Irish Republican News and Information, RM Distribution, 8-11 April, 2001, http://irlnet.com/rmlist/

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Die Freiheit, unbehelligt vom Terror bigotter Fanatiker zu leben

REPORTAGE VON LAURA FRIEL

Die Familien Hayles und Christie von Nord Belfast träumen von dem Recht, unbehelligt vom Terror bigotter Fanatiker zu leben. Sie würden gerne ihre Kinder und Enkel zur Schule schicken, ohne dass diese dort bedroht und angespuckt würden. Sie würden gerne ruhig in einem Haus ih­rer eigenen Wahl wohnen und nachts ruhig schlafen im Bewusstsein, dass ihr Haus sicher vor Attacken mit Steinen, Bomben und Kugeln ist. Sie hätten gerne die Gewissheit, dass ihre Namen und persönlichen Informationen nicht von der Polizei an loyalistische Todesschwadronen wei­tergegeben wurde und sie träumen von einer Polizei, deren Aufgabe wäre, Bürger wie sie zu be­schützen. Aber für die Familien Hayles und Christie scheinen diese selbstverständlichen Wün­sche ein unerreichbarer Traum zu sein. 

Im vorderen Wohnzimmer seines Hauses beschreibt William Christie, Vater und Groß­vater in seinen späten Sechzigern, die letzten Attacken auf seine Familie. Er ist erstaunlich ruhig und sach­lich, aber es ist eben nur die letzte Attacke in einer Serie von Anschlägen und das Leben muss weitergehen.

Am Donnerstag, den 5. April, um ca. 22.30 Uhr fährt ein brauner Vauxhall Cavalier vor Christies Haus in der Alliance Avenue vor. Drei Männer waren im Auto. Williams Tochter Lisa sah das Auto von einem Fenster im Obergeschoss. Einer der Männer auf dem Rücksitz legte ein Gewehr an und fing an, durch das hintere Autofenster auf das Haus zu schießen.

„Lisa schrie runter zu uns ‚sie schießen auf das Haus’ “, erzählte William. Dasselbe Auto war der Familie schon früher aufgefallen. Die beiden Töchter Williams standen im Vorgarten, als der braune Vauxhall kurz vor dem Haus auftauchte, um dann mit Vollgas Richtung Deerpark zu ver­schwinden. Eine halbe Stunde später kam das Auto zurück und die Insassen begannen zu schie­ßen.

Zwei Kugeln zerstörten ein Fenster im Obergeschoss, weitere Kugeln steckten im Mauerwerk. Zwei Kugeln schlugen große Löcher ins oberste Fenster. Niemand war im diesem Raum wäh­rend der Attacke. William war mit seiner Frau und einer Tochter im Erdgeschoss. Die Enkel schliefen in einem anderen Zimmer. Williams Tochter war mit ihrem Mann und ihren vier Kin­dern erst kürzlich eingezogen, nachdem ihr eigenes Haus von Loyalisten überfallen wurde. Im Flur und im Esszimmer stapeln sich noch ihre Habseligkeiten.

„Wir lebten als Katholiken am falschen Ort“, sagt Williams Schwiegersohn Harry Hayles. Das Haus der Familie Hayles steht in der Westland Road, nur ein paar hundert Meter von Christies Haus in der Alliance Avenue entfernt. Nur zehn Minuten zu Fuß entfernt, ist das Haus der Hay­les das letzte in der Strasse, das von einer katholischen Familie bewohnt wird. Und als Haus mit der geringsten Entfernung zum nahegelegenen loyalistischen Westland Bezirk, war die Familie Hayles das favorisierte Angriffsziel der UDA, die auf diese Weise ihre Macht im Bezirk auf­rechterhalten will.   

Im Oktober vor zwei Jahren warnte eine kodierte Nachricht an die Britische Telekom vor einem Bombenattentat auf die Familie Hayles, es wurde jedoch nichts gefunden. Einen Monat später wurden Fenster von einem loyalistischen Mob eingeworfen, die die entsetzte Familie mit rassi­stischen Beleidigungen überschüttete. Als die Familie zwei Tage später von der Geburtstagsfeier ihrer Tochter nach Hause kam, mussten sie feststellen, dass sie Opfer eines Bombenattentats ge­worden waren. Fenster waren durch die Explosion gebrochen, eine zweite Bombe wurde im Vorgarten des Nachbars gefunden. „Die RUC informierte mich, dass mein Leben in Gefahr sei“, erzählt Harry, „meine persönlichen Daten seien in den Händen loyalistischer Todesschwadro­nen“. 

Im Frühjahr 2000 wurden die Fenster des Hauses erneut eingeworfen, eine ca. 30jährige Frau beschimpfte die 12jährige Tochter als „Fenian bastard“. William Christie wurde von einer loyalistischen Gang verprügelt, als er nach einem Besucht bei Tochter und Enkel in deren Westland Haus nach Hause ging.

Im Sommer wurde die Familie von einem 40-Personen zählenden Mob angegriffen, die drohten, das Haus rot-weis-blau anzustreichen und Feuer zu legen. Die Familie lebte in ständiger Furcht vor Benzinbomben. „Wir hatten Feuerlöscher in jedem Raum“, erzählt Harry. „Du hattest Angst, nachts zu fest zu schlafen.“

Ein anderes Mal strichen Loyalisten den Bürgersteig vor dem Haus der Familie rot-weiss-blau an. „Die RUC weigerte sich, einzuschreiten“, erzählt Harry, „sie sagten, es sei nur für einen Mo­nat.“ Als eine Gang, erkenntlich an den loyalistischen Symbolen, die sie mit sich führten, auf dem Höhepunkt des Drumcree-Protestes katholische Häuser entlang der Westland Strasse attak­kierte, und die Anwohner versuchten, den Mob auf Distanz zu halten, beschrieb die RUC den Zwischenfall als Auseinandersetzung zwischen ‚rivalisierenden Gangs’. „Anwohner waren in ihren Schlafanzügen und Morgenmänteln vor dem Haus, um ihre Familien und Häuser zu verteidigen“, sagt Harry, „weil die RUC nichts getan hat“.  

Im Herbst wurden Harry und seine Frau unterwegs von der RUC gestoppt. Die RUC informierte sie, ihr Haus sei attackiert worden und sie würden besser heimfahren. „Sie lachten, als sie uns das erzählten“, sagt Harry. „Ich habe früher jeden Vorfall der RUC gemeldet, aber das nutzt nichts. Sie beschützen uns nicht. Ich traue der RUC nicht und je früher sie aufgelöst werden, de­sto besser.“

Im Oktober 2000 zog die Familie aus, aber die Angriffe blieben. „Mein 9jähriger Sohn besucht eine gemischte Schule“, sagt Harry. Kind und Mutter sind ständig bigotten Belästigungen und Attacken wie Beleidigungen, Anspucken und einmal sogar einem tätlichen Angriff ausgesetzt. „Andere Mütter, die ihre Kinder zur Schule bringen, bespucken meine Frau“, erzählt Harry, „ich kann es kaum glauben, meine Frau kommt heim und der Rücken  ihres Mantel ist voller Spei­chelflecken.“

„Ich bin nicht verbittert“, sagt Harry, „ich weiß, es gibt hier viele anständige Protestanten. Wäh­rend der Attacken in der Westland Strasse kamen protestantische Nachbarn vorbei und boten Hilfe an, obwohl sie sich damit den Zorn der UDA zuzogen.“    

Eine lokale Zeitung informierte William Christie kürzlich, das er und seine Söhne auf einer loyalistischen Todesliste stünden. Als William die lokale RUC kontaktierte, und sie bat, die In­formation zu bestätigen, wusste die RUC von nichts. Vier Stunden später erhielt er zu Hause Besuch von der RUC, die ihn informierte, dass er und seine Söhne von Loyalisten bedroht sei. „Wenn die lokale Zeitung Nord Belfast News das weiß, muss es die RUC auch wissen“, sagt Williams. „Warum  hält die RUC die Informationen zurück?”

Die beiden Familien sind bewundernswürdig ruhig und gefasst, aber der Terror bleibt bittere Wahrheit. Wenn das Karfreitagsabkommen mehr wert werden soll, als das Papier, auf dem es geschrieben steht, darf die Freiheit vor bigottem Terror für Familien wie die Hayles und Chri­sties kein Traum bleiben, sondern muss Wirklichkeit werden.       


Übersetzung: 13.04.2001, Uschi Grandel, Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling, uschi@info-nordirland.de

AdÜ: Verbindlich ist das englische Original