Presseerklärung der Kampagne "Gerechtigkeit im Fall Peter McBride"

Nordirland, Deutschland, Irak und nochmals Deutschland?

Werden zwei rechtskräftig verurteilte Mörder nochmals bei der Rheinarmee stationiert?

Immunität für Mord in Uniform?

4. September 2003

Dass die britische Regierung sich über eigene Regularien, Menschenrechte und moralische Kategorien hinwegsetzt, und nun ein Gerichtsurteil des höchsten Gerichts in Belfast einfach ignoriert, hat Wogen geschlagen, die von Irland aus nach Deutschland und in den Irak reichen.

Es geht um den Fall Peter McBride, um eine Mutter, die seit fünf Jahren um die Entlassung der Mörder ihres Sohnes aus der britischen Armee kämpft. Im September 1992 erschossen zwei Soldaten des britischen Regiments 'Scots Guards' in Belfast hinterrücks den 18-jährigen Peter McBride, nachdem er zuvor in einer Polizeisperre bereits auf Waffen kontrolliert worden war. Das brachte ihnen 1995 eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes ein. Eine Revision durch das britische Oberhaus wurde nicht zugelassen. Mitte 1998 verfügte London die vorzeitige Entlassung. Die beiden Mörder wurden sofort wieder in die britische Armee aufgenommen. Sie sind seither in Münster bei der britischen Rheinarmee stationiert und derzeit im Einsatz im Irak.

Nordirland: britisches Verteidigungsministerium ignoriert Urteil des höchsten Gerichts

Am 13. Juni 2003 urteilte das höchste Gericht im nordirischen Belfast, dass die Begründungen, die der Armeeausschuss der britischen Armee für die Weiterbeschäftigung der beiden zu lebenslanger Haft rechtskräftig verurteilten Mörder Mark Wright und James Fisher als Soldaten anführte, nicht die "außergewöhnlichen Umstände" darstellten, die nach den königlichen Regularien erforderlich sind, um zu Haftstrafen verurteilte Soldaten in der Armee zu belassen. Das Gericht bemerkte in seiner Urteilsbegründung, es habe zwar kein Weisungsrecht gegenüber der Armee, es erwarte jedoch, dass das britische Verteidigungsministerium das Urteil in vollem Umfang berücksichtige.

Ein jahrelanger Streit um die Weigerung der britischen Armee, die beiden verurteilten Soldaten, aus der Armee zu entlassen, ist damit vom obersten Gericht entschieden. Ein Sprecher des im nordirischen Derry ansässigen Menschenrechtszentrum Pat Finucane Centre, das die Familie McBride unterstützt, sagte:

"Es ist nun Aufgabe des (britischen) Verteidigungsministeriums und der gesamten britischen Regierung, ein weiteres Urteil eines Belfaster Gerichts zu akzeptieren, das Jean McBride unterstützt. Erneut wurde festgestellt, dass die Entscheidung der britischen Armee, die verurteilten Mörder in ihren Reihen zu behalten, völlig ungerechtfertigt war und ist. ... Wright und Fisher müssen sofort aus der britischen Armee entlassen werden."

In einem lapidaren Brief vom 7. August 2003 teilte das britische Verteidigungsministerium dem Menschenrechtszentrum Pat Finucane Centre mit, dass sie nicht vorhaben, die beiden Soldaten zu entlassen und dass der Fall für sie abgeschlossen sei.

Deutschland: "Belfast erreicht Münster" ...

... titelte die taz im August 2002, als Paul O'Connor vom Pat Finucane Centre auf einer Pressekonferenz in Münster über die Mörder in Waffen berichtete. Mit der Stationierung der Soldaten bei der britischen Rheinarmee in Deutschland beschäftigt dieser Fall auch das deutsche Außen- und Verteidigungsministerium. Winfried Nachtwei, Bundestagsabgeordneter für die Grünen und Mitglied des Verteidigungsausschusses, schreibt am 4.7.2002 an die britische Botschaft:

"Dies widerspricht nicht nur auffällig der üblichen Norm, dass Soldaten schon bei Haftstrafen aus der Armee entlassen werden. Es widerspricht insbesondere einem Verständnis von rechtsstaatlichem Militär, auf das sich alle Armeen im Rahmen von NATO und VN-Friedensmissionen verpflichtet haben. Es beschädigt den Anspruch einer verbündeten Armee, die Instrument und Förderin des rechtsstaatlichen Gewaltmonopols sein soll und will. Für die Hinterbliebenen des ermordeten Peter McBride muss dies wie eine Art nachträglicher Freispruch erscheinen."

Der britische Botschafter Sir Paul Lever antwortet auf den Brief von Nachtwei:

"Vielen Dank für Ihren Brief vom 4. Juli über den Fall Peter McBride und die beiden daran beteiligten britischen Soldaten. Großbritannien ist ein Rechtsstaat. Die beiden Soldaten wurden vor ein Zivilgericht gestellt, und die anschließenden sie betreffenden Entscheidungen des Armeerates (Army Board) sind Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Die Familie McBride ist in die dritte Berufung vor dem Obersten Gericht in Belfast gegangen. Die britische Regierung hat sich immer an alle Entscheidungen des Gerichts gehalten und wird das auch weiterhin tun. Wir sind der Meinung, dass dieser Fall vor Gericht und ohne politische Intervention gelöst werden sollte. Mit freundlichen Grüßen Paul Lever"

Ähnlich äußert sich das deutsche auswärtige Amt in einer Antwort auf unsere Anfrage mit einem Verweis auf das laufende Gerichtsverfahren:

"Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, dass das Auswärtige Amt zu laufenden rechtlichen Verfahren in einem befreundeten Land nicht öffentlich Stellung nimmt. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die britische bzw. nordirische Justiz die Frage, ob die Soldaten Wright und Fisher bei der britischen Armee weiterbeschäftigt werden können, nach geltendem Recht entscheiden wird."

Beide Antworten gehen selbstverständlich davon aus, dass die britische Armee nicht über Recht und Gesetz steht.

Was nun, nachdem die britischen Militärs und die entsprechenden britischen Regierungsstellen meinen, die gerichtliche Entscheidung simpel ignorieren zu können? Ein Militär, das sich für sein Tun keinem Gericht verantwortlich fühlt und zwei verurteilte Mörder nicht nur in Waffen hält, sondern in den Einsatz im Irak schickt, widerspricht allen rechtsstaatlichen Grundsätzen. Wir erinnern uns: Peter McBride war ein unbewaffneter Zivilist. Er wurde zuerst durchsucht und dann von hinten erschossen.

Irak: "Gott behüte die Menschen im Irak"

"Wenn Nordbelfast 1992 als so gefährlich betrachtet wurde, dass ein Mord entschuldigt und ein Achtzehnjähriger in den Rücken geschossen werden konnte, dann möge Gott den jungen Leuten von Basra helfen," sagte die Mutter Jean McBride, als sie von der Verlegung der Soldaten in den Irak hörte.

Am 18. August 2003 informierten Teilnehmer einer Delegation von irischen Juristen, die augenblicklich die irakische Hauptstadt Bagdad besuchen, Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsgruppen und die Medien im Irak über den Fall Peter McBride. Die Kampagne für die Entlassung der beiden Soldaten Wright und Fisher aus der britischen Armee ist nun im Irak angelangt.

Und wieder Deutschland?

In Irland ist die Empörung besonders groß, weil die Entscheidung, Mörder eines Iren gegen alle Regularien und nun gegen ein Gerichtsurteil in der Armee zu halten, von vielen als rassistisch und anti-irisch betrachtet wird. John Spellar, vor kurzem zum britischen Minister für Menschenrechte in Nordirland ernannt, ist ein Glied in der undemokratischen Kette. Er saß in dem zweiten Armeeausschuss, der sich im Anschluss an das erste Gerichtsurteil, das bereits 1999 der Mutter Jean McBride recht gab, erneut für den Verbleib der Soldaten in der Armee entschied. Bei einem Treffen mit Jean McBride am 11. August, das nur durch Boykottdrohungen der pro-irischen Parteien SDLP und Sinn Fein in Nordirland durchgesetzt werden konnte, gab John Spellar an, über die Haltung des britischen Verteidigungsministeriums im Falle McBride nicht informiert zu sein - eine unglaubwürdige Ausrede, da der Brief des Verteidigungsministeriums an das Pat Finucane Centre vom 7. August datierte, die Entscheidung des Ministeriums also Tage vor dem Treffen gefallen war. Die sozialdemokratischen Bürgermeister von Belfast und Derry haben mittlerweile erklärt, dass John Spellar nicht zu Empfängen eingeladen werde und sie Empfänge, auf denen er anwesend sei, boykottieren werden.

Die Familie McBride hat die aktive Unterstützung der irischen Regierung, des nordirischen "Independent Assessors of Military Complaints" und vieler anderer. Die Familie McBride erwägt eine Klage vor dem europäischen Gerichtshof.

Unsere Frage an das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt in Berlin ist, ob die deutsche Regierung nach der Belfaster Gerichtsentscheidung die Rückkehr der beiden Soldaten nach Deutschland verhindern wird.

Am 4. September 2003 ist der 11. Jahrestag der Ermordung
des Belfaster Teenagers Peter McBride.
Es ist ein internationaler Protesttag geplant.
Wir bitten Sie um Berichterstattung über den Fall.

Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. Hintergrundinformation finden Sie auf den Internetseiten
http://archiv.info-nordirland.de/ und http://www.irlandinit-hd.de/ .

Uschi Grandel für die Kampagne "Gerechtigkeit im Fall Peter McBride"

c/o Dr. Uschi Grandel, Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling
email: uschi@info-nordirland.de