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Sinn Fein News, 14. Oktober 2005

Nachruf:

Fógraí Báis: Brian Campbell 1960 - 2005
"Er war Dichter, Schriftsteller, Dramatiker, IRA Freiwilliger, politischer Gefangener, politischer Aktivist, Freund, Partner, Ehemann, Vater und ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft.

Wir werden Dich vermissen, a chara (Freund), aber wir sind reicher, weil Du eine Zeit lang unter uns warst."

Brian Campbell war nicht der Mann der dramatischen Auftritte. Er war auch nicht einer, der ständig Redebeiträge lieferte, um das zu wiederholen, was drei Sprecher vor ihm gerade gesagt hatten. Aber er war derjenige, den dem man hinterher nach seinen Gedanken fragte, wie man das Projekt vorwärts bringen könnte. Man konnte sicher sein, eine gute Antwort zu erhalten. Und nicht nur Gedanken, sondern auch Notizen, denn für Brian gehörten Kugelschreiber und Notizblock als notwendige Utensilien zur Kleidung.

Wir haben gemeinsam über die Jahre an etlichen kreativen Projekten gearbeitet, zuerst im Gefängnis und dann ausserhalb. Als wir 1987 in den H-Blocks mit Lyrik-Arbeitskreisen begannen, war Brian ein eifriger Teilnehmer. Er sammelte seine Gedichte in einem kleinen Band mit dem Titel "Scairt Amach" (Aufschrei). Als wir 1989 An Glór Gafa (die Stimme der Gefangenen) gründeten, wurde Brian der erste Herausgeber. Er machte daraus ein qualitativ hochwertiges Magazin, dessen Inhalt ausschliesslich von republikanischen Gefangenen gestaltet wurde. Es wurde regelmässig herausgegeben bis kurz vor Schliessung des Gefängnisses im Jahre 2000 (im Zuge des Karfreitagsabkommens wurden alle politischen Gefangenen entlassen).

Bevor er das Gefängnis verliess, schrieb Brian das Buch "Nor Meekly Serve My Time: the H-Block Struggle 1976-1981", für das er auch als Mitherausgeber fungierte. Das Buch sammelt die Berichte von 28 Gefangenen, die in den Schmutzprotest und die Hungerstreiks involviert waren. Auch nach seiner Freilassung haben wir weiterhin gemeinsam an Projekten gearbeitet: H3, der Film über den Hungerstreik, und zwei weitere Dramen, "The Laughter of our Children" und "A Cold House", beide wurden von Dubbeljoint aufgeführt. Brian hat auch alleine produziert: "Des", über das Leben von Father Des Wilson, und "Voyage of no Return" (ein Drama über den Rassismus irischer Auswanderer in Jamaica während der Kolonialzeit), beide ebenfalls von Dubblejoint aufgeführt. Sein Radiowerk "Tiger Leaping Gorge" wurde von BBC Radio 4 ausgestrahlt und letzte Woche war er damit beschäftigt, ein neues Stück für Dubblejoint abzuschliessen.

Für Brian gab es immer ein Projekt und eine seiner grössten Stärken lag in der Fähigkeit, nicht nur eine Vision des Ziels zu haben, sondern die praktische Fähigkeit zu besitzen, es umzusetzen. Kein Projekt war ihm zu gross. Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt und für Brian war immer der erste Schritt, ein paar Notizen auf ein Blatt zu kritzeln. Manchmal waren das nur einzelne Worte, oder Phrasen, die später überarbeitet wurden und eine politische Strategie, eine Presseerklärung, ein Theaterstück, einen Film oder einfach ein Gedicht ergaben.

Bobby Sands schrieb einmal 'Die Künstler haben kein Herz mehr'. Nun, Brian hatte ein Herz. Er hatte ein grosses Herz, das kräftig schlug — bis es letzten Samstag vormittag plötzlich aufhörte zu schlagen. Für Brian gab es keinen Unterschied zwischen Kunst und Politik. Sie waren ineinander verwoben und er konnte mit beiden hervorragend umgehen. Für ihn existierte Kunst in der realen Welt. Überall. Er hatte sie nicht zu erfinden oder die Realität wegen ihr zu verzerren. "Es gibt nichts Dramatischeres als das Leben der Menschen im Befreiungskampf", würde er sagen.

Aber nie war er blosser Propagandist, der am laufenden Band irgendwelche leeren Phrasen produzierte. Er verabscheute dies genauso sehr wie überflüssige Worte oder überholte Clichés. Für Brian gab es für jedes Wort, das er schrieb, einen Grund. Dies war untermauert mit leidenschaftlichen, tiefen Überzeugungen. Es gab in seiner Welt keinen Platz für Verbalrepublikanismus der Sorte 'wrap the green flag round me'. Für Brian hiess Republikanismus, Essen auf den Tisch der Hungernden zu stellen, Bildung für die Jugend zu organisieren, ordentliche Krankenhäuser und medizinische Versorgung für die Kranken und vor allem, Diskriminierung zu beenden, egal gegen wen sie gerichtet war. Sein Ideal war, eine Gesellschaft zu schaffen, in der sich alle Menschen gleichwertig gegenüberstehen. Seine Überzeugungen galten dem hier und jetzt genauso wie der Zukunft.

Und dafür arbeitete er. Von 1996-1999 als Herausgeber der An Phoblacht. Er brachte der Zeitung seine Präzision als Herausgeber, sein Interesse an lokalen und globalen Ereignissen, sein Interesse an Kommentaren zu Individuen, zu sozialen und politischen Themen. Ab 1998 arbeitete er lokal in Newry und South Armagh als Teil des Strategieteams, Sinn Fein in dieser Gegend aufzubauen. Seine grösste Genugtuung war, zu sehen, wie Conor Murphy, ein enger persönlicher Freund, für den er grössten Respekt hatte, zum MP (Member of Parliament, Abgeordneter für Westminster) für die Region gewählt wurde.

Und genauso, wie seine Politik mit seiner Kunst verwoben war, so reflektierte auch sein persönliches und soziales Leben, sein Zuhause, beides. Er hatte immer Zeit für seine Freunde, für seinen bevorzugten Sport Fussball, für sein lokales Team "die Mitchels", für die er sich auch als Trainer und Manager engagierte. Neben allen Aktivitäten war er ein guter Vater für seine beiden Kinder Niall und Mairéad und ein engagierter und liebevoller Partner seiner Frau und Lebensgefährtin Gráinne.

Brian Campbell war nicht der Mann der dramatischen Auftritte, aber sein Tod am letzten Samstag hinterliess tiefe Spuren im ganzen Land und darüber hinaus. Denn Brian ergiff von Dir Besitz, bis Du eines Tages plötzlich festgestellt hast, dass er Dir nicht nur wichtig ist, sondern zu einem bedeutenden Teil von Dir geworden ist.

Anders als beim Schreiben gibt das Leben uns keine Chance für eine Überarbeitung, für einen zweiten oder dritten Entwurf. Es ist so, wie es zuerst hingeschrieben wurde. Brian füllte diese Seiten während seines leider allzu kurzen Lebens und hinterliess ein eindrucksvolles Zeugnis der Vielfalt und der Tiefe des Republikanismus und dessen, was wir erreichen können. Er war Dichter, Schriftsteller, Dramatiker, IRA Freiwilliger, politischer Gefangener, politischer Aktivist, Freund, Partner, Ehemann, Vater und ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft.

Wir werden Dich vermissen, a chara (Freund), aber wir sind reicher, weil Du eine Zeit lang unter uns warst.

Laurence McKeown


Übersetzung: Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, 19. Oktober 2005 (Erläuterungen in Klammern)
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