home
Sinn Féin News, 7. Februar 2005


Sinn Féin lehnt eine Rückkehr zum Konflikt auf das Schärfste ab

Von Martin McGuinness, MP (Abgeordneter)


Die Führung (der irisch-republikanischen Partei) Sinn Féin lehnt eine Rückkehr zum Konflikt auf das Schärfste ab. Eine solche Rückkehr hätte verheerende Konsequenzen für alle von uns auf dieser Insel. Unsere Priorität für die vor uns liegende Zeit ist die Verteidigung des Friedensprozesses, die Umsetzung des Karfreitagsabkommens und die Wahrung der Integrität von Sinn Féin, sowie der Rechte unserer Wähler, in Übereinstimmung mit den Rechten aller anderen. Die beiden Regierungen (die irische und die britische) müssen sich entscheiden, wo ihre Prioritäten liegen.

Die gegenwärtige Krise begann mit der Weigerung der (pro-britischen) DUP, das im letzten Dezember ausgehandelte, alle ausstehenden Punkte umfassende Abkommen zu unterstützen und in eine gemeinsame Regierung einzutreten. Verleumdungen und falsche Beschuldigungen können diese Tatsache nicht ändern. Was immer die beiden Regierungen dazu bewogen haben mag, sie entschieden sich, die Position der DUP hinzunehmen und seither macht ihre Konfrontationspolitik gegenüner den irischen Republikanern eine schwierige Situation schlimmer.

Eine wohlmeinende Beschreibung der Vorgehensweise der britischen und irischen Regierungen wäre, dass sie die Ereignisse der letzten Monate falsch verstanden haben und dadurch dem Friedensprozess schweren Schaden zugefügt haben. Ich glaube jedoch nicht, dass dies der Fall ist. Dazu sind Bertie Ahern und Tony Blair viel zu erfahrene Politiker und Verhandlungsführer. Dies war nicht einfach eine falsche Interpretation der Entwicklung von Ereignissen , die sie nicht vorhergesehen hatten. Meiner Meinung nach handeln beide Regierungen sehr bewusst in der Hoffnung, die Wahlerfolge Sinn Féins einzudämmen oder gar umzukehren. Sie sehen den Bankraub in Belfast als Möglichkeit, (irische) Republikaner zu verleumden und gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Menschen von dem Debakel abzulenken, das sie aus den Verhandlungen vor Weihnachten gemacht hatten.

Es gibt eine einfache Erklärung für Bertie Ahern's beleidigende und unbegründete persönliche Attacke auf die gesamte Führung von Sinn Féin während der letzten Wochen (Bertie Ahern hatte behauptet, die Sinn Féin Führung hätte im Vorfeld von dem Bankraub gewusst). Er weiss, dass eine starke Sinn Féin im Süden (Irlands) die wirkliche Kriminalität in der irischen Politik entlarven wird. Die Kriminalität der politischen Vetternwirtschaft, die Kultur der Bestechung, ausländische Konten und Steuerbetrug durch die Superreichen der irischen Gesellschaft haben den Menschen in Irland Milliarden an Kosten verursacht, durch endlose Tribunale und entgangene Einnahmen. Bertie Ahern und andere politische Führer in Dublin fürchten die Entschlossenheit von Sinn Féin, denen eine Stimme zu geben, die durch Korruption und Vetternwirtschaft der etablierten Parteien dem politischen System entfremdet wurden. Und er weiss, dass eine starke Sinn Féin ihn und das politische Establishment zwingen wird, ein für alle Mal den Hauptgrund des politischen Konflikts in Irland zu addressieren - die TEILUNG IRLANDS. (Grossbritannien spaltete 1921 die 6 nordöstlichen Grafschaften Irlands - 6 counties - von Irland ab).

Auch Tony Blair fürchtet die Entwicklung Sinn Féins zur politischen Kraft nicht nur im Norden, sondern auch als einzige irische nationale Partei auf dieser Insel. Er erkennt, dass ein irlandweit wachsendes Mandat für Sinn Féin steigende Unterstützung für die irische Wiedervereinigung und die Forderung nach einem Abzug der Briten aus Irland heisst. Gebt Euch da keiner Illusion hin: Tony Blair ist Unionist (also Verfechter einer Union Nordirlands mit Grossbritannien). Als Tony Blair half, das Karfreitagsabkommen zu verhandeln, war seine Hoffnung, dieses Abkommen würde die Stimmenzahl von Sinn Féin einfrieren, SDLP und UUP würden eine Koalition der Mitte bilden und die nordirischen Nationalisten würden sich in ihre Rolle als unterwürfige britische Staatsangehörige fügen und damit Sinn Féin als Bedrohung im Zaum halten.

Das passierte jedoch nicht, statt dessen geschah das Entgegengesetzte. Irische Nationalisten und Republikaner erkannten das Abkommen als Möglichkeit, für die Vorteile eines gesamtirischen Vorgehens zu werben. Mit den ins Leben gerufenen gesamtirischen Ministertreffen, den gemeinsamen Gremien zur Umsetzung von Beschlüssen und verschiedensten Gebieten der Zusammenarbeit sahen mehr und mehr Menschen, welche Unsinnigkeit und welche Verschwendung von Resourcen darin liegt, alles doppelt zu haben. Zwei ökonomische Systeme, zwei Währungen, zwei Systeme der Landwirtschaft, der Erziehung, der Gesundheit und der Infrastruktur auf einer kleinen Insel mit gerade einmal 5 Millionen Menschen machen einfach keinen Sinn.

Die Wähler im Norden und im Süden liessen sich von dieser von Sinn Féin vertretenen Analyse überzeugen und unterstützten sie an der Wahlurne. Irische Einheit stand nun auf der Agenda und eine Methode, sie auf friedlichem Wege zu erreichen, war mit dem Karfreitagsabkommen gegeben. Anstatt wie Tony Blair und die nordirischen Unionisten glaubten, die Union (mit Grossbritannien) zu sichern, führte das Abkommen zu wachsender Unterstützung für die Einheit Irlands und die Unabhängigkeit (von Grossbritannien). Sinn Féin wurde als einzige Kraft gesehen, dies voranzubringen. Das ist der Grund, warum die britische Regierung Sinn Féin daran hindern möchte, die stärkste Partei in Nordirland zu werden. Dass sie dies vorhaben, haben übrigens zwei Vertreter der britischen Regierung, einer ihrer Hauptränkeschmiede Joe Pilling und der britische Nordirlandminister in den Vereinigten Staaten öffentlich gesagt.

Aber ich stelle fest, die Regierungen realisieren, dass ihre Politik der Konfrontation, die sie gegen Sinn Féin fahren, seit Ian Paisley die Chance auf ein Abkommen im letzten Dezember scheitern liess, nicht funktioniert und sogar nach hinten losgehen könnte. Mitchel Mc Laughlin und ich trafen am Freitag den irischen Aussenminister Dermot Ahern in Derry. Ich muss sagen, es war ein sehr herzliches aber auch offenes Treffen. Ich verlies das Treffen mit dem klaren Eindruck, dass die Regierungen darüber nachdenken möchten, wie ihre derzeitige Politik von ihrem festgelegten Ziel abweicht, das Karfreitagsabkommen komplett umzusetzen. Deshalb hoffe ich, dass kühlere Köpfe sich in den nächsten Tagen durchsetzen, wir die ablenkenden Themen hinter uns lassen können, um uns darauf zu konzentrieren, den Prozess wieder in Schwung zu bringen.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Wahrheit über den Bankraub im Dezember irgendwann ans Tageslicht kommen wird. Meine Position hierzu ist völlig klar. Sinn Féin hat nicht die Intention, diejenigen, die dieses Ereignis als Grund benutzen, den Friedensprozess aufzuhalten oder als Bühne für ihre Profilierungswünsche, einfach gewähren zu lassen. Egal ob vor oder nach der Wahl zum britischen Unterhaus, der Friedensprozess muss wieder zusammengefügt werden. Es ist bereits ein grosser Schaden entstanden und es wird unserer gemeinsamen Anstrengung bedürfen, ihn zu reparieren, aber reparieren müssen wir ihn. Die Behauptung der beiden Regierungen, die IRA sei das einzige Hindernis, führt nur zu einer Verzögerung des Prozesses und ist völlig unehrlich. Meiner Meinung nach wird es erst dann Fortschritt geben, wenn der britische Premierminister Tony Blair und der irische Taoiseach Bertie Ahern akzeptieren, dass der Widerstand der (pro-britischen) Unionisten gegen eine gemeinsame Regierung mit irischen Nationalisten und Republikanern und gegen gesamtirische Institutionen den Hauptgrund für unsere derzeitigen Schwierigkeiten darstellt.

Übersetzung: Uschi Grandel, 8. Februar 2005, Text in Klammern dient der Erläuterung
home