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October 10, 2006

Rede des Sinn Féin Präsidenten und Abgeordneten Gerry Adams am Vorabend der Verhandlungen in Schottland

Sinn Féin - Entschlossen, einen Erfolg zu erzielen

Wir, die wir übelste Formen staatlicher Polizeigewalt erfahren mussten, wissen genau, was nicht funktioniert. Wir brauchen in diesen Fragen keine Belehrung durch irgendeine britische Regierung oder durch Leute, die die Gesetze vereinnahmen und als ihre Gesetze und ihre Ordnung sehen. Die DUP ist insbesondere nicht in der Lage, andere über Recht und Gesetz zu belehren.

Wir sind entschiedene Gegner der Art von Polizei- und Justizsystem, das hier die letzten achzig Jahre die Norm war. Wir sind entschiedene Gegner eines paramilitärischen Polizeiapparats, der konterrevolutionär geführt, durchsetzt von Collusion, (der Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Todesschwadronen), mit einer religiös-rassistischen Grundhaltung, den Status Quo und die Interessen einer Gruppe der Bevölkerung dadurch verteidigt, dass er die andere unterdrückt. Und wir entschuldigen uns nicht für unsere Gegnerschaft.

Rede des Sinn Féin Präsidenten und Abgeordneten Gerry Adams auf einer Parteikundgebung im Europa Hotel in Belfast:

Sinn Féin - Entschlossen, einen Erfolg zu erzielen

Ich möchte meine heutigen Bemerkungen unserem Freund Michael Ferguson widmen, (der letzte Woche überraschend mit 53 Jahren an Krebs gestorben ist).

Bevor ich jedoch zu den eigentlichen Themen meiner Rede komme, möchte ich den Menschen aus Ballinaboy in der Grafschaft Mayo solidarische Grüße übermitteln.

Letztes Jahr gab es landesweite Empörung, als fünf Männer im Gefängnis landeten, weil sie sich Shell Oil widersetzt haben. Im Verlauf der letzten Woche haben wir gesehen, wie die einheimische Bevölkerung in Mayo von der Strasse geschleift wurden, als sie sich an einem friedlichen Protest gegen den Bau einer gefährlichen Pipeline in der Nähe ihrer Dörfer beteiligten.

Die Nachricht von Belfast nach Mayo ist laut und klar - Shell soll aufs Meer (das ist die Forderung der Kampagne 'Shell to Sea'). Die Kampagne der irischen Regierung gegen die Bevölkerung von Rossport muss aufhören!

Ein Abkommen zum 24. November erreichen

Die letzten 12 Jahre des Friedensprozesses (seit dem Waffenstillstand der IRA von 1994) haben viele positive Veränderungen gebracht. (Irische) Republikaner haben viele dieser Veränderungen in die Wege geleitet. Wir hatten dabei grosse Herausforderungen zu bewältigen. Und wir haben uns ihnen gestellt. In den kommenden Wochen werden uns neue Herausforderungen erwarten. Sind wir dazu bereit?

Es gibt nur eine Antwort auf diese Frage, die Antwort ist ja. Diejenigen, die viel erreichen wollen, müssen das grösste Risiko tragen. Wir müssen auf andere zugehen, insbesondere auf unsere Gegner.

Das gilt heute, so wie es zu jeder anderen Zeit im Friedensprozess galt. Diejenigen unter uns, die grosse Änderungen erreichen wollen, müssen zu einem grossen Vertrauensvorschuss bereit sein und grosse Risiken eingehen.

Ich werde zusammen mit Martin McGuinness, Mary Lou McDonald, Pat Doherty, Bairbre de Brún, Gerry Kelly, Caoimhghín Ó Caoláin, Michelle Gildernew, Martin Ferris, Catriona Ruane, Francie Molloy, Conor Murphy, Alex Maskey, Joanne Spain, Dessie Ellis, John Dwyer, Pearse Doherty, David Cullinane und Padraig MacLochlainn morgen nach Schottland reisen.

Unser Auftrag ist klar. Es geht darum, die politischen Institutionen wieder auf die Beine zu bringen, die Regionalregierung bis zum 24. November wieder einzusetzen und das Karfreitagsabkommen umzusetzen. Ich glaube, dass dies möglich ist.

Am Samstag abend war ich auf einer republikanischen Veranstaltung. Es war eine wundervolle Veranstaltung, die Leute aus dem Viertel Colin in West Belfast organisiert hatten. In ihrem Verlauf stellten sie mir zwei Fragen. Eine war zum Thema Polizei, darauf gehe ich in einer Minute ein. Die zweite war über Ian Paisley.

Es gibt offensichtlich viel Skepsis darüber, ob Ian Paisley bereit ist, nächste Woche ein Abkommen zu schliessen, oder ob er dazu überhaupt irgendwann bereit sein wird. Die Skepsis ist gerechtfertigt, wenn man seine Rolle während der letzten 40 Jahre betrachtet. Aber die Skepsis ist gleichzeitig auch fehl am Platz.

Wir Republikaner sind diejenigen, die die Vision eines neuen Irland haben - eines vereinigten und unabhängigen Irlands, in dem Orange und Grün gleichberechtigt zusammenleben. Eines neuen Irland, in dem Orange und Grün partnerschaftlich zusammenarbeiten, eine neue Zukunft formen, eine gemeinsame Zukunft, eine glückliche und friedliche Zukunft.

Haben wir Paisley jemals erlaubt, uns daran zu hindern?

Heute ist der irische Republikanismus stärker als jemals seit (der Spaltung Irlands durch die britische Regierung im Jahre) 1920. Das ist der Verdienst der Menschen hier im Raum und überall auf dieser Insel. Gibt es einen von uns, der sich durch die DUP oder Ian Paisley abhalten lässt, irischer Republikaner zu sein? Kann er uns davon abhalten, unsere Vision Realität werden zu lassen? Konnte er verhindern, dass wir unsere Partei aufbauen? Konnte er verhindern, dass wir irlandweit Unterstützung erhalten?

Natürlich nicht.

Ist Ian Paisley also bereit, nächste Woche ein Abkommen zu schliessen?

Ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass die Frage nicht mehr ist, ob die DUP ein Abkommen schliesst, sondern wann sie das tut. Wir müssen verstehen, dass dies eine grosse Herausforderung für die DUP ist. Nicht zuletzt wegen der Rolle, die ihre Führung in den letzten vier Jahrzehnten gespielt hat.

Deshalb müssen wir uns in sie hineinversetzen und dies aus ihrer Perspektive betrachten. Das heisst nicht, dass wir uns weniger durchsetzen sollen oder plötzlich bereits sein müssen, weniger als unsere vollen Rechte als Bürger zu akzeptieren. Auf keinen Fall heisst dies, dass wir unsere republikanischen Überzeugungen abgeben oder verwässern.

Im Gegenteil, wir müssen Wege finden, diese Überzeugungen in die Praxis umzusetzen. Das heisst, politische Unterstützung gewinnen, politische Macht gewinnen. Wir müssen in grossen Zusammenhängen denken.

Vor vierzig Jahren hatte der Unionismus die Kontrolle. Die six counties (die sechs der Irlandweit 32 Grafschaften, die Nordirland bilden) waren ein Einparteienstaat. Ein unionistischer Premierminister wurde bekannt durch die Phrase des protestantischen Parlaments für ein protestantisches Volk. Der Rest des Volks war auf den Knien. Auf die Knie gezwungen durch ein Arsenal an repressiver Gesetzgebung, durch eine brutale staatliche Polizei und durch bewaffnete Milizen.

All das hat sich geändert. Völlig geändert. Natürlich gibt es immer noch die Teilung (Irlands). Die britische Herrschaft dauert an. Aber es gibt grosse Erfolge und eine Richtung für die Zukunft. Unsere Aufgabe ist es, geschlossen und einig durch die derzeitigen Schwierigkeiten hindurch weiter voran zu gehen. Wir stellen uns dabei den Herausforderungen, denen wir begegnen, wir diskutieren die Themen offen und kameradschaftlich, und wir bleiben zusammen - und das ist von zentraler Bedeutung - gehen trotzdem immer weiter vorwärts.

Es ist unsere Aufgabe, einen Weg aufzuzeigen - eine Brücke zu bilden, die aus der derzeitigen Situation hinaus in ein neues, akzeptiertes Irland führt. Unsere Aufgabe ist es deshalb, ein Abkommen mit Ian Paisley zu schliessen. Wenn er dazu bewegt werden kann. Wenn nicht, geht der Prozess ohne ihn weiter.

Während der letzten zwölf Monate waren Republikaner zu hohen Risiken für den Frieden bereit. Die IRA hat durch ein Ende ihrer bewaffneten Kampagne und die Lösung der Waffenfrage ihren Beitrag geleistet. Sie hat ihr Wort gehalten.

Zeit für Taten

Für die DUP ist nun die Zeit gekommen, Farbe zu bekennen. Es wird bald klar sein, ob sie bereit sind, mit allen anderen Parteien zusammenzuarbeiten. Wenn sie es sind, dann ist die Zeit reif für Taten. Denn die Realität ist, dass die DUP die einzige Partei ist, die derzeit nicht gewillt ist, eine parteiübergreifende Regierung zu bilden. Alle anderen Parteien sind bereit, Verantwortung für schwierige Fragen, wie Gebühren, Wassergebühren, Planungen im ländlichen Bereich, Erziehung und Gesundheit zu übernehmen. Alle anderen Parteien wollen ein Ende der britischen Statthalter sehen, die hier Minsterämter innehaben, aber niemandem verantwortlich sind und schlechte Entschlüsse zu Themen fassen, von denen sie wenig oder nichts verstehen.

In den Diskussionen - gestern mit dem (irischen) Taoiseach und am letzten Freitag mit dem britischen Premierminister - haben beide (Regierungschefs) versichert, an der Deadline 24. November festzuhalten. Das ist auch die Position von Sinn Féin. Unsere Position ist nicht durch den Wunsch bestimmt, das Ende der politischen Institutionen zu sehen. Wir halten an der Deadline fest, weil die DUP verzweifelt versucht, auf Zeit zu spielen. Sie haben die vergebliche Hoffnung, dass ein neuer britischer Premierminister ihnen helfen könnte, dass Wahlen Dinge ändern oder sich die Verhältnisse ändern.

Viele Republikaner haben Bedenken über die Haltung der beide Regierungen geäussert. Ich teile diese Bedenken. Es gehört zu unseren Aufgaben, die britische und irische Regierung auf ihrer öffentlich geäusserten Position zu halten, der Position, dass die Zeit für Verzögerungen vorbei ist. Der Prozess geht weiter, den einen oder den anderen Weg.

Und lasst es mich heute abend hier klar sagen, dass Republikaner für Veränderungen bereit sind. Wir sind bereit zu einem Dialog mit der DUP. Wir sind bereit, Macht mit ihnen zu teilen und wir sind bereit, für alle offenen Themen eine Lösung zu finden.

Lasst mich aber auch der DUP eines klar sagen: sollten sie entscheiden, bis zu einem späteren Zeitpunkt herumzulungern, dann müssen sie die Änderungen akzeptieren, die wir bis dahin erreicht haben.

Polizeiarbeit transformieren

Das bringt mich zum Thema Polizei. Republikaner sind für einen Polizei-Service. Republikaner sind dafür, dass Gesetze eingehalten werden. Republikaner sind gesetzestreue Leute, die ein faires und gleichberechtigtes Polizei- und Justizsystem wollen, das transparent und rechenschaftspflichtig ist. Unsere Unterstützung für Polizeiarbeit, Gesetz und Ordnung erfolgt nicht auf Druck der Unionisten. Sie ist auch keine Verhandlungsmasse, die als Teil eines Abkommens erhalten oder weggegeben wird.

Sinn Féin will eine akzeptable, zivile Polizei, die demokratisch kontrolliert und frei von parteipolitischer Kontrolle ist. Wir wollen, dass Recht und Ordnung fair, unparteilich und effektiv umgesetzt wird. Der Kern demokratischen Regierens ist eingebettet in die Rechte der Bürger. Das ist ein Grund, warum wir eine neue Polizei als zentralen Punkt unserer Verhandlungen sehen. Sinn Féin ist friedlichen und demokratischen Methoden verpflichtet und will eine Gesellschaft , in denen die Rechte der Bürger im Gesetz und in der Realität hochgehalten werden.

Bürger haben die Pflicht zum Widerstand gegen ungerechte Gesetze, um sie zu ändern. Wo es nötig war, haben wir dies getan. Dabei haben wir in den letzten vierzig Jahren viele positive Änderungen bewirkt.

Wir, die wir übelste Formen staatlicher Polizeigewalt erfahren mussten, wissen genau, was nicht funktioniert. Wir brauchen in diesen Fragen keine Belehrung durch irgendeine britische Regierung oder durch Leute, die die Gesetze vereinnahmen und als ihre Gesetze und ihre Ordnung sehen. Die DUP ist insbesondere nicht in der Lage, andere über Recht und Gesetz zu belehren.

Wir sind entschiedene Gegner der Art von Polizei- und Justizsystem, das hier die letzten achzig Jahre die Norm war. Wir sind entschiedene Gegner eines paramilitärischen Polizeiapparats, der konterrevolutionär geführt, durchsetzt von Collusion, (der Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Todesschwadronen), mit einer religiös-rassistischen Grundhaltung, den Status Quo und die Interessen einer Gruppe der Bevölkerung dadurch verteidigt, dass er die andere unterdrückt. Und wir entschuldigen uns nicht für unsere Gegnerschaft.

Es wurde viel erreicht.

Als der britische Staatssekretär (für Nordirland) Peter Mandelson die Empfehlungen von Patten (zur Polizeireform) aushöhlte, verfolgte Sinn Féin die Strategie der konzentrierten, fokussierten Schritte, um den Schaden zu beheben, den er und seine Kontrollfreaks den Bemühungen um eine neue Polizei zugefügt hatten.

Wir haben dabei signifikanten Fortschritt erzielt.

Sinn Féin hat Erweiterungen der Polizei- und Justizgesetzgebung durchgesetzt, die u.a. die Macht des Polizeiombudsman und des Polizeikontrollgremiums vergrössert, die das Recht einschliesst, Berichte und Untersuchungen zu initiieren und die community policing zu einem Kernstück des neuen Polizeiservice macht.

In den Verhandlungen im Jahr 2003 konnte Sinn Féin weitere Änderungen durchsetzen, u.a. die Verpflichtung des britischen Staatssekretärs (für Nordirland), sich in Schlüsselbereichen mit dem Polizei Ombudsman, der Menschenrechtskommission und der Gleichberechtigungskommission abzustimmen, Belfaster Untergruppen sind nun den DPPs gleichgestellt und der diskriminierende Ausschluss politischer Gefangener von der Teilnahme als unabhängige Mitglieder in den DPPs wurde abgeschafft.

Insgesamt gesehen war die britische Regierung im Laufe der letzten fünf Jahre zweimal gezwungen, unabhängig voneinander ergänzende Gesetze einzubringen, um die ungenügende Polizei- und Justizgesetzgebung zu verbessern. Wir konnten durchsetzen, dass die Verantwortung für Polizei und Justiz (an die Regionalregierung nach Nordirland) transferiert wird. Das Argument hierfür ist die demokratische Verantwortung, wie sie im Karfreitagsabkommen festgelegt ist.

Mittlerweile stimmt jeder zu, dass der Transfer der Verantwortlichkeit für die Polizei für einen neuen Anfang in der Polizeiarbeit unabdingbar ist.

Glaubt hier jemand, die Kontrollfreaks in Whitehall oder in der alten RUC möchten einen aus dem Saal hier im Polizeiüberwachungsgremium sehen oder gar einen Republikaner als Verantwortlichen für Polizei und Justiz?

Natürlich nicht.

Es muss klar gesagt werden, dass Sinn Féin's Fokus zum Thema Polizei die Entpolitisierung der Polizei ist. Wir wollen Polizei von einem bewaffneten Arm des Staates in einen Service für die Bevölkerung wandeln. Sinn Féin ist gegen jede Art von Kriminalität. Die Profiteure der Kriminalität müssen gestellt und ihre Machenschaften beendet werden. Genauso wie wir diejenigen stellen müssen, die ältere und leicht angreifbare Menschen als Opfer aussuchen. Vergewaltiger und Rassisten dürfen nicht geduldet werden und unsere Stadtviertel sollten verschont bleiben vom Übel der Todesfahrer, von Bedrohung und Gesetzlosigkeit krimineller Gruppen.

Wir sind entschlossen, in der Zeit, die vor uns liegt, Fortschritte zu erzielen.

Dinge haben sich für immer geändert.

Der Unionismus steht wieder einmal am Scheideweg. Der preferierte Weg ist die Zusammenarbeit aller politischen Parteien in der Assembly (dem Regionalparlament), der Regionalregierung und den anderen politischen Institutionen, um für die Menschen, die wir vertreten, Ergebnisse zu erzielen, damit sie ihr Recht auf eine vernünftige Gesundheitsversorgung und andere öffentliche Dienste erhalten, genauso wie auf eine stabile und glückliche Zukunft.

Sollte das diesmal nicht möglich sein, dann wird der Prozess der Veränderungen durch weitergehende politische Absprachen der irischen und britischen Regierung umgesetzt werden müssen. In all diesen Unwägbarkeiten ist eines sicher - und das ist völlig klar - egal, was morgen oder am 24. November passiert - der Prozess der Veränderungen wird weitergehen.

Dafür ist Sinn Féin der Garant.

Dinge haben sich für immer geändert. Es gibt kein Zurück zu den alten Tagen.


Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/ 12. Oktober 2006, Anmerkungen der Übersetzerin in Klammern

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