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Daily Ireland, 22. Februar 2005


Editorial:
Wissenslücke


Es sind keine 12 Jahre vergangen seit Sinn Féin Präsident Gerry Adams den Sarg des IRA-Mannes Thomas Begley trug, dessen Bombe im Oktober 1993 neun Leben forderte und auch ihn selbst tötete. Man könnte meinen, dass manche die Lehren der Vergangenheit sehr schnell vergessen - oder schlicht ignorieren. Als Herr Adams vor ein paar Tagen an einer republikanischen Gedenkveranstaltung in Strabane teilnahm, wurde er zusammen mit etlichen Personen in paramilitärischen Uniformen fotographiert. Dafür wurde er mit vernichtender Kritik bedacht. Aber wäre Herr Adams der Veranstaltung fern geblieben, oder hätte er sie verlassen, wären die Konsequenzen um ein Vielfaches schädlicher als ein paar feindselige Bilder in der Presse.

Die Republikaner in Strabane, die in kompletter paramilitärischer Montur auftraten, hätten genauso einfach weisses Hemd und schwarze Kravatte tragen können. Dass sie es nicht taten, ist ein kleiner aber sprechender Hinweis auf die Stimmung der republikanischen Basis - sie waren mehr an einer trotzigen Botschaft interessiert, als daran, Gerry Adams das Leben einfacher zu machen. Mittlerweile hat der (irische) Justizminister Michael McDowell den Druck verschärft und Gerry Adams, Martin McGuinness und Martin Ferris beschuldigt, Mitglieder des IRA Armeerates (des Führungsgremiums der IRA) zu sein. Allerdings unterstützte Taoiseach Bertie Ahern in diesem speziellen Fall seine Aussage nicht.

Herr McDowell behauptete, er habe als Justizminister Zugang zu Informationen, die andere Regierungsmitglieder nicht notwendigerweise hätten.

Klar haben die Geheimdienste der Republik (Irland) exzellentes Material über Beziehungen führender Sinn Féin Mitglieder zur IRA, weil diese Sinn Féin Mitglieder die IRA regelmässig treffen, um Fragen des Friedensprozesses zu diskutieren.

Das ist kaum ein grosses Geheimnis. Wenn aber die Geheimdienstinformationen so gut sind, dass sie auch wissen, über was die Sinn Féin Führung mit der IRA redet, wenn sie sich treffen - und das impliziert die Behauptung von Herrn McDowell - dann ist es schon seltsam, dass dieses Wissen nicht genutzt wurde, um den Banküberfall auf die Northern Bank, die Geldwäsche und vielfache kriminelle Aktivitäten zu unterbinden, in die nach Behauptung der Dubliner Regierung IRA und Sinn Féin verstrickt seien.

Schon lange ist es ein Phänomen, dass das Wissen der Geheimdienste auf beiden Seiten der Grenze so akkurat und glaubwürdig ist, wenn es verwendet wird, um zutieft rufschädigende Aussagen über Gruppen oder Individuen zu machen, aber eine komplette Wissenslücke vorhanden ist, wenn es darum geht, diese Gruppen oder Individuen daran zu hindern, die kriminellen Aktivitäten auszuführen, in die sie angeblich verstrickt sind.

Übersetzung: Uschi Grandel, http://archiv.info-nordirland.de/, 23. Februar 2005, Text in Klammern dient der Erläuterung
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