Zurück/back    home

Eine Analyse der Wahlergebnisse in Irland:
Der Elefant wird nicht verschwinden

Brian Feeney, Irish News, 16. Juni 2004

Den Experten zuzuhören, die die schleppende Stimmenauszählung in Kings Hall (in Belfast) mit ihren wahlanalysen begleiteten, hatte zeitweise einen surrealen Charakter.

Man hatte den Eindruck, sie saßen in der Studiorunde neben einem riesengrossen Elefanten, den sie geflissentlich ignorierten. Man könnte lauthals loslachen.

Sie diskutierten gelehrt darüber, ob und wann die DUP wohl in direkte Gespräche mit Sinn Fein einwilligen würde. Was sie anbieten könnte, was sie akzeptieren würde.

Ob wohl Sinn Fein und die DUP bis nach den nächsten Wahlen zum britischen Unterhaus, und damit auf die nächste drohende Niederlage von SDLP und UUP warten würden. Sie würden uns allen damit erlauben, Trimble's Demütigung anzusehen, wie er seinen Sitz verliert und allein, ohne Tanzpartner, aus Portadown hinaustänzelt, wo er sich 1995 so beschämend aufgeführt hatte. (Nach einem Marsch der Oranier Orden über die Garvaghy Road hatte er mit Ian Paisly auf der Strasse getanzt.)

Alles ganz richtig, aber sie sehen immer noch nicht den Elefanten mitten im Raum.

Werte Leser, all diese Analysen sind nordirisches regionales Geplapper. Der Elefant im Raum ist das Wahlergebnis von Sinn Fein in der Republik.

Das letzte Wochenende hat die irische Politik grundlegend verändert, und zwar mindestens für die nächste Generation. Wie der Taoiseach (Bertie Ahern) zugab, hat Fianna Fail verloren und Sinn Fein gewonnen. Sinn Fein ist damit auf der nationalen Bühne angekommen. Mit Sicherheit wird SF innerhalb der nächsten zehn oder vielleicht schon acht Jahre in der Regierung in Dublin sitzen.

Das ist der Zeitplan: sie haben bereits fünf Abgeordnete. In den nächsten Wahlen zum irischen Parlament wird sich diese Zahl mindestens verdoppeln. Das ist etwa in drei Jahren. Es kann auch früher sein, aber Bertie Ahern wird sich nach den katastrophalen Ergebnissen dieser Wahlen nicht so schnell in eine neue Wahl stürzen.

Also sagen wir, die Wahl wird 2007 stattfinden und SF zehn Sitze erringen. Fine Gael und Labour werden sich mit ein paar PDlern zusammentun, falls die dann überhaupt noch da sind, um SF von der Regierung fernzuhalten.

Im Jahre 2012, dem Zeitpunkt der darauffolgenden Wahl, wird es so viele Sinn Fein Abgeordnete im zweistelligen Bereich geben, dass es zu viele sind, um sie auszugrenzen. So ähnlich wie Dick Springs Labour Partei in den späten 80ern und frühen 90ern. Man kann keine Regierung ohne sie bilden.

Über den genauen Zeitpunkt lässt sich streiten und auch über die absoluten Zahlen. Aber nicht darüber, dass es so kommen wird: es wird so kommen. Spätestens bis zur nächsten Wahl im Jahre 2007 wird sich die IRA in eine Vereinigung alter Kameraden gewandelt haben.

Aber warum sollten sie das tun? Wie Gerry Adams am Montag sagte, bestätigen die Wahlergebnisse im Norden und im Süden "Sinn Feins Friedenspolitik". Das ist eine Kurzform der Aussage, dass es der republikanischen Bewegung mehr nutzt, keinen bewaffneten Flügel mehr zu haben. Wer kann jetzt noch ernsthaft dagegen argumentieren?

Was bedeutet das alles für Nordirland? Dass es für die DUP höchste Zeit wird, sich zu entscheiden, das heisst es. Ein Mass für den Schock (des DUP-Kandidaten) Jim Allister ist die schiere Hysterie seiner würdelosen Ansprache zum Wahlsieg.

Da stand einer, der genau versteht, was der Durchbruch von Sinn Fein in der Republik bedeutet. Wenn die DUP ihre derzeitige starke Position nicht nutzt und sich nicht bald auf einen Handel mit SF einlässt, wird sie sehr bald mit einer irischen Regierung zu tun bekommen, in der SF Koalitionspartner ist oder die zumindest unter starkem Druck von SF im (irischen Parlament) Dail steht.

Es mag schon sein, dass die DUP ihre Position in den Wahlen zum britischen Unterhaus 2005 konsolidieren möchte, Trimble, den sie wirklich verachten, sozusagen den letzten Schlag versetzen. Vielleicht kalkulieren sie auch mit einem geschwächten Tony Blair, der mit reduzierter Mehrheit vielleich auf ihre Stimmen angewiesen sein könnte.

Mag sein. Das heisst aber immer noch, dass 2006 die letzte Chance für die DUP ist, einen Deal im Sinne des Unionismus auszuhandeln. Leute wie Robinson und Dodds sind sich durchaus bewusst, was massgeblich Schuld am Niedergang des Unionismus über die letzten vierzig Jahre trägt. Sie wissen genau, dass jedesmal, wenn Unionisten den Verhandlungstisch verlassen haben, beim nächsten Mal weniger für sie auf dem Tisch lag.

Wenn man je einem Menschen angehört hat, dass er sich in die Enge getrieben fühlt, war das Allister mit seiner Schimpfkanonade am Montag in der Kings Hall. Sinn Feins Wandel zu einer irlandweiten Kraft bei Wahlen hat dem Unionismus deutlicher als irgendwann seit 1921 gezeigt, dass er eine Minderheit auf dieser Insel ist.

Als Allister seine Beschimpfungen, die er mit "Hört genau zu" einleitete, gegen alle und jeden richtete, gab er das Bild eines Mannes ab, der mit dem Rücken zur Wand steht. Es war ein Schrei nach Hilfe, ein Eingeständnis politischer Schwäche.

Solch lautstarkes Geschrei wie das von Allister mag manche Leute denken lassen, es gäbe keine Chance für einen Deal, dass die Stärke der DUP dies unmöglich mache.

Der richtige Weg, die Wahlergebnisse zu betrachten, ist, dass Sinn Feins starkes Abschneiden im nationalen Rahmen der DUP zeigt, dass sie keine andere Wahl hat, als sich mit SF zu einigen, bevor Sinn Fein in der Lage ist, mit der britischen Regierung als irische Kabinettsmitglieder zu verhandeln.

Wie schon John Mayor nach seiner Wahl zum Premierminister sagte: "Nun, wer hätte das je gedacht?"


Zurück/back    home