In Kolumbien stehen drei Iren wegen Unterstützung der FARC-Guerilla vor Gericht

Von Harald Neuber, Havanna, www.jungewelt.de/2002/10-09/008.php

Mittwoch, 9. Oktober, 2002

Unter dem Vorwurf, die Guerilla der »Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens« (FARC) unterstützt zu haben, strengt die kolumbianische Staatsanwaltschaft derzeit ein Verfahren gegen drei irische Staatsangehörige an. Martin McCauley, James Monaghan und Niall Connolly wird vorgeworfen bis zu ihrer Festnahme auf dem internationalen Flughafen »Eldorado« in Bogotá am 11. August vergangenen Jahres die FARC im Auftrag der irischen Untergrundorganisation IRA im Bau von Sprengkörpern ausgebildet zu haben. Sechs Monate saßen die Männer indes ohne Anklage in Haft. Erst im Januar dieses Jahres wurde Anklage erhoben. Vorgeworfen wird ihnen Mittäterschaft in einer kriminellen Organisation und das Fälschen von Dokumenten. Das Strafmaß dafür bewegt sich zwischen zwei und 20 Jahren. Der erste Prozeßtag am vergangenen Freitag war zugleich der vorerst letzte: Die drei Angeklagten weigerten sich, dem Verfahren beizuwohnen.

Nicht nur in dem südamerikanischen Land hat sich der Fall inzwischen zum Politikum entwickelt. Im Schatten des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus bahnt sich in Kolumbien dieser Tage einer der größten Justizskandale auf internationaler Ebene an, in dem rechtliche Maßstäbe politischem Nutzen weit untergeordnet werden. Der Verteidiger von Niall Conolly, Eduard Matías, beklagte zu Prozeßbeginn, daß »die Angeklagten ohne schlüssige Beweise festgenommen wurden und das Urteil vorbestimmt ist«. Von den Verteidigern wird auf eine beispiellose Stimmungsmache in dem Fall hingewiesen. Noch Anfang April dieses Jahres hatte der damalige kolumbianische Präsident Andrés Pastrana in einem Beitrag für die US-Zeitung Washington Post behauptet, daß »IRA-Mitglieder in Kolumbien festgenommen wurden, nachdem sie FARC-Guerillas in »städtischen Terrorismus« trainiert haben«. Damit wurden nicht nur unbewiesene Behauptungen in die Welt gesetzt, auch mischte sich der Präsident in ein laufendes Verfahren ein. Die Politisierung des Falles hat seither stetig zugenommen.

Die Verteidiger von der renommierten »Anwaltsvereinigung« Kolumbiens wollen wegen dieses »offensichtlichen Boykotts eines fairen Verfahrens« internationale Institutionen einschalten. Nicht nur die Menschenrechtskomission, sondern auch Rechtsexperten der Vereinten Nationen sollen in der Sache angerufen werden. Auffällig ist, daß alle Aussagen und Beweise gegen die drei Angeklagten aus einschlägigen Quellen stammen. Während die britische Botschaft in Kolumbien geheimdienstliche Informationen zur Verfügung stellte, die eine Mitgliedschaft der Angeklagten in der IRA »belegen«, ergaben forensische Untersuchungen im Auftrag der US-Botschaft Rückstände von Sprengstoff in Gepäck und Kleidung der Männer. Die einzigen belastenden Aussagen stützen sich auf Überläufer der Guerilla, die inzwischen auf Regierungsseite stehen. Bei jeder dieser Parteien erkennt selbst ein juristischer Laie offensichtliche Interessen.

In den kolumbianischen Medien hat sich dieses Bild indes nicht durchgesetzt. Hier wurden wiederholt Auszüge aus den Anklagedokumenten veröffentlicht, die, wie beteiligte Journalisten freizügig zugaben, vom Justizministerium rechtswidrig zur Verfügung gestellt wurden. Auch in öffentlichen Anhörungen zu dem Fall im kolumbianischen Senat wurde im Beisein der Presse der Anklageseite breites Podium eingeräumt. Die Beweggründe für die mediale Offensive sind leicht zu durchschauen. Während die britische Regierung unliebsame politische Aktivisten in den Ruch des Terrorismus stellen und aus dem Weg schaffen kann, nutzen die US-Regierung und ihre kolumbianischen Gefolgsleute den Fall, um eine Ausweitung des militärischen Vorgehens gegen die linke Opposition in dem südamerikanischen Land zu rechtfertigen. In Anbetracht extremistischer Ausschreitungen einiger Dutzend Regierungsanhänger, die vor dem Gerichtsgebäude in Bogotá eine Verurteilung der Angeklagten forderten, bemerkte auch der Repräsentant der irischen Partei Sinn Fein, Barry McElduff, daß »bei einem derartigen politischen Druck die Chancen auf ein faires Verfahren gegen Null tendieren«.

Der Boykott des Prozeßbeginns am vergangenen Freitag wurde mit der vehementen Weigerung der Staatsanwaltschaft begründet, die Beweise der Verteidigung zu berücksichtigen. Zudem versuchen die kolumbianischen Behörden, den Kontakt zwischen Angeklagten und Verteidigern zu unterbinden. So war ein gemeinsames Treffen der drei Männer mit ihren Anwälten bislang nicht möglich, die Verteidiger waren zudem Schikanen des Gefängnispersonals ausgesetzt. Von diesen Nachrichten dringt derzeit wenig an die Presse.

Zu Prozeßbeginn traf auch die Organisatorin der irischen Unterstützerkampagne »Bring Them Home«, Caitriona Ruane, in Bogotá ein. In einer ersten Stellungnahme wies sie auf den politischen Charakter der Verhandlung hin, in dem auch die Sicherheit der Verteidiger auf dem Spiel stünde. »Es ist unabdingbar, auf internationaler Ebene Druck auszuüben, um der Rechtsbeugung entgegenzuwirken«, so Ruane. Nach Angaben der kolumbianischen Staatsanwaltschaft soll das Verfahren nun am 16. Oktober eröffnet werden.

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