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Andersontown News, 5. Mai 2006


Unser Kommentar:
Und 25 Jahre später

"In Wahrheit ist es nicht der Schatten des bewaffneten Kampfes, der (pro-britische) Unionisten, Opportunisten aus dem irischen Establishment und britische Strippenzieher im Hintergrund vor denen zurückschrecken lässt, die dasselbe Ziel verfolgen, für das die Hungerstreiker starben. Es ist die Angst davor, sich schlussendlich von Angesicht zu Angesicht dem Mut und dem Geist von 1981 zu stellen - nicht nach den eigenen Vorgaben, mit einem Gegner, der nackt in einer verdreckten Gefängniszelle liegt oder auf dem Krankenbett stirbt, sondern im Parlament auf Augenhöhe, wo die Zukunft dieses Landes endlich entschieden werden wird und das Recht letztendlich siegen wird."


Sind wirklich 25 Jahre vergangen, seit die grausige Nachricht vom Tode Bobby Sands uns erreichte? Sind wirklich 25 Jahre vergangen, seit der fürchterliche Kreislauf aus Tod und Sterben zum Tod von 10 jungen Männern in Long Kesh führte, der die Strassen draussen in Aufruhr versetzte?

Tatsächlich. Es sind wirklich 25 Jahre vergangen. Und es ist eine würdige Ehrung für Bobby Sands und seine Kameraden, dass diese 25 Jahre so schnell vergingen, dass der republikanische Kampf stärker und selbstbewusster wurde und die Entwicklung in Richtung einer Insel, auf der es gleiche Rechte für jeden gibt, wohl nicht mehr aufzuhalten ist.

Klar, es gab schreckliche Zeiten und fürchterliche Rückschläge, aber wenn man politisch Bilanz zieht, wenn wir Gewinne gegen Verluste aufrechnen, dann sieht man, dass die Erinnerung an diejenigen, die ihr Leben für Gerechtigkeit und Freiheit geopfert haben, frisch ist und sich immer stärker im Gedächtnis der Menschen verankert, während diejenigen auf der anderen Seite des politischen Spektrums, die sie so gefühllos quälten und ihre berechtigten Forderungen zynisch ablehnten, in Vergessenheit geraten.

Die grosse und eindrucksvolle Palette von Veranstaltungen, die in ganz Irland, besonders aber in Belfast, organisiert wurde, um den Jahrestag der Hungerstreiks zu begehen, ist ein Zeichen für die wachsende Bedeutung, die die Hungerstreiker und ihre Ideale für den modernen irischen Nationalismus und Republikanismus besitzen. Wer vor 25 Jahren Bobby Sands (zum Abgeordneten des britischen Unterhauses) gewählt hat, wer zur Unterstützung der "blanketman" (die sich weigerten, Gefängniskleidung zu tragen und denen die Gefängnisleitung deshalb nur ein einziges Handtuch als "Bekleidung" liess) auf die Strasse ging, war als unerwünscht registriert. Bestenfalls wurde er ignoriert oder dämonisiert, schlimmstenfalls angegriffen oder getötet. Heutzutage, wo Republikanismus im Aufwind ist, werden jene, die die Politik der Vergangenheit vertreten, die Gift und Galle spucken, die Angst vor mutigen Entscheidungen haben, hier und im Ausland als Hindernis für den Frieden gesehen. Diejenigen, die die Hungerstreiker als Helden und Vorbilder sehen, stehen für eine Insel, die uns gemeinsam gehört, wo die alten Gewissheiten zu Staub geworden sind, wo der reaktionäre Staat und die religiösen Mächte, die uns im Würgegriff hatten, keine Gewalt mehr über uns haben und wo wir die Freiheit besitzen, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen und unsere Zukunft selbst zu bestimmen.

Zu viele von uns haben schlimme und bleibende Erinnerungen an die dunklen Tage von 1981, als es schien, dass wir niemals wieder unter dem Leichenhemd aus Tod und Leid hervorkommen würden, das uns bedeckte. Heute ist die IRA als militärische Kraft von der Bühne verschwunden und einige derselben Republikaner, die die Gefängniszellen mit den Hungerstreikern teilten, die Intimstes und Persönlichstes mit ihnen teilten, und die ein bisschen mit ihnen starben, sind nun gewählte Parlamentarier, die auf den Tag warten, der nicht mehr aufzuhalten ist, an dem ihr republikanisches Ideal ihre Reden und Aktivitäten im Parlament leitet. Diese Leute haben zu viel erlebt, um vom Zynismus und der Furcht ihrer Gegner geschlagen oder auch nur von ihrem Weg abgelenkt zu werden. Einige dieser Gegner wüden eine historische politische Gelegenheit dieses Ausmasses lieber verwerfen und durch lange Jahre der Feindschaft und des gegenseitigen Misstrauens ersetzen.

In Wahrheit ist es nicht der Schatten des bewaffneten Kampfes, der (pro-britische) Unionisten, Opportunisten aus dem irischen Establishment und britische Strippenzieher im Hintergrund vor denen zurückschrecken lässt, die dasselbe Ziel verfolgen, für das die Hungerstreiker starben. Es ist die Angst davor, sich schlussendlich von Angesicht zu Angesicht dem Mut und dem Geist von 1981 zu stellen - nicht nach den eigenen Vorgaben, mit einem Gegner, der nackt in einer verdreckten Gefängniszelle liegt oder auf dem Krankenbett stirbt, sondern im Parlament auf Augenhöhe, wo die Zukunft dieses Landes endlich entschieden werden wird und das Recht letztendlich siegen wird.


Uschi Grandel - http://archiv.info-nordirland.de/ - 5. Mai 2006

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