politischen Themen des damaligen Konfliktlösungsprozesses zu verknüpfen. Das ist schändlich und es hat unsere Familie tief verletzt.

Es gab keine Vertuschung und keine Ausflüchte. Die Wahrheit ist, dass jemand aus meiner Familie Áine und ihre Mutter zu den Sozialen Diensten begleitete, als wir das erste Mal von den Anschuldigungen hörten. Áine und ihre Mutter machten ausserdem eine Anzeige bei der (damaligen nordirischen Polizei) RUC. Damit waren alle Einrichtungen informiert, die die rechtliche Verantwortung haben, diese Anschuldigungen zu verfolgen. Es gab keinen Versuch, die Anschuldigungen gegen Liam Adams zu verheimlichen, zu bagatellisieren oder zu entkräften. Später konfrontierte ich Liam mit Áine's Anschuldigungen. Er stritt sie ab. Ich glaubte Áine. Danach verliessen er und Áine unabhängig voneinander das Land für geraume Zeit.

Als Liam Adams zurückkam, waren wir entfremdet. Trotzdem waren wir zu mehreren Anlässen in Kontakt und ich habe dieses Thema ihm gegenüber mehrfach angesprochen. Das habe ich auch im Insight interview klar gemacht, UTV hat diesen Teil des Interviews jedoch nicht gesendet.

Als Áine zurückkehrte, um wieder in Irland zu leben, bot ich ihr an, mit ihr zur Polizei zu gehen. Ich bot ihr an, an die öffentlichkeit zu gehen und ich sagte ihr, ich würde sie bei allem unterstützen, wozu sie sich entschiede. Áine sagte mir, sie wolle erreichen, dass Liam zugebe, was er getan habe. Damit begann ein langer und schwieriger Prozess, in dem ich versuchte, Bedingungen zu schaffen unter denen er tun könne, was seine Tochter von ihm forderte. Er tat es nicht.

Ich suchte damals professionelle Hilfe. Die Experten, die Opfern von physischer, sexueller, häuslicher oder psychologischer Gewalt helfen, haben mir erklärt, dass kein anderer sich anmassen dürfe, Entscheidungen an Stelle eines Opfers zu treffen oder Opfer öffentlich zu identifizieren. Eine Ausnahme gibt es nur bei Minderjährigen. Die Rechte eines Opfers sind entscheidend und müssen respektiert werden. Das war mein Leitfaden für die letzten 20 Jahre, in denen ich mit den Beschuldigungen gegen Liam Adams umgehen musste und in denen ich den Schock erlebte zu erfahren, dass mein Vater Kinder missbraucht hatte.

Als Áine zur (nordirischen Polizei) PSNI ging, sagte ich bei der Polizei gegen meinen Bruder aus und unterstützte damit Áine.

Die Kritik gegen meine Person zielt auf die Tatsache, dass Liam Adams Sinn Féin Mitglied war. Zwar war mir bewußt, dass er in Dundalk lebte - ich habe öffentlich gesagt, dass ich ihn dort getroffen habe - aber mir war seine Mitgliedschaft in der Partei nicht bekannt, bis ich erfuhr, dass sein Name als möglicher Kandidat ins Spiel gebracht worden war. Als ich dies hörte, kontaktierte ich ihn direkt. Er wurde nicht als Kandidat aufgestellt und verliess als Ergebnis meiner Einmischung später die Partei. Ich möchte klarstellen, dass weder Republikaner in Dundalk noch Parteifreunde von den Anschuldigungen gegen Liam Adams wussten. Aus meiner Sicht hätte er nie Mitglied von Sinn Féin sein dürfen.

Ich habe ebenfalls mehrfach öffentlich eingeräumt, dass ich meinen Umgang mit manchen Aspekten dieses Themas bedauere. Ich sage dies aus heutiger Sicht und im Kontext heutiger Standards. Nur ist es wichtig festzustellen, dass dies für mich zuallererst eine private Familienangelegenheit war, in der wir alle damit zurechtkommen mussten, die Enthüllungen über unseren Vater zu verarbeiten. Einige von uns versuchten, denen, die von ihm missbraucht worden waren, und auch Áine zu helfen, dies alles zu verarbeiten. Ich gab mein Bestes. All das war für mich und meine Familie extrem schwierig, schmerzlich und traumatisch. Wir entschieden uns, den Missbrauch in unserer Familie öffentlich zu machen. Wir taten dies in der Hoffnung, dass unsere Erfahrung anderen Opfern und überlebenden hilft, mit dem fertig zu werden, was ihnen wiederfuhr. Wir wollen ihnen Mut geben, dass es möglich ist, Missbrauch zu überleben.

Nach heutigem Stand wurde das Verfahren gegen Liam Adams trotz des großen öffentlichen Interesses noch nicht eröffnet. Es war traumatisch, dass trotz wiederholter Zusicherungen der PSNI, die (irische Polizei) Gardaí sei voll informiert, kein europäischer Haftbefehl vorlag, als er sich der Gardaí in Sligo stellte. Es sieht nun so aus, dass dies noch Wochen dauert. Je früher dies geschieht und die Angelegenheit vor Gericht gebracht wird, je besser. Meine Nichte Áine verdient Gerechtigkeit und hat auch weiterhin meine Unterstützung.


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