Sunday Business Post, 25. January, 2004


Wer bekommt die geheimen Armeen im Norden in den Griff?

- von Tom McGurk , 25.1.2004 -

Gott sei Dank gibt es neben dem derzeitigen politischen Chaos im Norden immer noch den Post-Friedensprozess-Wohlfühlfaktor.

Es gibt Jobs und Wirtschaftswachstum, Belfast verändert sein Gesicht täglich unter den Baukränen der Wirtschaftsplaner.

Gott sei Dank sind die morgendlichen Radionachrichten mit Schreckensmeldungen über Tote und Zerstörungen endgültig vorbei. Auch die einstmals für unvorstellbar gehaltene Auflösung des paramilitärischen Flügels der Republikaner schreitet voran; und nun fängt sogar die DUP an, die reale Welt der Politik zu entdecken, im Gegensatz zur Scheinwelt der unionistischen Dominanz.

Aber für diejenigen, deren Angehörige ermordet wurden, scheinen die alten schrecklichen Tage in die Zeit eingefroren zu sein. Opfer der Paramilitärs zu sein, ist die eine Sache - aber wenn der Verdacht nicht schwindet, dass die verborgene Hand der ein oder anderen staatlichen Organisation im Spiel war, erhöht dies die Qual und die Verzweiflung.

Es dreht sich nicht nur darum, dass auf denjenigen, die für den Schutz ihrer Bürger zuständig waren, ein solcher Verdacht fällt. Schlimmer ist, dass sie immer noch da sein können, befördert und immer noch im Staatsdienst. Wenn der Staat der Gerechtigkeit dient, was tun wir, wenn der Staat selbst Unrecht tut?

Der Mord an Sean Browne aus Bellaghy im Mai 1997 ist durch den Bericht des Büros des Polizeiombudsman, das von Frau Nuala O'Loan geleitet wird, wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Schlussfolgerungen ihrer Untersuchung könnten kaum verheerender ausfallen.

Es gab "keine ernsthaften Bemühungen" der beteiligten Polizisten, das Verbrechen aufzuklären. Mittlerweile verschwanden Aufzeichnungen, die Licht in die Polizeiarbeit gebracht hätten, aus der Polizeiakte. Ein Mitglied des Untersuchungsteams bewertete die polizeilichen Untersuchungen in dem Fall mit der Note "zwei von zehn". Ganz offensichtlich warten mit anderen Untersuchungen des Polizeiombudsman auch noch andere "noch nicht explodierte Minen darauf, hochzugehen".

Damit steht nicht nur die unbeantwortete Frage über der Untersuchung, warum der Mord so schlecht untersucht wurde. Zusätzlich wurde zu einem viel späteren Zeitpunkt ein weiterer krimineller Akt begangen, um Beweismaterial für die früheren Fehler verschwinden zu lassen.

Fragt die Hunde in den Strassen von Bellaghy, was hier faul ist, und ihr werdet erklärt bekommen, dass die loyalistische Gang, die den Mord ausführte, von Elementen der Sicherheitskräfte dirigiert wurden und in der Meinung operierte, ihre Spuren würden nie aufgedeckt.

Es mag auch andere Erklärungen geben, aber wenn man den O'Loan-Bericht diese Woche gelesen hat, liegt der Schluss nahe, dass die loyalistischen Killer von Elementen des Staates quasi als Stellvertreter benutzt wurden.

Dazu kommt die besondere Situation des Mordes an Brown. Wäre er beispielsweise ein bekannter Unterstützer von Sinn Fein gewesen, hätte man als Grund eine Racheaktion der Loyalisten annehmen können.

In der unmittelbaren Umgebung von Bellaghy wurden in den letzten zehn Jahren fast ein Dutzend Menschen von Loyalisten ermordet, weil sie angeblich Verbindungen zu Sinn Fein oder der IRA gehabt hätten.

Aber Brown war nicht politisch aktiv und in keiner Weise involviert, die - nicht mal in der grausamen Logik des Krieges der Paramilitärs im Norden - den Anschlag auf ihn gerechtfertigt hätte. In Wirklichkeit war er das Kleinod der Community von Bellaghy, ein ungeheuer populärer Mann, respektiert von beiden Seiten. Seine Passion war nicht Politik sondern Gälischer Fussball.

Unter seiner Führung wurde der örtliche Wolfe Tone Club von Bellaghy eine Art Erholungszentrum der Community. Um seine erstklassigen Einrichtungen beneideten ihn grössere Städte, Männer und Frauen, Jung und Alt gehörten zu den regelmässigen Besuchern.

Es war ganz einfach, das Wolfe Tone GAA Sportheim war das Zentrum Bellaghys und für die Community, die Menschen aus Bellaghy, war es ein Ausdruck ihres Stolzes, auf das, was sie gemeinsam geschaffen hatten. Deshalb war die Ermordung Browns ein Versuch, diese Community zu zerstören.

Die brutale Ironie ist, dass der Grund für seine Ermordung nicht seine Person war, sondern sein Schaffen. Und was er getan hatte, war sein Leben lang selbstlos für die Community da zu sein.

Ich erinnere mich an einen Besuch in Bellaghy an einem Sonntag Nachmittag. Ich war beeindruckt vom Anblick des Bellaghy Sportclubs.

Es war ein Kommen und Gehen von hunderten von Jungen und Mädchen in ihrer Sportkleidung, die Halle war voll von Familien, der Parkplatz voller teuerer Autos und das Selbstvertrauen und die Lebensfreude dieser Leute lag förmlich in der Luft.

Trotz der langen und furchtbaren Jahre des Konflikts gab es hier eine Gemeinschaft, die sich aus dem wirtschaftlichen und kulturellen Elend aus eigener Kraft erhoben hatte. Hier gab es mittlerweile eine neue, junge, nationalistische Gemeinschaft, gebildet, finanziell selbstbewusst und in keiner Weise mehr verelendet oder Bürger zweiter Klasse.

Vor diesem Hintergrund geschah der Mord an Brown nicht wegen der politischen Emanzipation der Community, sondern wegen ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Errungenschaften. Die Hand der Mörder wurde nicht durch militärische Überlegungen gelenkt, sondern durch ethnische. Wenn es in diesem Fall eine Verbindung zu einer verborgenen Hand des Staates gibt, was sagt das aus? Dass in den staatlichen Stellen Personen sitzen, die nicht nur einen geheimen Krieg gegen diejenigen führen, die sie als subversiv empfinden, sondern wie in diesem Fall einen geheimen schmutzigen Krieg gegen eine komplette Community führen, wegen ihres Selbstbewusstseins und ihrer Leistungen?

Mit diesen Fragen zerrt der Mord an Browne an den dunklen Hüllen, die die Zusammenarbeit von Staat und loyalistischen Paramilitärs verschleiern.

Im Dáil, (dem Parlament der irischen Republik), konnten wir diese Woche den 30-Jahre alten, schrecklichen und immer noch nicht aufgearbeiteten Horror beobachten, den die Bombenattentate auf Dublin und Monaghan (im Jahre 1974) immer noch hervorrufen. Diese Woche unternahm die Familie des ermordeten Rechtsanwalts Pat Finucane rechtliche Schritte, um die Veröffentlichung des Berichts von Cory zu erzwingen. Der Fall der Ermordung der Rentnerin Rose Mallon in Tyrone vor 15 Jahren, kam ebenfalls wieder an die Oberfläche. Alle diese Fälle und viele andere deuten kontinuierlich auf eine Verwicklung des (britischen) Staates, wie auch immer sie entstanden sein mag.

Ich bin sicher, in den Wochen, die vor uns liegen und sich mit dem Review des Good Friday Agreement beschäftigen, werden wir Tony Blair in gewohnter Manier erleben, wie er unseren lokalen Politikern vorhält, sie sollten ihr Haus in Ordnung bringen. Um über dem Tisch zu arbeiten, in sichtbarer demokratischer Weise, so artikuliert er es gerne.

Ist es nicht an der Zeit, dass auch er aufgefordert wird, seine geheimen Bücher zu öffnen, alle verschlungenen Wege seiner Organisationen zu enthüllen und alle seine ausführeden Organe auf den tisch zu legen. Wer war es nochmals, der sagte: "Wir können nicht Demokraten sein und gleichzeitig geheime Armeen besitzen"?

Übersetzung: Uschi Grandel, 1.2.2004, Text in Klammern dient der Erläuterung