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Junge Welt vom 30.01.2007

Sinn Féins Bedingungen

Republikaner erkennen die probritischen Polizeikräfte an – und könnten perspektivisch zur stärksten politischen Kraft in Nordirland werden
Von Florian Osuch

Die irisch-republikanische Partei Sinn Féin hat am Sonntag abend in einer historischen Abstimmung die nordirische Polizei anerkannt. Auf einem Parteitag in Dub­lin billigten 90 Prozent der 900 Delegierten einen entsprechenden Antrag. Sinn Féin habe »die Möglichkeit geschaffen, die politische Landschaft auf dieser Insel für immer zu verändern«, kommentierte der Parteivorsitzende Gerry Adams das Ergebnis. Im Gegenzug soll sich nun die Democratic Unionist Party (DUP) des rechtsradikalen Pfarrers Ian Paisley zur Zusammenarbeit mit den irischen Republikanern bereit erklären. Das dürfte aber schwerlich gelingen, da der Sinn-Féin-Parteitag an die Anerkennung der Polizei zwei Bedingungen knüpfte. Zum einen müsse zunächst die geplante Allparteienregierung ihre Arbeit aufnehmen und zum anderen die Verantwortlichkeit für das gesamte Polizei- und Justizwesen der zukünftigen nordirischen Regierung übertragen werden.

Die Anerkennung der Polizei durch Sinn Féin war einer der Hauptpunkte im St.-Andrews-Friedensplan von 2006, und für die Partei, die einst als »politischer Arm« der Irisch Republikanischen Armee (IRA) galt, ein nur schwer zu überwindendes hohes Hindernis. Zwar hatten sich die königstreuen Polizeikräfte Nordirlands, die Royal Ulster Constabulary (RUC), im Jahr 2001 den neutralen Namen Police Service Northern Ireland (PSNI) gegeben; doch veränderte sich deren personelle Zusammensetzung nicht entscheidend. Nach wie vor besteht die Truppe zu mindestens drei Vierteln aus London-loyalistischen Protestanten. Irische Republikaner lehnten die RUC/PSNI bisher folglich als parteiisch ab – eine Position, die erst in der vergangenen Woche durch einen Bericht über Verstrickungen der RUC in diverse Verbrechen gestützt wurde.

Noch im November vergangenen Jahres hatte Adams die PSNI als »paramilitärischen und religiös-rassistischen Apparat« bezeichnet und deren Auflösung gefordert. Trotzdem suchte die Sinn-Féin-Parteispitze nach konstruktiven Wegen, um die Auflagen von St. Andrews zu erfüllen. In der schottischen Stadt hatten der britische und irische Premier, Anthony Blair und Bertie Ahern, auf eine Neubelebung des nordirischen Friedensprozesses verständigt. Demnach sollen am 7. März 2007 Neuwahlen stattfinden und anschließend eine Allparteienregierung gebildet werden. Gelinge dies nicht, werde das Projekt Selbstverwaltung von Nordirland aufgegeben und die Provinz von Irland und Großbritan­nien gemeinsam verwaltet. Am Sonntag nun begrüßte das Duo Blair/Ahern, einhellig die Verabschiedung von Sinn Féins neuer Position als »weise Entscheidung«.

Die Ziele von Sinn Féin sind klar. In einer Allparteienregierung wird die Partei den Vizepräsidenten und mehrere Minister stellen und ihren Einfluß als größte gesamtirische Partei ausbauen. Mit etwas Geschick könnte Sinn Féin in einigen Jahren zur stärksten Kraft in Nordirland werden, sofern sie den konkurrierenden Sozialdemokraten (SDLP) weiter Stimmen abnehmen kann. Dann würde erstmals der Vertreter einer irischen Partei – vielleicht sogar der ehemalige IRA-Mann Gerry Adams – an der Spitze des Landes stehen und der Status der Provinz erneut zur Verhandlung stehen. Ob Irland damit einer vereinten sozialistischen Republik näher kommt, wie es einst Ziel von Sinn Féin war, bleibt abzuwarten.


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