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Mord an Journalisten schreckt Ulster auf

Protestantische Gewalttäter in Nordirland bringen den Friedensprozess in Gefahr

Von Peter Nonnenmacher (London)

Dreieinhalb Jahre nach dem gefeierten Friedensschluss von Belfast, dem nordirischen Karfreitags-Abkommen, beginnen die Fundamente dieses Vertrags zu wanken. In London befürchtet man, dass die jüngste Zunahme der Gewalt und die Ermordung eines irischen Journalisten durch loyalistische Terror-Einheiten am Wochenende auf einen erlahmenden Friedenswillen im protestantischen Lager hindeuten.

Der Mord an dem 51-jährigen Martin O' Hagan, einem Mitarbeiter der Dubliner Zeitung Sunday World, war der erste Mord an einem Journalisten seit Beginn der nordirischen Unruhen vor über 30 Jahren. O'Hagan war auf Berichte über politischen Extremismus und Drogengeschäfte spezialisiert und hatte schon mehrere Morddrohungen erhalten. Er wurde am späten Freitagabend in der Stadt Lurgan auf dem Heimweg vom Pub aus einem Auto heraus erschossen.

Zu der Tat bekannte sich am Wochenende die Gruppe der "Red Hand Defenders", die sich aus gewalttätigen Mitgliedern der größeren protestantischen Untergrundarmee UDA, der "Ulster Defence Association", zusammen setzt. Die UDA ist offiziell an dem Waffenstillstand beteiligt, den die Irisch-Republikanische Armee (IRA) in den 90-er Jahren anregte und zu dem sich auch die zweite paramilitärische Gruppe der Protestanten, die "Ulster Volonteer Force" (UVF), verpflichtet hat.

In jüngster Zeit hat die UDA aber die Waffenruhe immer öfter gebrochen. Schon im Vorjahr hatten UDA-Leute in einer inner-protestantischen Fehde mehr als ein Dutzend Anhänger der UVF getötet. In diesem Jahr konzentrierten sich UDA-Aktionen auf Attacken gegen katholische Häuser, oft mit Rohrbomben und anderen Brandsätzen. Die UDA steckte nach Polizeiangaben auch, hinter den meisten Belfaster Straßenkrawallen dieses Jahres, bei denen allein in der vergangenen Woche über 40 Polizisten verwundet wurden.

Nordirlandminister John Reid drohte der Organisation "Konsequenzen" an, falls sie ihren Terror fortsetze. In London jedoch schreckt man davor zurück, die UDA förmlich des Waffenstillstands-Bruches zu bezichtigen und gegen die bewaffneten Protestanten vorzugehen.

Die Sorge ist umso größer, als auch die politischen Führer der Protestanten nachlassendes Interesse am Erhalt des Karfreitags-Abkommens erkennen lassen. So hat der Unionisten-Chef und bisherige nordirische Ministerpräsident David Trimble für die nächsten Tage das Ende der gemischt-konfessionellen Regierung der Provinz angedroht, falls die IRA nicht endlich mit der Abrüstung ihrer Arsenale beginne. Trimbles Partei der Ulster-Unionisten (UUP) will sich, wenn sie an dieser Front keinen Fortschritt erreicht, aus der Regierung zurückziehen. Den Mord an O'Hagan verurteilte er allerdings als "feige Tat" und forderte rückhaltlose Aufklärung.

Die Regierung Blair in London ist jedenfalls über das jüngste Ultimatum Trimbles ebenso verärgert wie über seinen neuen Flirt mit der Konservativen Partei. Trimble hat sich in der Folge der Terror-Attacken auf die USA unmittelbar der harten Linie des Tory-Vorsitzenden Iain Duncan Smith angeschlossen, der Irlands Republikaner auf die selbe Stufe gestellt sehen will wie die Urheber der Untat von Manhattan. Eine solche Gleichsetzung wird von Blair und Reid abgelehnt. Auf dem Sinn-Fein-Parteitag in Dublin beteuerte aber Parteichef Gerry Adams am Wochenende, die Attacken auf die USA seien "unverzeihlich" gewesen. Terrorismus sei "moralisch nicht zu rechtfertigen".

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Dokument erstellt am 30.09.2001 um 21:48:34 Uhr
Erscheinungsdatum 01.10.2001