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Collusion nennt man den Einsatz und die Steuerung pro-britischer Todesschwadronen durch britische staatliche Stellen. Mit allen Mitteln versucht die britische Regierung, Aufklärung über diese Praktiken des Staatsterrorismus zu verhindern, obwohl dank der jahrzehntelangen Hartnäckigkeit der betroffenen Familien immer mehr Indizien ans Tageslicht kommen. So auch im Falle des im Jahre 1989 ermordeten Rechtsanwalts Pat Finucane:

Briten stellen Finucane Untersuchung
heimlich ein

von Laura Friel

An Phoblacht, 1. Mai 2008

Die GEHEIME Entscheidung eines ehemaligen britischen Nordirlandministers, die öffentliche Untersuchung des im Jahr 1989 begangenen Mordes an Rechtsanwalt Pat Finucane einzustellen, wurde nun aufgedeckt. Die Entscheidung wurde bereits im Jahre 2006 von Peter Hain getroffen, die Familie Finucane wurde hierüber nicht informiert.

Pat Finucane wurde am 12. Februar 1989 in seinem Nordbelfaster Haus mit 14 Schüssen ermordet. Zu dem Anschlag bekannte sich die (pro-britische paramilitärische Gruppe) Ulster Defence Association/Ulster Freedom Fighters (UDA). Ken Barrett, Agent der RUC Special Branch, der Spezialeinheit der damaligen nordirischen Polizei, und gleichzeitig UDA Killer, wurde im Jahr 2004 für den Mord zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Von dieser für 22 Jahre ausgelegten Haft hatte Barrett drei Jahre verbüsst, als er letztes Jahr entlassen und vom britischen Verteidigungsministerium heimlich aus Irland an einen sicheren Ort gebracht wurde. Ein weiterer RUC-Agent, der UDA Quartiermeister William Stobie, war ebenfalls in den Mord verwickelt.

Peter Hains Entscheidung, eine öffentliche Untersuchung zu verhindern, kam erst Anfang April durch einen Brief des (britischen Nordirlandministeriums) NIO an die Witwe des Ermordeten, Geraldine Finucane, ans Licht. Der Brief kam vom Simon March, dem Senior-Privatsekretär des derzeitigen Nordirlandministers Shaun Woodward und bezog sich auf die frühere Entscheidung Peter Hains, die Untersuchung abzubrechen. "Wir wurden über diese Entscheidung damals nicht informiert," sagte Geraldine Finucane.

Foto (An Phoblacht): Der ehemalige britische Nordirlandminister Peter Hain entschied, die Untersuchung zur Verwicklung britischer staatlicher Stellen in den Mord an Pat Finucane einzustellen. Die Mörder aus den Reihen der UDA waren gleichzeitig britische Agenten.

Tatsächlich erfuhr die Familie von der Entscheidung erst, nachdem sie das NIO kontaktiert hatten, um den aktuellen Status der Vorbereitungen zur Eröffnung der Untersuchung zu erfragen. Im Antwortbrief heisst es, Herr Hain habe entschieden: "Es ist nicht länger gerechtfertigt, öffentliche Gelder in die Vorbereitung einer Untersuchung zu stecken, die unter den Bedingungen des 'Inquiries Act' durchgeführt wird, wenn die Untersuchung in dieser Form von der Familie nicht akzeptiert wird." Hains Entscheidung wurde nicht nur vor der Familie Finucane verheimlicht, sondern auch vor dem Richter Cory, der irischen Regierung und der Öffentlichkeit.

Der kanadische Richter Cory hatte eine unabhängige, öffentliche Untersuchung des Mordes an Pat Finucane empfohlen. Cory war von der britischen Regierung beauftragt worden, eine Reihe kontroverser Morde zu untersuchen. Der Richter wurde mit dem Verständnis eingesetzt, dass seine Entscheidung von der britischen Regierung als bindend anerkannt werde. Der Richter ging davon aus, dass seine Empfehlung, eine Untersuchung sowohl unabhängig als auch öffentlich durchzuführen, auch befolgt würde. Cory empfahl im Jahr 2004 unabhängige und öffentliche Untersuchungen zu einer Reihe von Morden, darunter auch der an Pat Finucane. Die unmittelbare Antwort der britischen Regierung auf die Empfehlungen von Cory war eine Änderung der entsprechenden Gesetzgebung (Inquiries Act) im Schnellverfahren, um Restriktionen gesetzlich zu verankern.

Die Kontrolle der Durchführung der Untersuchung wurde an britische Minister übertragen. Zentrale Zeugen können nun geheim befragt werden. Damit unterminiert der geänderte Inquiries Act sowohl die Unabhängigkeit als auch die Transparenz des Verfahrens. Sowohl der Richter Cory wie auch die Familie Finucane erhoben Einspruch. Schändlicherweise zitiert Hain genau diese Einsprüche als Grund für seine Entscheidung, die Untersuchung abzubrechen. Geraldine Finucane sagte:

"Im Brief stand, die Entscheidung sei getroffen worden, weil meine Familie sich weigerte zu akzeptieren, dass die Untersuchung gemäss dem berüchtigten Inquiries Act 2005 unter Kontrolle britischer Minister stattfinden würde. Sie scheinen zu sagen, es wird keine Untersuchung geben, solange wir nicht akzeptieren, dass Minister der britischen Regierung kontrollieren, welche Informationen die Untersuchung öffentlich untersuchen darf."

Die Vereinbarung, den Empfehlungen des Richters Cory zu folgen, wurde von beiden Regierungen, der irischen und der britischen, in den Weston Park Verhandlungen getroffen. Trotzdem wurde die irische Regierung von Hains Entscheidung, die Untersuchung abzubrechen, nicht unterrichtet.

Nach einem Treffen mit der Familie Finucane in Dublin am letzten Donnerstag bestätigte Taoiseach Bertie Ahern die Unterstützung der irischen Regierung für eine unabhängige, öffentliche Untersuchung des Mordes an Pat Finucane. "Die Familie Finucane hat einen langen und schwierigen Weg hinter sich auf der Suche nach Wahrheit. Die Regierung unterstützt auch weiterhin die Forderung nach einer öffentlichen Untersuchung des Mordes an Pat. Diese Haltung hat die vollständige Unterstützung aller Parteien in Dáil Éireann, (dem irischen Parlament)," betont Bertie Ahern.

Die Familie Finucane hat den Taoiseach gebeten, das Thema während seiner Rede vor dem US Kongress am nächsten Mittwoch zu adressieren. Im letzten Jahr hatte Ahern das Thema Collusion in seiner Rede vor einer gemeinsamen Sitzung der Houses of Commons und Lords in Westminster angesprochen. Die vielen Indizien für die Beteiligung des britischen Staates an der Ermordung des Belfaster Rechtsanwalts haben nicht nur in Irland für andauernde öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt, sondern haben auch international weithin beunruhigt.

Im Lichte all dieser Tatsachen ist die Entscheidung eines britischen Ministers, die Untersuchung heimlich abzubrechen und gleichzeitig in der öffentlichen Wahrnehmung den Eindruck zu vermitteln, eine Untersuchung des Mordes an Pat Finucane werde vorbereitet und werde stattfinden, mehr als unredlich - es ist offener Betrug.

Geraldine Finucane sagt: "Ich habe schon immer daran gezweifelt, dass die britische Regierung tatsächlich jemals eine echte, unabhängige öffentliche Untersuchung des Mordes an Pat zulassen wird. Der Brief bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen. Sie haben meine Familie betrogen, die irische Regierung und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte."

Ein Fall kann nämlich nicht vor das Europäische Gericht gebracht werden, bevor alle nationalen Möglichkeiten erschöpft sind. Mit der Aufrechterhaltung des Anscheins der Vorbereitung einer Untersuchung hat die britische Regierung gleichzeitig die Einbeziehung internationaler Gerichte blockiert.

Der Sinn Féin MLA (Abgeordnete) Alex Maskey hat die britische Regierung beschuldigt, "ihre Politik der Geheimhaltung und Vertuschung weiterzuführen." Er fügt hinzu: "In all den Jahren seit dem Mord an Pat Finucane hat die britische Regierung immer wieder jeden Versuch zum Scheitern gebracht, die Wahrheit herauszufinden. Sie versuchen mit allen Mitteln, die Rolle britischer staatlicher Stellen an diesem Mord zu verschleiern."


Übersetzung: Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, 18. Mai 2008 (Erläuterungen in Klammern)
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