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Irish News, 15. September 2005


Unionisten müssen sich mit Sinn Féin an einen Tisch setzen

Martin McGuinness, Sinn Féin, Abgeordneter und SF Verhandlungsführer

Realität ist, dass die Spannung und die Instabilität in den unionistischen Vierteln von einem politischen Vakuum herrührt, das unionistische Politiker erzeugt haben und das nun durch loyalistische Gewalt gefüllt wird. ... Einflussreiche unionistische Politiker suchen offen den Schulterschluss mit den loyalistischen Gewalttätern, indem sie die jüngste religiös verbrämte rassistische Gewaltwelle rechtfertigen und entschuldigen. Hartnäckig wird die Realität geleugnet, dass nämlich die grösste Bedrohung der unionistischen Viertel von den kriminellen Aktivitäten und den religiös-rassistischen Gewalttaten der loyalistischen Paramilitärs kommt. Hierzu bewahren die unionistischen Führer ein seltsames und völlig uncharakteristisches Schweigen.


Die historische Initiative der IRA, (die Ende Juli das Ende ihres bewaffneten Kapfes verkündet hatte), hat neuen Optimismus hervorgerufen und die Erwartung geweckt, dass nun neuer Fortschritt hin zu einem echten Frieden gemacht werden kann. Die Reaktion war fast überall positiv und die Kommentare nach vorn gerichtet. Überall, ausser in der Führungsspitze der Unionisten. Dort war die Reaktion negativ, zynisch und rückwärts gewandt.

Letzte Woche hat sich diese negative Haltung in Gewaltorgien manifestiert, die von unionistischen Paramilitärs organisiert waren. Sie waren ganz klar inszeniert, um Fortschritt zu verhindern und den Friedensprozess in eine neue Krise zu stürzen.

Es ist eine Schande, dass die Führer der unionistischen Parteien diese gefährliche Situation durch Hetzreden und Falschaussagen noch verschärft haben. Insbesondere haben sie behauptet, dass die derzeitige loyalistische Gewalt ihre Wurzeln in der Ungleichheit und der steigenden Benachteiligung der loyalistischen Viertel habe. Dies ist eine Behauptung, die durch nichts belegt ist. Im Gegenteil, alle Erhebungen zeigen, dass die irisch-nationalistischen Viertel nach wie vor unter der festgeschriebenen und institutionalisierten Ungleichheit und Benachteiligung leiden. So sind beispielsweise von den zehn am schlimmsten benachteiligten Vierteln im Norden Irlands sieben überwiegend irisch-nationalistische Viertel, zwei gemischte und nur ein überwiegend unionistisches Viertel. Die reichsten Viertel sind selbstverständlich unionistisch.

Natürlich gibt es Benachteiligung und Armut in den unionistischen Arbeitervierteln und das muss angepackt werden. Aber es ist nicht die Ursache der gegenwärtigen Gewalt.

Realität ist, dass die Spannung und die Instabilität in den unionistischen Vierteln von einem politischen Vakuum herrührt, das unionistische Politiker erzeugt haben und das nun durch loyalistische Gewalt gefüllt wird.

Die unionistischen Parteien haben keinerlei verantwortungsvolle und positive Führung gezeigt. Stattdessen haben sie den Menschen negative und falsche Führung gegeben, die sich an den fehlgeschlagenen und nicht akzeptablen Status Quo klammert. Die politische Führung einiger unionistischer Arbeiterviertel überliessen sie den loyalistischen Paramilitärs. Der schlimme Zustand, in dem diese Viertel zweifelsohne sind, wurde durch den Drogenhandel, die Machtkämpfe (der verschiedenen loyalistischen Banden) und andere kriminelle Aktivitäten der Paramilitärs verstärkt.

Anstatt anzupacken und beispielsweise eine ernsthafte Initiative zu starten, die äusserst konkreten Probleme in ihren Wahlkreisen zu lösen, haben sich die DUP und nun auch die UUP dafür entschieden, den loyalistischen Paramilitärs zu erlauben, ihre negative Agenda umzusetzen. Einflussreiche unionistische Politiker suchen offen den Schulterschluss mit den loyalistischen Gewalttätern, indem sie die jüngste religiös verbrämte rassistische Gewaltwelle rechtfertigen und entschuldigen. Hartnäckig wird die Realität geleugnet, dass nämlich die grösste Bedrohung der unionistischen Viertel von den kriminellen Aktivitäten und den religiös-rassistischen Gewalttaten der loyalistischen Paramilitärs kommt. Hierzu bewahren die unionistischen Führer ein seltsames und völlig uncharakteristisches Schweigen.

Die Führung der Unionisten, repräsentiert von DUP und UUP, behaupten, ihre Wähler hätten keine Stimme. Ist das nicht ihre Verantwortung? Ist das nicht das Resultat ihres Versagens, als Politiker, eine solche Stimme zu sein? Ihr Versagen, positive Führung zu zeigen und ihr Versagen, sich für ihre Wähler einzusetzen.

Die Führung von Unionisten und Loyalisten haben den Friedensprozess als Bedrohung für ihre Viertel dargestellt.

In den Ereignissen des vergangenen Wochenendes konnten wir die Umsetzung - auf dem Level gewalttätiger Aktionen - der Einschätzung von James Molyneaux, des damaligen UUP Chefs, sehen. Molyneaux hatte 1994 den Waffenstillstand der IRA als das am schlimmsten destabilisierende Ereignis seit der Teilung Irlands bezeichnet.

Die Gewalt am letzten Wochenende ist eine Antwort auf die Tatsache, dass der Status Quo nicht länger eine Option ist. Sie ist eine Antwort auf die Unsicherheit des Veränderungsprozesses, der Gleichheit, Menschenrechte, verantwortliche Polizei, Gerechtigkeit und Miteinander fordert. Sie ist eine Antwort auf die langsam dämmernde Realität, dass die Tage der Vorherrschaft, des Triumphalismus und der Apartheid für immer vorbei sind.

Der Friedensprozess dreht sich um Gleichheit und Gerechtigkeit. Er bedroht niemanden, weder Unionisten noch Nationalisten. Er hat unserer Gesellschaft bisher enormen Fortschritt gebracht. Es gab während der letzten zehn Jahre in allen Bereichen enorme Verbesserungen. Natürlich muss noch viel getan werden. Gegen Ungleichheit und Benachteiligung muss vorgegangen werden, wo immer sie sichtbar werden. Aber darum kümmern sich die unionistischen Politiker nicht. Sie interessieren sich mehr für einen religiös rassistischen Marsch über die Springfield Road. Wie um alles in der Welt können die Probleme, die sie in ihren Vierteln sehen, dadurch gelöst oder verringert werden, dass sie einen triumphalistischen Marsch mit Gewalt durch ein irisch-nationalistischen Viertel in Westbelfast durchsetzen?

Die Menschen in den unionistischen Vierteln haben sehr reale und drängende Probleme, vor allem diejenigen, die in den Arbeitervierteln der (Belfaster) Innenstadt leben, die von Loyalisten dominiert sind. Wenn die Führung der Unionisten, repräsentiert durch die DUP und die UUP, sich ernsthaft mit den Problemen der Menschen beschäftigen will, die sie angeblich repräsentiert, dann sollte sie sich endlich mit uns an einen Tisch setzen und die Probleme angehen.

Wir von Sinn Féin haben ein offenes Ohr für solche Sorgen. Wir möchten uns gegen Unterdrückung, Armut und Benachteiligung einsetzen, egal wo sie auftritt. In Sinn Féin finden die Betroffenen einen Verbündeten, der sich für effiziente Lösungen einsetzt und Aktivitäten von der britischen und irischen Regierung einfordert.

Unionistische politische Führer sollten die Schäden, die durch "direct rule" (die Suspendierung der Regionalregierung und Direktherrschaft von London aus) verursacht werden, durch eine Rückkehr zu einer verantwortlichen regionalen Regierung beheben. Sie sollten ein Beispiel dafür geben, dass eine bessere Zukunft nur durch Gleichheit, Kooperation und gegenseitigen Respekt erreicht werden kann. Unionisten der DUP, der UUP oder der Orange Order sollten sich mit uns, mit ihren Mitbürgern, an einen Tisch setzen und mit uns reden. Das ist der beste Weg, die sehr realen sozialen und wirtschaftlichen Probleme anzugehen, die uns in dieser Gesellschaft alle betreffen.


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