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"… der Gerichtshof stellt zum einen fest, dass die Vorwürfe von Weir sehr ernst sind. Es geht um die Beteiligung (britischer) Sicherheitskräfte an systematischen Anschlägen auf unschuldige Zivilisten. Zum zweiten sind die Vorwürfe, prima facie, plausibel, weil sie von einer Quelle kommen, die in solche Vorfälle involviert war und deren Aussagen sehr detailliert und konkret waren …"
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

"Auf dieser Pressekonferenz sind Angehörige anwesend, die die offizielle Bestätigung haben, dass Polizeioffiziere, Soldaten und Geheimdienstleute die Hauptverdächtigen der Anschläge (auf ihre Familienangehörigen) sind ..."
Alan Brecknell für die Familien, 28. November 2007 (siehe unten)

Presseerklärung der Rechtsanwaltskanzlei Madden & Finucane Solicitors, 27. November 2007:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
urteilte zugunsten der Familien der acht Männer,
die von einer loyalistischen Gang in South Armagh ermordet wurden

27. November 2007 --

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte zugunsten der Familien der acht Männer, die Mitte der 70er Jahre von einer loyalistischen Gang in South Armagh ermordet wurden

Die Fälle wurden nach Straßburg gebracht, nachdem die britische Regierung die detaillierten Vorwürfe des früheren Polizisten der RUC John Weir, es habe Zusammenarbeit zwischen der loyalistischen Gang und den Sicherheitskräften gegeben, nicht ordentlich untersuchte.

Der Anwalt der Familien Fearghal Shiels, von der Rechtsanwaltskanzlei Madden & Finucane Solicitors aus Belfast, sagte:

"Im Jahre 1999 gab die (nordirische Polizei) RUC vor, die Behauptungen von John Weir polizeilich zu untersuchen. Die RUC unternahm jedoch keine Schritte, um John Weir zu befragen. Trotz der glaubwürdigen und belegbaren Beweise, dass es in Mid-Ulster zu weitreichender Zusammenarbeit von Mitgliedern der (britischen Armeeeinheit) UDR und der (nordirischen Polizei) RUC mit einer in Mid-Ulster operierenden loyalistischen Mördergang gekommen sei, beendete die RUC ihre Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass die Anschuldigungen falsch seien.

Das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt, dass die Menschenrechte der Familien durch die britische Regierung verletzt wurden. Dies ist eine Bestätigung der zentralen Überzeugung der Familien, dass bei den Untersuchungen der Aktivitäten der Mördergang durch die RUC Unabhängigkeit, Transparenz und Verantwortlichkeit völlig gefehlt haben."

Die Fälle schliessen die folgenen Morde ein: den Tod von Colm McCartney, der in Altnamackin im August 1975 ermordet wurde; Trevor Brecknell, der in Donnelly’s Bar in Silverbridge im Dezember 1975 ermordet wurde; John, Brian und Anthony Reavey, die in Whitecross ermordet wurden; sowie Joseph, Barry und Declan O’Dowd, die im January 1976 in der Nähe von Gilford am selben Abend wie die Reavey Brüder ermordet wurden; sowie den versuchten Mord an Michael McGrath, der in der Rock Bar in Keady im Juni 1976 durch Schüsse verletzt wurde.

Die Familien werden sich heute mit ihren Rechtsanwälten treffen, um die Implikationen des Urteils zu diskutieren.


Presseerklärung der Familien aus dem ‘Mörder-Dreieck’, die vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betroffen sind, 28. November 2007:

Über 120 Menschen wurden von einer Gang ermordet,
in deren Reihen sich Mitglieder der (britischen) Sicherheitskräfte
und anderer staatlicher Stellen befanden

Alan Brecknell auf der Pressekonferenz des Pat Finucane Centre (PFC) in Belfast am 28. November 2007:

Wir begrüssen das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Urteil bestätigt, dass der Artikel 2 der Menschenrechtskonvention in den Fällen verletzt wurde, in denen wir Familienmitglieder verloren haben, bzw. Familienmitglieder verletzt wurden, wie im Fall von Barney O’Dowd und Mick Mc Grath, die heute beide hier sind. Im Jahr 1999 machte John Weir, ein ehemaliger Polizist der RUC und ein Mitglied ihrer Special Patrol Group (SPG), alarmierende Aussagen zu den Aktivitäten einer loyalistischen Gang aus Glenanne. Er sagte, die Gang bestehe aus Mitgliedern der (loyalistischen) UVF, der Special Patrol Group der RUC, sowie aus Soldaten der (britischen Armeeeinheit) UDR aus (der Region) Mid Ulster. Staatliche Geheimdienstagenten, wie zum Beispiel Robin Jackson, der "Schakal" genannt wurde, spielten eine zentrale Rolle in der Gang. Die Aktivitäten waren in höheren Zirkeln der Sicherheitskräfte und des Nordirlandministeriums bekannt und wurden toleriert. Eine Reihe von Anschlägen - mit Gewehren und Bomben - wurden von Agenten aus den Reihen der Polizeisondereinheit Special Branch und dem Militärgeheimdienst geleitet. Als diese Enthüllungen bekannt wurden, begann ich für das Pat Finucane Centre mit Recherchen über die Glenanne Gang und das Mörder-Dreieck.

Folgende Aussagen sind inzwischen bestätigte Fakten:

Das Gericht hat nun bestätigt, dass der Umgang der RUC mit den Vorwürfen von Weir im Jahre 1999 den Artikel 2 (der Menschenrechtscharta) verletzt. Das ist der Kern unserer Bedenken, die sich über die Jahre bei uns zur Überzeugung verdichtet haben.

Zwei abschliessende Bemerkungen möchte ich machen, bevor wir die Diskussion eröffnen: John Weir war und ist vermutlich immer noch der bedeutsamste Zeuge dieser Machenschaften, der in den letzten 37 Jahren eine Aussage gemacht hat. Es gibt immer noch Versuche, seine Aussagen dadurch zu entwerten, dass die Person john Weir als unglaubwürdig dargestellt wird. Ich habe ihn verschiedentlich getroffen. Ich habe ihn zu Treffen mit der HET (dem Untersuchungsteam der Polizei für nicht geklärte Morde des Konflikts) begleitet. Er ist ein glaubwürdiger Zeuge, obwohl er zweifelsohne noch viel mehr in einem anderen rechtlichen Kontext zu sagen hätte. Das ist auch die Meinung des Europäischen Gerichtshofes zu John Weir:

"… der Gerichtshof stellt zum einen fest, dass die Vorwürfe von Weir sehr ernst sind. Es geht um die Beteiligung von Sicherheitskräften an systematischen Anschlägen auf unschuldige Zivilisten. Zum zweiten sind die Vorwürfe, prima facie, plausibel, weil sie von einer Quelle kommen, die in solche Vorfälle involviert war und deren Aussagen sehr detailliert und konkret waren …"

Als abschliessende Bemerkung möchte ich noch folgendes sagen:

In der jüngsten Vergangenheit ist einiges an glaubwürdigen und überzeugenden Beweisen für die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitskräften und loyalistischen Paramilitärs ans Tageslicht gekommen. Der Fall der Glenanne Gang ist auf seine Weise einzigartig, weil Fakten, nicht nur Anschuldigungen, vorhanden sind, dass Mitglieder der RUC, der UDR und der Sicherheitskräfte DIREKT in Morde und Bombenattentate involviert waren.

Auf dieser Pressekonferenz sind Angehörige anwesend, die die offizielle Bestätigung haben, dass Polizeioffiziere, Soldaten und Geheimdienstleute die Hauptverdächtigen der Anschläge (auf ihre Familienangehörigen) sind. Stück für Stück kommt die Wahrheit ans Licht. Dieses Urteil hat die Familien bestätigt.

Ich schliesse mit einer Frage: vor Monaten baten wir den Leiter der Staatsanwaltschaft um ein Treffen, um die Aktionen dieser wichtigen Institution im Rock Bar Prozess zu erklären und zu klären, warum die Anklagepunkte fallen gelassen worden waren. Ist der Leiter der Staatsanwaltschaft nun zu einem Treffen bereit?


Übersetzung: Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, 2. Dezember 2007 (Erläuterungen in Klammern)
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