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Sunday Business Post, 30. April 2006


Neuer Monitor-Bericht erhöht den Druck auf Unionisten

"Republikaner sind beunruhigt darüber, dass der Bericht einzelne (frühere) Mitglieder der IRA herausgreift und ihnen angebliche Verstrickung in kriminelle Aktivitäten vorwirft. Schätzungsweise gibt es 10.000 Personen in Irland, die (während des Konflikts) wegen IRA Aktivitäten im Gefängnis waren.

Sollten persönliche Verfehlungen von irgendeinem dieser 10.000 Einzelpersonen als "Beweis" benutzt werden, dass die IRA nicht mehr hinter dem Friedensprozess steht, könnte dies zu einem nicht-endenden Zirkel an politischen Verzögerungen führen und wäre eine unzumutbare Last für die republikanische Führung.
(Die jahrelange Konzentration der Friedensgegner innerhalb der Unionisten und des britischen Nordirlandministeriums auf die IRA hat genau dieses Ziel verfolgt. Das hat ihnen die IRA im Herbst 2005 durch ihre Waffenvernichtungsaktion im "Alleingang" entzogen.)

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Nach fast 40 Jahren, in denen die unionistische Führung die IRA für alle Wunden Nordirlands verantwortlich gemacht hat und in denen sie die IRA als Begründung für ihre Weigerung, mit Republikanern zu verhandeln, vorgeschoben hatte, scheint die IRA jetzt die Bühne verlassen zu haben.

Als die IRA im August 1994 ihren Waffenstillstand bekannt gab, nannte der damalige Chef der Ulster Unionist Party, James Molyneaux, dies das "am schlimmsten destabilisierende Ereignis der letzten 70 Jahre in Nordirland.""


30. April 2006, von Colm Heatley

Die letzten Jahre über war der Friedensprozess bekannt für die genaue Planung der Ereignisse, die sorgfältig abgestimmten Statements und Aktivitäten, die ihn in kritischen Situationen vorwärts gebracht haben.

Der Bericht der Independent Monitoring Commission (IMC) von letzter Woche ist Teil dieser Choreographie.

Von Bertie Ahern als das bis dahin positivste Statement beschrieben, von London und Washington begrüsst, erklärt der 10. Bericht der IMC, dass die IRA sich dem Frieden verpflichtet sehe und "beachtliche Anstrengungen" unternommen habe, dieses Ziel zu erreichen. Der Bericht behauptet aber, dass einzelne Mitglieder der IRA in individuelle kriminelle Aktivitäten verstrickt seien.

Nichts desto trotz, der positive Tenor soll dazu dienen, eine positive Stimmung für eine schnelle Folge wichtiger politischer Initiativen zu erzeugen, die in 14 Tagen beginnen. Der positive Bericht soll den Druck auf die DUP erhöhen, mit Sinn Fein zusammenzuarbeiten. Seiner Veröffentlichung ging eine Rede des britischen Nordirlandministers Peter Hain voraus. Es war noch keine 48 Stunden her, seit er den Unionisten gesagt hatte, sie könnten nicht länger die IRA als Entschuldigung dafür benutzen, den politischen Fortschritt aufzuhalten. "Ich denke nicht, dass noch ein Politiker mit der Entschuldigung, die IRA stelle eine terroristische Bedrohung dar, sich einer Koalitionsregierung verweigern kann," sagte er.

Der DUP Chef Ian Paisley, der normalerweise jede Anschuldigung gegen Republikaner aufgreift, sagte, der Bericht der IMC bestätige den Erfolg der DUP Stategie, "die IRA zu zähmen". Wäre der Bericht negativ ausgefallen, hätte dies den Plan der beiden Regierungen, das Regionalparlament wieder einzusetzen, behindert. Dies hätte den politischen Fortschritt in weite Ferne geschoben.

In den nächsten Monaten werden die Politiker Nordirlands und die beiden Regierungen einige schwierige Entscheidungen zu treffen haben, um den Plan umzusetzen und den Druck auf die DUP zu maximieren, im November einer gemeinsamen Regierung zuzustimmen.

Eine wichtige Rolle wird der nächste IMC Bericht spielen, der genau eine Woche vor dem 24. November, dem Ende der Frist für die Bildung der gemeinsamen Regierung, veröffentlicht werden soll. Wenn das Regionalparlament sich am 15. Mai trifft, wird es voraussichtlich nicht in der Lage sein, eine gemeinsame Regierung zu wählen, da die DUP sich dem widersetzt.

Das Regionalparlament wird 6 Wochen Zeit haben, dann wird es für die Dauer der "Oranier-Marschsaison", der politisch problematischsten und explosivsten Zeit in Nordirland, suspendiert. Im Juli und August stehen eine Reihe umstrittender Märsche der Oranier Orden entlang der Interface-Bezirke in Ardoyne und West Belfast, aber auch in anderen Orten der sechs Grafschaften (Nordirlands) an.

Letztes Jahr hatte eine Umleitung des Oranier Marsches weg von der irisch-nationalistischen Springfield Road in West Belfast zu einer Woche gewaltsamer Zusammenstösse zwischen Unionisten und Polizei geführt. Bei den Läden in Ardoyne gab es Zusammenstösse zwischen nationalistischen Demonstranten und loyalistischen Marschierern. In diesem Sommer wird es wichtig sein, dass solche Zusammenstösse verhindert werden oder wenigstens nicht eskalieren, wenn eine positive Atmosphere erhalten bleiben soll.

Es gibt bereits Signale, dass Vertreter der Oranier Orden zum ersten Mal bereit sein könnten, sich direkt mit den Anwohnern der irischen Viertel zusammenzusetzen, um einen Kompromiss zu diskutieren. In der Vergangenheit hatten DUP und UUP die Marschsaison benutzt, um protestantische Furcht vor einer gemeinsamen Regierung zu schüren. Die Hoffnung ist nun, dass der Dialog ein solches Szenario verhindern kann. Der IMC Bericht der letzten Woche porträtierte die Führung der IRA als komplett dem Friedensprozess verpflichtet und bemüht um die Unterstützung ihrer Anhänger. Das alleine wird nicht genug sein, Unionisten zu überzeugen, dass die IRA nicht länger aktiv ist. Aber zusammen mit dem Fokus auf den Neubegin des Regionalparlaments und auf einen Deal zur Zusammenarbeit in einer Regierung war der IMC bericht der bestmögliche Start der politischen Roadmap.

Republikaner sind beunruhigt darüber, dass der Bericht einzelne (frühere) Mitglieder der IRA herausgreift und ihnen angebliche Verstrickung in kriminelle Aktivitäten vorwirft. Schätzungsweise gibt es 10.000 Personen in Irland, die (während des Konflikts) wegen IRA Aktivitäten im Gefängnis waren.

Sollten persönliche Verfehlungen von irgendeinem dieser 10.000 Einzelpersonen als "Beweis" benutzt werden, dass die IRA nicht mehr hinter dem Friedensprozess steht, könnte dies zu einem nicht-endenden Zirkel an politischen Verzögerungen führen und wäre eine unzumutbare Last für die republikanische Führung.

In der Zeit bis November wird eines der wichtigsten Ziele der Republikaner sein, sicherzustellen, dass die IMC, deren Legitimität sie nicht anerkennen, nichts Negatives zu berichten hat.

Das Hauptintention des letzten Berichts und auch der Rede von Hain vom letzten Sonntag ist es, der unionistischen Führung eine Entscheidung abzuverlangen.

Nach fast 40 Jahren, in denen die unionistische Führung die IRA für alle Wunden Nordirlands verantwortlich gemacht hat und in denen sie die IRA als Begründung für ihre Weigerung, mit Republikanern zu verhandeln, vorgeschoben hatte, scheint die IRA jetzt die Bühne verlassen zu haben.

Als die IRA im August 1994 ihren Waffenstillstand bekannt gab, nannte der damalige Chef der Ulster Unionist Party, James Molyneaux, dies das "am schlimmsten destabilisierende Ereignis der letzten 70 Jahre in Nordirland."

Wenn das Regionalparlament sich im September wieder trifft, hat es 12 Wochen Zeit, eine gemeinsame Regierung zu wählen. Zweifelsohne wird dies eine Zeit intensiver Verhandlungen aller politischen Parteien.

Und für die Unionisten könnten diese Verhandlungen in dem Bewusstsein stattfinden, dass bestätigt ist, dass die IRA vollständig im Hintergrund verschwunden ist. Damit ist die älteste Ausrede der Unionisten für ihre Weigerung, mit Republikanern zusammenzuarbeiten, verschwunden.


Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/ 30. April 2006

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