FRANKFURTER RUNDSCHAU

Belfaster Lektionen

Ein wenig erinnern die Bilder aus Nordirland an den Süden der USA in den 50er Jahren, an die Spießrutenläufe der schwarzen Kinder - hinnehmen kann man diese Szene nicht

Von Peter Nonnemnacher

Dies ist die Zeit, in der Nordirlands Kinder etwas über Frieden, Kooperation, gut nachbarliches Zusammenleben lernen sollten. Die Belfaster Vereinbarung von 1998, das so genannte Karfreitags-Abkommen, legte die Basis für einen solchen Lernprozess. Die gemischt-konfessionelle Provinz-Regierung, zu gleichen Teilen protestantisch und katholisch, diente als Vorbild für die Übereinkunft. Die Zeit schien reif für eine Lektion in aktiver Verständigung.

Was die kleinen Schülerinnen der Holy-Cross-Schule in Belfast stattdessen lernen, in dieser ersten Woche nach den Sommerferien, das ist, dass militanter Ulster-Protestantismus in seinem Hass auf die "Papisten" und "Paddys" noch immer zu den absonderlichsten (und abscheulichsten) Darbietungen fähig ist. Woran sich diese Mädchen erinnern werden, wenn sie aufwachsen, ist der Spießrutenlauf durch die protestantischen Reihen, das Hassgeschrei der Nachbarn, die panische Angst vor dem Weg zur Schule. Der Unterricht, der hier erteilt und gelernt wird, trägt jedenfalls nicht dazu bei, Vertrauen zu schaffen, und vorhandene Grenzen abzubauen. Er verstärkt eher die Mauern, hinter denen sich das katholische Lager wie das protestantische versteckt.

Ein wenig erinnern diese Bilder an den Süden der USA in den 50er Jahren, an die Spießrutenläufe der schwarzen Kinder. Noch einmal lehnen sich die bigotten Kräfte auf, bevor sie die Realitäten anerkennen müssen. Den Politikern der Provinz Ulster und der Polizei obliegt es, der bitteren Lektion von Holy Cross eine eigene folgen zu lassen. Hinnehmen kann man diese Szenen wahrhaft nicht.

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Dokument erstellt am 05.09.2001 um 21:51:44 Uhr
Erscheinungsdatum 06.09.2001