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Daily Ireland, 23. August 2005


Was können wir tun, um religiös verbrämte Gewalt zu beenden?

by Anne Cadwallader

Was können wir persönlich tun, um unsere Stimmen gegen diejenigen zu erheben, die hinter der Gewaltwelle dieses Sommers stecken? Im Namen aller, die mit denen mitfühlen, die diese nicht tolerierbare, religiös verbrämte loyalistische Gewalt erdulden müssen, bitte sagt uns, ob es irgendetwas gibt, was wir tun können. Lasst es uns wissen, direkt oder durch eine Person eueres Vertrauens. Es gibt tausende hier, die helfen möchten.


Normale Leute haben ein Gefühl der Hilflosigkeit, wenn etwas wie die derzeitige loyalistische Einschüchterungskampagne wie ein abscheuliches Ungeheuer in würdelöse, nihilistische und blutige Aktionen mündet.

Viele fühlen sich in dieser Woche auch hoffnungslos und wütend angesichts der Meldungen aus Nordbelfast, Nordantrim und anderen Regionen.

Wütend, dass der junge Thomas Devlin, der sein ganzes Leben vor sich hatte, kalt und tot auf dem Friedhof von Armoy liegt. Wütend, dass Katholiken aus ihren Häusern in Ahogill vertrieben werden.

Diejenigen unter uns, die ein Gewissen und ein Gedächtnis haben, werden in späteren Jahren auf den Sommer 2005 mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Scham zurückblicken. Schwer zu verstehen, dass solche Dinge passieren. So wie wir uns an die Holy Cross Blockade von vor vier Jahren erinnern.

Wie können solche Dinge in einer angeblich zivilisierten, westeuropäischen Demokratie passieren? Wären Schwarze, Muslims oder Menschen jüdischen Glaubens betroffen, egal ob in Manchester, Birmingham, Dublin oder Galway, es gäbe einen absoluten Aufschrei.

Wenn es zu nichts anderem nütze ist, dann wenigstens zur Bestätigung, dass der Norden Irlands nicht so ist, wie andere Regionen in den zuvor erwähnten angeblichen westeuropäischen Demokratien. Als ob das einer Bestätigung bedarf.

Polizisten, die Anwohnern Brandschutzdecken aushändigen und ihnen erklären, aus welchem Fenster sie bei einem Angriff am besten flüchten? Es wäre wahnsinnig komisch, wenn es nicht so ernst wäre. Keine Rolle für die Keystone Kops (eine Komödie über unfähige Polizisten).

Dann kommt der Kommentar des Deputy Chief Constable (stellvertretender Polizeipräsident) des Police Service of Northern Ireland (ihr habt richtig gelesen, des einzigen stellvertretenden Polizeipräsidenten, nicht etwa von einem der Assistenz-Polizeipräsidenten, von denen es jede Menge gibt). Auf einem Kurzbesuch in Ahogill, im Blitzlicht der Kameras, informierte uns DCC Paul Leighton, dass es eine grobe Vereinfachung wäre, die UDA-Kampagne in Ahogill als "sectarian" (anti-katholische Hasskampagne) zu bezeichnen.

Oh nein, sagte er, die Gewalt ist auch teilweise darauf zurückzuführen, dass Leute "nicht miteinander auskommen". Also bitte, mit wem genau sind Pat and Patsy McGaughey "nicht ausgekommen", dass sich die (pro-britische Terrororganisation) UDA bemüssigt gefühlt hat, mit Farbbeuteln ihre Wohnzimmerfenster einzuschmeissen?

Vielleicht hatten sie Streit mit dem lokalen UDA Chef über die Frage, wessen Dahlien grösser sind? Vielleicht lag es daran, dass Pat McGaughey zum letzten dorfweiten Morgenkaffeeklatsch mit Tee und Gebäck nicht die richtigen Leute eingeladen hat? Diese Anschuldigung einfach im Raum stehen zu lassen, wie Herr Leighton es tat, nährt den Verdacht, dass dieses total unschuldige katholische Ehepaar in irgendeiner Weise mit der Gewalt zu tun hat, die sie nun aus ihrem Traumalterswohnsitz in Ahogill vertreibt.

Dann gibt es den tragischen Fall des Thomas Devlin. Seine Eltern tragen natürlicherweise die Last einer unvorstellbaren Trauer. Sie weigern sich, nur daran zu denken, dass das Motiv anti-katholischer Hass gewesen sein könnte. Wer kann ihnen das vorwerfen? Es ist schwer genug, wenn nicht gar unmöglich, die Realität zu begreifen, dass der eigene kerngesunde Sohn durch fünf Messerstiche in den Rücken getötet wurde. Ist es nicht völlig unvorstellbar, dass die Angreifer dies nur taten, weil sie in ihm einen Katholiken vermuteten?

Die Polizei aber wird dafür bezahlt, dass sie mit kühlem Kopf ihre Schlüsse zieht. War es nicht Sherlock Holmes, der sagte, wenn man erst einmal alle nicht möglichen Motive für ein Verbrechen ausgesondert habe, ist das was übrigbleibt, die Wahrheit, egal wie unwahrscheinlich sie uns scheint. Der Mord an Thomas war kein Raubüberfall. Thomas und seine Freunde haben die Angreifer auch nicht gereizt. Das Motiv war also auch nicht eine Revanche für eine so empfundene Kränkung. Die Angreifer waren mit Messern in der Nacht um etwa 23.30 in einer Gegend unterwegs, in der es zuvor schon zu anti-katholisch motivierten Übergriffen gekommen war.

Es ist nicht nötig zu wetten, welche Schlüsse Sherlock Holmes wohl gezogen haben könnte, aber es dauerte eine Woche "an Unvoreingenommenheit", bevor die Polizei zu guter Letzt am vorigen Donnerstag bekanntgab, ein anti-katholisches Motiv "sei nicht auszuschliessen". Die meisten Nachbarn der Familie kamen zu diesem grauenvollen Schluss gleich nachdem sie die Nachricht über diesen barbarischen Mord gehört haben.

Warum ist die Polizei so vorsichtig mit einer Aussage zum Motiv? Ist es aus Gründen der Pietät gegenüber den Angehörigen? Verständlich, aber die Polizei hat auch eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, gegenüber den Menschen, die noch am Leben sind, die volle Wahrheit zu erzählen. Oder meinen sie, irgendeine irisch-republikanische Gruppe würde sofort losziehen und einen Protestanten erstechen? Blödsinn.

Die Polizei, ob ihr es glaubt oder nicht, hat über den gesamten Verlauf der Troubles keine Liste der religiös rassistisch motivierten Schiessereien, Bomben, Einschücherungen und Bedrohungen geführt. Die Gleichheitskommission auch nicht. Die Polizei fing im letzten September damit an.

Es blieb der Nicht-Regierungs-Organisation Pat Finucane Centre in Derry überlassen, sich mit ihren minimalen (und nicht-staatlichen) Fördergeldern durch die Zeitungen zu kämpfen und solche Listen zu erstellen (s. Pat Finucane Centre ).

Nichtsdestotrotz stellte mir die Central Statistics Unit der PSNI als ich mein Buch über Holy Cross recherchierte, freundlicherweise eine Liste mit der Anzahl "religiös rassistisch" motivierter Vorfälle, die im Jahre 2001 in Nordbelfast von Loyalisten/Republikanern verübt worden waren, zur Verfügung.

Es war eine sehr informative Liste, widerlegte sie doch loyalistische Behauptungen über republikanische Aggressionen vor und während der Schulblockade. Um kurz bei Holy Cross zu bleiben, es gab damals Meinungsunterschiede zwischen dem lokalen presbyteriansichen (protestantischen) Pfarrer, Norman Hamilton, und seinem Gegenüber in der (ebenfalls protestantischen) Church of Ireland, Stewart Heaney.

Heaney verurteilte den loyalistischen Protest in klaren Worten, weswegen er von einigen Elementen in seiner Gemeinde bedroht wurde. Hamilton widersprach dieser Haltung auf das Heftigste.

"Stellungnahmen von anderen Kirchenleuten", sagte er, "machen es nur schlimmer". Es ist besser, mit den Leuten vernünftig zu reden und zu versuchen, ihnen zu erklären, dass sie ihrem Anliegen nur schaden.

Man kann über beide Haltungen diskutieren, aber ab einem gewissen Punkt, und dieser Punkt ist jetzt erreicht - und zwar sowohl in der loyalistischen Fehde als auch in der Einschüchterungskampagne in Nord Antrim - ist es Zeit für klare Worte. Es kann nicht sein, dass ich die einzige war, die geschluckt hat, als ich die Bilder der presbyterianischen (protestantischen) Pfarrer Jeremy Gardiner and Russell Birney und des (protestantischen) Church of Ireland Pfarrers, Rev Stuart Lloyd sah, die mit mutigem Beispiel vorangegangen sind und die farbverschmierten Stufen der katholischen Kirche Our Lady’s church in Harryville schrubbten.

Als Kirchenleute haben sie ein Beispiel gegeben, aber wir alle tragen Verantwortung. Was können wir als Privatleute tun, um unsere Stimme gegen diejenigen zu erheben, die hinter der Gewaltwelle dieses Sommers stecken?

Im Namen aller, die mit denen mitfühlen, Katholik oder Protestant, die diese nicht tolerierbare, religiös verbrämte loyalistische Gewalt erdulden müssen, bitte sagt uns, ob es irgendetwas gibt, was wir tun können. Lasst es uns wissen, direkt oder durch eine Person eueres Vertrauens. Es gibt tausende hier, die helfen möchten.

Anne Cadwallader ist freie Journalistin, Rundfunkredakteurin und Autorin des Buches "Holy Cross: The Untold Story".


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