Sinn Fein News, 11. März 2005
Es ist falsch, das Friedensangebot der IRA herunterzuspielen
Von Jim Gibney
Als einige sich entschlossen, zur Waffe zu greifen, dann war es deshalb, weil sie keine
andere Alternative gesehen haben.
Aber jetzt gibt es eine Alternative.
Das war eine von mehreren Kernaussagen in der Rede des Sinn Féin Präsidenten Gerry Adams,
die er letztes Wochenende auf dem Sinn Féin Ard Fheis (Parteitag) in Dublin hielt.
Aus meiner Sicht wäre Gerry Adams vor 10 Jahren nicht in der Lage gewesen, eine solche Aussage
zu machen, weil es die Alternative, die er angesprochen hat, nicht gab.
Für Gerry Adams und für Zehntausende irische Republikaner ist die angesprochene Alternative
der Friedensprozess, auch wenn er in derselben Rede diesen Prozess als "derzeit in Scherben"
beschreibt.
Es war nicht nur wichtig, dass Gerry Adams diese Aussage machte, es war genauso wichtig,
sie in den richtigen Kontext zu stellen. Der Kontext ist genauso wichtig wie die Alternative,
auf die er Republikaner hingewiesen hat.
Der von ihm skizzierte Kontext ist die republikanische Begründung für die Existenz der IRA
und die Umstände, unter denen sie die politische Szene verlassen würde. Diese Rahmenbedingungen
hatte die IRA selbst im vergangenen Dezember beschrieben.
Meiner Meinung nach ist es in einer Zeit, in der sich die politische Situation in freiem Fall
befindet, wichtig, dass wir uns an einen der zentralen Anker erinnern, der den Friedensprozess
zusammengehalten hat und dies auch weiterhin tut.
Dieser Anker ist das öffentlich erklärte Kommitment der IRA, einen ehrlichen Friedensprozess
zu unterstützen.
Gerry Adams hat letztes Wochenende völlig korrekt gesagt, man könne die IRA nicht "wegwünschen".
Sie entstand als Antwort auf die britische Herrschaft in Irland, auf sectarian
(religiös-rassistische) Pogrome, politische Morde und britische Gewalt.
Ihre Existenz ist eine unvermeidliche Antwort auf diese gewalttätige Situation, weil die
irische Regierung und irische Politiker in Dublin, deren Aufgabe es gewesen wäre, irische
Bürger im Norden zu verteidigen, schmählich versagten. Sie überliessen die irischen
Nationalisten im Norden der Gewalt eines unionistischen Staates.
Seit 1969 starben hunderte von IRA Mitgliedern im Kampf für Gerechtigkeit und Frieden.
Wie Gerry Adams sagte, gibt es "gerechtfertigten Stolz" unter republikanischen Familien
über ihre Rolle.
Dieser Stolz lebt über die Familiengrenzen hinaus weiter und ist tief im Bewusstsein der
republikanischen Wählerschaft verankert, die irlandweit grösser wird.
Die Tradition des bewaffneten republikanischen Widerstands lässt sich 200 Jahre bis zu
den United Irishmen zurückverfolgen.
Es ist eine mächtige Kraft in der irischen Politik, historisch und auch im aktuellen
Zeitgeschehen.
Die Unterstützung für die IRA in guten wie in schlechten Zeiten hiess, dass die Frage der
Teilung Irlands und das Unrecht der britischen Herrschaft sich nie sehr weit aus dem
Zentrum der irischen Politik entfernte.
Die solide Basis der IRA wurde zweifelsohne durch den Friedensprozess auf eine harte Probe
gestellt, insbesondere in Zeiten schwerer Entscheidungen. Aber die Loyalität der IRA
Unterstützer hat es der Führung möglich gemacht, im Interesse des Friedens etliche
weitreichende und schwierige Entscheidungen zu treffen.
Solche Entscheidungen waren Verkündigung und Einhaltung des Waffenstillstands,
Waffen in drei verschiedenen Aktionen unbrauchbar zu machen und als bemerkenswerteste von allen,
die Erklärung der IRA im letzten Dezember, als sie meiner Meinung nach die Bedingungen
beschrieb, unter denen sie von der politischen Bildfläche verschwinden würde.
Ich denke, es ist es wert, sich diese Bedingungen noch einmal ins Gedächtnis zu rufen,
die sich aus meiner Sicht als planmässige Auflösung der IRA beschreiben lassen.
Im Kontext eines umfassenden Abkommens würde die IRA nach eigener Aussage "in einen Modus
übergehen, der ihre Entschlossenheit wiederspiegelt, den Übergang in eine völlig
friedliche Gesellschaft zu vollziehen". Sie würde alle Mitglieder instruieren, "sich nicht an
Aktivitäten zu beteiligen, die dieses Abkommen gefährden würden". Sie würde diesen Prozess
damit abschliessen, "alle Waffen verifizierbar und vollständig zu vernichten, schnell und falls
möglich bis Ende Dezember.
Als zusätzliche vertrauensbildende Massnahme würde zwei Geistlichen,
einem Protestanten und einem Katholiken erlaubt, als Beobachter bei der Waffengeste anwesend
zu sein.
Betrachtet man die Ereignisse der letzten Monate, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die
Bedeutung des IRA Angebots in der breiten Öffentlichkeit unterging.
Es ist aber ungeheuerlich, dass dieses Angebot von der britischen und irischen Regierung
so gleichgültig behandelt wird.
Und es ist ein Armutszeugnis, dass die Medien diese Entwicklung ignorieren und nicht
analysieren, was sie für die Tradition des bewaffneten Widerstands in diesem Land bedeutet.
Wir stehen an der Schwelle zu neuen politischen Möglichkeiten, wie wir sie in diesem Land
noch nie zuvor hatten.
Die Führung des militärischen Republikanismus hat die Rahmenbedingungen beschrieben, unter
denen sie ihre Aktivisten und Unterstützer dazu auffordern wird, vor einem britischen
Rückzug ausschliesslich friedliche Mittel anzuwenden.
Nun wollen wir von der britischen Regierung und den Unionisten hören, dass auch sie bereit
dazu sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
Ein detaillierter Überblick über den Friedensprozess und den Stand der Verhandlungen:
>>>> 05.03.2005 Sinn Féin President Gerry Adams MP's Presidential Address
(in englischer Sprache)
Übersetzung: Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, 13. März 2005