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20. October 2005

Sinn Féin Präsident Gerry Adams MP in Südafrika

"Wir wollen in Irland dasselbe, was Ihr in Südafrika erreicht habt.
Wir wollen unsere Freiheit.
Es ist meine Überzeugung, dass wir dies erreichen können.
Wie Ihr hierzulande sagt: 'freedom in our lifetimes'."

Ich möchte über den irischen Friedensprozess reden, aber zuvor einige Dinge zur internationalen Situation sagen. Irische Republikaner waren immer schon solide Internationalisten - wir haben unsere Wurzeln in der französischen Revolution und im amerikanischen Freiheitskampf. Unsere zentrale politische Überzeugung ist das Recht jedes Menschen, freie Bürger zu sein - befreit, befähigt, seine Interessen durchzusetzen und gleichberechtigt.

Die Gründer des irischen Republikanismus sahen sich als Weltbürger und der irische Freiheitskampf war für sie Teil des weltweiten Kampfes der Menschheit. Das ist auch heute noch die Überzeugung von Sinn Fein.

Für uns ist der grosse, internationale Kampf unserer Zeit ein Kampf um demokratische Kontrolle der Menschen über die Entscheidungen, die ihr Leben beeinflussen. Wir wollen freie Nationen, die gleichberechtigt miteinander arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen.

Das heisst, die grossen sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Probleme, vor denen wir stehen, in Kooperation zwischen den Nationen anzugehen. Eine echte menschenwürdige Entwicklung erfordert internationale Kooperation. Sie erfordert eine strategische Partnerschaft der entwickelten Welt mit der sich entwickelnden Welt. Nicht als einen Akt der Mildtätigkeit, sondern als Teil unserer Verantwortung und unserer Verpflichtung gegenüber anderen Menschen.

Die Probleme dieses Kontinents sind ein Resultat des Kolonialismus. Die Menschen in Irland verstehen das. Wir waren Englands erste Kolonie. Damit haben wir eine natürliche Affinität zu anderen kolonialisierten Ländern rund um den Erdball. Wir sind hocherfreut, den Verfall der alten Kolonialmächte zu sehen, aber wir sind uns bewusst, dass diese alten Mächte neue Wege suchen, ihre früheren Kolonien auszubeuten. Wir sind uns bewusst, dass die reichen Länder des Westens deswegen reicher werden, weil eine Milliarde Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag lebt. Elf Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jährlich von Krankheiten, die vermeidbar sind.

Wir wissen, dass die Armen am meisten unter Umweltkatastrophen leiden. Viele dieser Katastrophen wurden durch die Umweltpolitik der reichen Länder verursacht. Wir wissen, dass die Grossmächte sich nicht global verantwortungsvoll verhalten. Wir wissen, dass mehr Geld in Rüstung und militärische Projekte fliesst, als in die Unterstützung eines gerechten Handels.

Aber wir glauben, dass eine andere Welt - eine Welt aus gleichberechtigten Menschen - möglich ist. Dies erfordert vereinigte Nationen, deren Taten die wirklichen Bedürfnisse und Interessen der Menschen weltweit wiederspiegeln. In anderen Worten, unsere Anstrengungen zu Reform und Demokratisierung müssen weitergehen.

Wir sind der Meinung, Kriege müssen aufhören, eine Einigung im Mittleren Osten ist nötig, die Besetzung des Irak muss ein Ende finden.

Wir sind der Meinung, dass die Schulden der Entwicklungsländer gestrichen werden müssen. Wir sind der Meinung, dass Armut erfolgreich bekämpft werden kann.

Wir sind der Meinung, dass das Thema internationale Sicherheit nicht länger durch eine rein militaristische Agenda, die demokratische Rechte und Bürgerrechte in etlichen Ländern angreift, angegangen werden darf und es endlich Zeit ist, sich mit den wirklichen Gründen von Unsicherheit in der Welt zu befassen.

Wir sind der Meinung, die globale Wirtschaft muss reorganisiert werden, um den entwickelnden Ländern die Freiheit zu geben, sich sozial und wirtschaftlich zu entfalten - ihre eigenen Ressourcen zu verwalten und von den entwickelten Ländern einen fairen Preis für ihre Produkte zu erhalten.

All das ist eine riesige Herausforderung. Manche mögen es für utopisch halten. Aber vor zwanzig Jahren wurden die Ziele Eueres Freiheitskampfes mit denselben Worten abgetan. Aber diese Ziele waren erreichbar und Ihr wart durch grossen Einsatz und mit grossen Opfern der Menschen in diesem Land erfolgreich.

Das bringt mich zum zweiten Teil der Anmerkungen, die ich heute machen wollte. Wir können die Welt verbessern, indem wir unsere eigenen Länder, unsere eigenen Regionen verbessern.

Keiner hier sollte daran zweifeln - das Ende der Apartheid hat einen grossen Beitrag dazu geliefert. Natürlich muss viel mehr getan werden, aber die progressiven und freiheitsliebenden Menschen auf der ganzen Welt sind den Menschen in Südafrika zu grossem Dank verpflichtet.

Ihr seid ein Beispiel für uns alle.

Gestern, am 19. Oktober habt ihr den Medien-Freiheitstag gefeiert. An diesem Tag im Jahre 1977 verbot das Apartheidregime 18 Anti-Apartheidsgruppen und zwei Zeitungen.

Am 19. Oktober 1988 erliess Margaret Thatcher das "Fernseh-Verbot" - die Zensur von Sinn Fein in Irland. (Sinn Fein Politiker durften nicht im Fernsehen reden).

Ich habe diese zwei Daten erwähnt, damit wir beurteilen können, wie viel Fortschritt wir seither erzielt haben. Es bringt mich ausserdem - Ihr seid vermutlich froh darüber - zurück zu Irland und zum irischen Friedensprozess.

Wir haben grosse Fortschritte gemacht, aber wir haben noch keine wirkliche Übereinkunft. Irland, ein kleines Land mit etwas mehr als 5 Millionen Menschen, bleibt gespalten, der unionistische Teil der Menschen weigert sich, gemeinsam mit uns eine Regierung zu bilden und die politischen Institutionen, die unter dem Karfreitagsabkommen aufgesetzt wurden, wurden von der britischen Regierung suspendiert. Dies war ein klarer Bruch des Abkommens.

Trotzdem gibt es allen Grund für Optimismus. Der Friedensprozess ist eine Reise. Die Meilensteine dieser Reise reichen vom Waffenstillstand der IRA im Jahre 1994 bis zur letzten IRA-Initiative, mit der sie ein Ende ihres bewaffneten Kampfes verkündete und ihre Waffen unbrauchbar machte.

Gestern beschrieb Präsident Mbeki dies als historischen Schritt der IRA und als strategischen Beitrag, den Weg zurück zu einer gemeinsamen Regierung zu öffnen.

Ich danke Präsident Mbeki für seine Unterstützung und seine ermutigenden Worte. Der ANC war über lange Jahre eine klare Hilfe für unseren Konfliktlösungsprozess. Madiba (Nelson Mandela) hat uns aktiv unterstützt. Euere Verhandlungsführer nahmen sich die Zeit und gaben ihre Erfahrungen an uns weiter. Präsident Mbeki hat uns in gleichem Maße unterstützt.

Viele Euerer Führer haben uns in Irland besucht. Minister Ronnie Kasrils kommt nächste Woche. Genossen wie Cyril Ramaphosa sind viele Male nach Irland gereist. Wie auch Roelf Meyer. Ich habe in hier wiedergesehen und ihm gratuliert, wie gut er aussieht.

Seine Antwort fasst für mich Euere Errungenschaft zusammen: "Ich geniesse meine Freiheit", sagte er. Die nächste Phase des Friedensprozesses hält zwei grosse Herausforderungen für Sinn Fein bereit. Die eine ist, die britische Regierung nicht von der Erfüllung ihrer Zusagen abweichen zu lassen. Die zweite ist, das Übel des "sectarianism" (des religiös verbrämten Rassismus) an der Wurzel zu packen und eine neue Beziehung zwischen dem Unionismus und uns anderen aufzubauen.

Präsident Mbeki sagte dazu gestern:

"Es kann sein, dass Unionisten Angst davor haben, was sie durch diese Änderungen verlieren könnten. Sie waren spezielle Privilegien gewohnt. Die Erfahrung dieses Landes zeigt genau dasselbe. Die weisse Minderheit hatte Angst vor einer Veränderung, weil sie Angst hatte, Dinge zu verlieren. Aber nun, elf Jahre danach, sagen sie: 'wir haben nicht das verloren, was wir befürchteten zu verlieren'. Wir alle sind glücklicher. Wir sind freier. Wir sind sicherer. Wir sind reicher.

Ich denke, es ist die Verantwortung eines jeden, voranzugehen und Unionisten und Republikaner aufeinander zugehen zu lassen.

Wenn wir diesen Friedensprozess in Irland voranbringen, werden Menschen, die vorher Befürchtungen hatten, feststellen, dass die Zukunft für jeden um ein vielfaches besser wird. Es ist erreichbar. Es muß erreicht werden. "

Dem stimme ich zu. Wir können von Euerem Prozess der nationalen Versöhnung lernen und ich bin hocherfreut, dass der Präsident und der Aussenminister Zuma hier helfen wollen, falls es nötig wird.

Der Prozess der Veränderung in Irland ist langsam. Sinn Fein feiert dieses Jahr ihrem 100. Geburtstag - an Cead.

Damals gab es bereits Verbindungen zwischen uns. Arthur Griffith (der Gründer Sinn Feins) lebte hier zwei Jahre zu Beginn des letzten Jahrhunderts. John Mac Bride, der später 1916 von den Briten hingerichtet wurde, kämpfte auf der Seite der Boers gegen die Briten.

Roger Casement, später ebenfalls von den Briten hingerichtet, engagierte sich stark in Afrika und machte das Leid der Menschen im damaligen Belgisch Kongo öffentlich. Als Terence Mac Swiney, der damalige Bürgermeister von Cork, im Hungerstreik im Oktober 1919 starb, sendete der ANC Solidaritätsgrüsse zu Sinn Fein. Unsere Gemeinsamkeiten reichen weit zurück und es ist gut, hier zu sein, und sie zu erneuern und zu stärken.

Wir wollen in Irland dasselbe, was Ihr in Südafrika erreicht habt.

Wir wollen unsere Freiheit.

Es ist meine Überzeugung, dass wir dies erreichen können.

Wie Ihr hierzulande sagt: 'freedom in our lifetimes'."

Wir wünschen Euch alles Gute bei der Lösung der vielen Probleme, denen ihr gegenüber steht. Wir freuen uns über Eueren Erfolg und sind zuversichtlich, dass Ihr weitere Fortschritte macht.

Eine bessere Welt ist möglich.

Wie ich am Anfang sagte, nicht zuletzt wegen Euch.


Übersetzung: Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, 30. Oktober 2005 (Erläuterungen in Klammern)
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