Interview der Nord Belfast News mit Gerry Kelly:

Was ist nötig, um Bewegung in die Diskussion um die Polizeireform zu bringen?


Belfast, 12. Juli 2003

Q: Der Motor des Friedensprozesses war der Konsens der Nationalisten (d.h. der irisch republikanischen Partei Sinn Féin, der irischen Regierung und der sozialdemokratischen Partei in Nordirland SDLP). Was ist in diesem Zusammenhang Sinn Féins Botschaft an die irische Regierung in Bezug auf ihre Verantwortung für die nationalistische Bevölkerung im Norden (Irlands) in den kommenden Monaten?

A: Nun, ich denke, die Verantwortung liegt bei Tony Blair, wenn man die Machtverhältnisse betrachtet. Er besitzt die Macht. Er ist derjenige, der Demokratie unterminiert, Wahlen verweigert - was im Übrigen in jeder anderen Jurisdiktion nicht akzeptierbar wäre. Wir kritisieren die irische Regierung, weil sie die republikanischen und nationalistischen Positionen nicht so verteidigt hat, wie sie es eigentlich sollte. Die Menschen sind von einer britischen Regierung, die die Verantwortung für die britische Besatzung trägt, und das über einen langen Zeitraum, gewisse Dinge gewöhnt. Aber von der irischen Regierung erwarten sie, dass sie den Auftrag der Verfassung ernst nimmt, und das ist die Wiedervereinigung. Und wir kritisieren sie immer dann, wenn sie Dinge toleriert, den Mund hält oder manchmal sogar zustimmt. Nach der Aussetzung der Wahl sagte Bertie Ahern und seine Regierung, dass sie dagegen seien. Sie haben das seither wiederholt klar gemacht. Das Problem, das die Menschen damit haben, ist, dass Bertie Ahern trotz seiner Opposition zur Aussetzung der Wahlen sich mit Tony Blair trifft und plaudert. So fragen sich die Leute, wie stark diese Opposition wohl tatsächlich ist.

Q: Die irische Regierung, die britische Regierung, die Unionisten, die SDLP und viele andere haben die Zustimmung Sinn Féins zu den Polizeireformen als wichtigste Aktion zur Rettung des Friedensprozesses gefordert. Ist das fair?

A: Nun, um bei der Wahrheit zu bleiben, die Unionisten tun das nicht. Im Gegenteil. Unionisten haben klargemacht, dass die Teilnahme Sinn Féins am Polizeiausschuss oder ihre Zustimmung, daran teilzunehmen, für sie ein Grund wäre, die Teilnahme aufzukündigen. Soweit zu den Unionisten. Das andere muss man im zugehörigen Kontext sehen. Zuerst einmal zur SDLP: die SDLP kooperierte schon immer mit der RUC. Egal in welcher Situation wir in den letzten zwanzig Jahren waren, wir hatten immer die Situation, dass die SDLP mit dem System arbeitete, das gerade da war. Im Moment kooperieren sie mit einem inadequaten System. Sie arbeiten mit einem System, in dem es keinen Transfer von Macht gibt, in dem die alten Hardliner immer noch das Sagen haben, in dem die Special Branch derzeit immer noch ein eigenständiger Apparat innerhalb der Polizei ist. Im Gegensatz dazu führen wir Verhandlungen zur Änderung dieser Situation. Der Verhandlungsführer der SDLP hat faktisch vor den Weston Park Verhandlungen (Juli 2001) gesagt, es sei nicht möglich, mehr britische Zugeständnisse im Bereich der Gesetzgebung zu erhalten. Wir sagten, dass wir schlicht und einfach mehr Gesetzesänderungen benötigen und dass die Polizeireform nicht greifen werde, bevor dies passiert. Diesen Ansatz haben wir verfolgt. In Weston Park gab es dann Verbesserungen der Gesetzesvorschläge. Die waren nicht ausreichend. Wir sagten, sie seien nicht ausreichend. Die Vorschläge waren keine Umsetzung der von Patten geforderten Änderungen (die internationale Komission unter Leitung des Ex-Hongkong-Gouverneurs Patten wurde als Ergebnis des Friedensabkommens aufgesetzt und hat im September 1999 Vorschläge zur Polizeireform vorgelegt) und wir verhandelten weiter für weitere Änderungen. In den derzeitigen Verhandlungen setzen wir diesen Prozess fort, um weitere Änderungen durchzusetzen. Sehen wir uns als Beispiel das Thema Special Branch an: wir haben hier die Frage der Amtsdauer zu einem zentralen Thema gemacht und die Änderungsvorschläge beschäftigen sich damit, wie lange eine Person in dem Geheimdienstbereich tätig sein kann, weil diese Tätigkeit selbst korrumpiert. Wir haben das Thema Walker-Kriterien aufgegriffen und haben die Zusage erhalten, dass diese Kriterien verschwinden werden. Worum geht es in den Walker-Kriterien: bevor es im Bereich Joyriding, eines Einbruchs, eines Steuerbetrugs oder ähnlicher - ich nenne sie mal Low Level Kriminalität - zu Festnahmen oder Anklagen kommen kann, verlangen die Walker-Kriterien, die Special Branch zu informieren. Wenn es sich dann um einen Agenten oder einen Informanten handelt, wird er schlicht und einfach nicht bestraft. Dieses Vorgehen schuf einen Pool an möglichen Informanten für die Special Branch, die entschied, einen Einbrecher, Joyrider oder Betrüger laufen zu lassen, wenn er einer Rekrutierung als Informant zustimmte. Im Endeffekt war dies die Grundlage ihrer Aufruhrbekämpfung. Ich meine damit, RUC und PSNI wurden zur Aufruhrbekämpfung geschaffen, in anderen Worten, als politische Kraft im Gegensatz zu einem Service zur Kriminalitätsbekämpfung, den wir als Ziel haben.

Q: Man hat das Gefühl, dass Sinn Féins politische Strategie sich in eine Richtung bewegt, die die Anäherung an Unionisten als Schlüsselelement beinhaltet. Kann man argumentieren, Sinn Féin sollte bereit sein, Kompromisse im Bereich der Polizeireform einzugehen, um den Unionisten das Leben einfacher zu machen?

A: Nun, diese zwei Punkte hängen eng zusammen, aber was heisst das. Zuerst einmal ist es richtig, dass es schon immer unsere Politik war, Unionisten einzubinden und mit ihnen eine gemeinsame Basis zu finden. Darum geht es im Karfreitagsabkommen. Unser Ziel ist ein vereinigtes Irland. Unionisten sind Teil dieses Irlands, deshalb ist der einzige Weg, dies zu ereichen und nicht einen grossen Oppositionsblock zu haben, zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen, wie wir dieses Irland gemeinsam verwalten. Was heisst das nun für das Thema Polizei: hier wird oft ein Fehler gemacht - Unionisten haben natürlich eine bestimmte Haltung zur Polizei. Es war ihre Polizeimacht. Das ist nicht einmal notwendigerweise ihre Ansicht, aber es war ihre Polizei und zu einem grossen Teil ist sie es noch heute. Sie wollen dies so belassen. Sie haben sich bisher gegen jede einzelne Veränderung gewehrt, die es gegeben hat. Wenn man argumentiert, man müsse sich auf einer gewissen Basis einigen, weil man so die Unionisten ins Boot hole, muss man sagen, es gibt gewisse Dinge, die gehen nicht. Wenn wir glauben, dass gewisse Dinge im Bereich der Polizei passieren müssen, um einen neuen Polizeiservice zu kreieren, dann ist unser Ausgangspunkt, dass wir einen Service für die gesamte Gesellschaft benötigen. Das heisst, ein Polizeiservice, der für Katholiken, Protestanten, Unionisten, Republikaner und Nationalisten da ist. Darum setzen wir uns so nachdrücklich für Gesetzesänderungen ein. Nicht weil Gesetze alles sind, sondern weil wir für einen ordentlichen Polizeiservice wenigstens eine gesetzliche Basis und Struktur benötigen, die garantiert, dass beispielsweise Korruption auch bestraft werden kann. In der Vergangenheit hat die Sonderstellung des Special Branch Apparates und die Notstandsgesetzgebung und alles, was dazu gehört, eben dies verhindert. Um auf das Thema Unionismus zurückzukommen, ist meine Argumentation, dass wir in der Polizeireform keine Punkte haben, die Streitpunkt zwischen politischem Unionismus und politischem Republikanismus sind. Wir wollen, dass Leute auf der Strasse aus den verschiedenen Communities sagen können: dies ist ein ordentlicher Polizeiservice. Er ist neutral, er ist nicht mehr politisch, er ergreift nicht Partei. Wir haben eine Chance, dies zu erreichen. Und das ist unser Ziel, nicht irgendwelche Kompromisse, die den politischen Unionismus betreffen würden. Wollten wir eine Basis für Kompromisse ausloten, hätten wir nicht das Thema Polizeireform gewählt.

Q: Repräsentanten von Sinn Féin haben öffentlich erklärt, dass die Führung der Partei empfehlen wird, die PSNI zu unterstützen, wenn die richtigen politischen , praktischen und gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind. Was sind die wichtigsten politischen , praktischen und gesetzlichen Bedingungen, die aus Sicht von Sinn Féin noch erreicht werden müssen?

A: Nun, ich denke, was die Gesetzesänderungen betrifft, da haben wir in den verschiedenen Verhandlungen seit der Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens bereits einiges erreicht. Damit werden es weniger Themen. Ich greife hier als Beispiel einmal das grösste Thema heraus, das ist das Thema Machttransfer. Bestandteil eines Übergangs-Polizeiservices, und das ist es, worüber wir reden, ist die Einbindung in einen gesamtirischen Kontext. Nachdem nun aber die Institutionen, die gesamtirischen Institutionen, die Ministerien, mögliche grenzübergreifende Körperschaften, die Möglichkeit eines Justizministeriums zum Beispiel, nachdem sie alle suspendiert sind, ist diese Situation ein riesiges Hindernis. Das ist der Grund, warum ich gesagt habe, Gesetzgebung ist notwendig, aber nicht das alleinentscheidende. Wenn man Gesetzgebung verändert, sie aber in der Hand der Hardliner belässt, der "Securocrats", wie wir sie nennen, egal ob sie im NIO (Northern Ireland Office, das Ministerium des britischen Nordirlandministers in Belfast, Anm. d. Übersetzerin) oder in London sitzen - und man darf nicht vergessen, dass die Special Branch immer ein Arm des MI5 war - dann schaffen wir es nicht, ihnen die Macht zu entreissen und die Verantwortung lokalen Politikern zu übergeben. Damit ist Verantwortlichkeit ein Thema. In der derzeitigen Situation - man muss daran denken, dass auch vor der Suspendierung der (nordirischen regionalen) Institutionen (durch die britische Regierung) Verantwortung für den Bereich Polizei und Justiz nicht transferiert war - ist das eine riesengrosse Aufgabe. Zu den anderen Themen in diesem Bereich gehört die Notstandsgesetzgebung, der Staat wird immer noch durch Notstandsgesetzgebung geführt, wie von Anfang an, seit mittlerweile 80 Jahren. Andere Themen sind Demilitarisierung. Es gibt Themen, wie zum Beispiel Plasikgeschosse oder Collusion (die Zusammenarbeit von Polizei und Armee mit loyalistischen Killerkommandos). Man hört (den obersten Polizeichef Nordirlands) Hugh Orde zum Thema Drogen, Loyalisten und so weiter. Zu seiner Entschuldigung kann man anführen - vielleicht ist das der falsche Weg, es auszudrücken - aber er besteht darauf, dass er sich um diese Dinge kümmern will. Nur mein Problem ist, dass ich bereits weiss, und es gibt massenweise Beweise, dass die Special Branch über all diese Dinge bestens informiert ist. Die Special Branch Leute waren diejenigen, die da involviert waren. Sie besitzen alle Informationen, die nötig sind, um Drogenhändler hinter Gitter zu bringen, insbesondere loyalistische Drogenbarone, sie haben die Information und weigern sich, entsprechend zu handeln. Mein Problem sind Situationen, wie vor ein paar Wochen in Ardoyne, als das Thema Polizeipräsenz während einer Oranier-Parade aufkam: zusätzlich zu dem Fehler der Parades Commission, die diesen Zug durch Ardoyne erlaubte, hat die Polizei vor Ort de facto entschieden, aus diesem einen Zug zwei Märsche zu machen. Nachdem der Marsch durch das katholische Gebiet durch war, eskortierten sie die Unterstützer durch dieselbe Gegend. Die Umsetzung von Gesetzen erfolgt vor Ort, Gesetze sind wichtig, aber man muss sich ansehen, wie ihre Umsetzung sich auf die Menschen vor Ort auswirkt. Ein weiteres Beispiel ist die mangelhafte Ausstattung des Ombudsmans (im Friedensabkommen geschaffene Stelle zur Untersuchung von Beschwerden über die Polizei) , der eine Schlüsselfigur zum Thema Verantwortlichkeit ist, mit Ressourcen. Meiner Meinung nach ist dies beabsichtigt. Es gibt Anzeichen, nun ich weiss, dass sie Geld verweigert haben, weil ich mich politisch dafür eingesetzt habe. Es gibt einige Untersuchungen, die Nuala O'Loan, derzeitiger Ombudsman, nun durchführen könnte, für die ihr aber Ressourcen fehlen. So setzen sie auf der einen Seite die nötigen Gesetze um, weil wir das Thema durchkämpfen, auf der anderen Seite nehmen sie das Geld weg, damit sie ihre Arbeit nicht tun kann. Dasselbe passiert im Übrigen im Bereich Menschenrechte. Einige Mitglieder der eingesetzten Komission sind mittlerweile zurückgetreten, weil sie zwar gesetzlich festgelegte Befugnisse haben, aber Ressourcen gestrichen wurden. Es ist eine der Möglichkeiten für eine Regierung, Veränderungen zu blockieren. Damit gibt es eine Reihe von Fragen an die britische Regierung, insbesondere, wie wir weiter kommen. Wie viel wurde zum Beispiel zum Thema Collusion getan? Wenn man sich den Fall Pat Finucane ansieht, gibt es da irgend jemanden, und ich würde fast sagen auch innerhalb des Unionismus, der nicht überzeugt davon ist, wie umfassend Collusion im Fall Pat Finucane eine Rolle spielt. Selbst in den Reihen des politischen Unionismus, die sich für diesen Fall nicht besonders interessieren, ist wohl keiner zu finden, der anzweifeln würde, dass das Gewicht an Beweisen erdrückend ist. Und trotzdem gehen wir von Prozedur zu Prozedur, von Untersuchung zu Untersuchung bevor sich die britische Regierung überhaupt zu einer Entscheidung durchringt, ob es eine Untersuchung geben soll. All diese Dinge können im Umfeld der Diskussion über das Thema Polizei nicht ignoriert werden, und es spielt eine Rolle, ob sie sich in diesen Themen vorwärtsbewegen oder nicht.

Q: Manche Republikaner glauben, dass diese alte Garde der Hardliner im Herbst erneut versuchen wird, die Verhandlungen durch Aktionen zu stören. Wie kann man jemals hoffen, so einen Sumpf zur Verantwortung zu ziehen?

A: Wie kriegt man das hin? Ich denke, wenn wir zehn Jahre zurückblicken, passieren heutzutage eine Menge Dinge, die wir damals vielleicht nicht erwartet haben. Ich lasse mich nicht interviewen, um zu sagen, alles ist verloren oder zu sagen, wir kriegen das eh nicht hin. Ganz im Gegenteil: ich meine, unsere Intention ist, eine ordentliche, politische Lösung zu haben. Unsere Intention ist, dass wir in dieser Übergangsperiode einen Punkt erreichen, an dem wir zu einem Ard Fheis (Parteitag) oder auch zu unseren Söhnen und Töchtern sagen können, hier könnt ihr mitmachen, weil das Potential da ist für einen ordentlichen Anfang eines Polizeiservices. Aber, um nochmal auf die Special Branch und die Menschenrechtsverletzer zurückzukommen, man muss sich nur ihre eigene Organisaton ansehen. Wenn ich mich richtig erinnere war es letztes Jahr, als sich eine Reihe von PSNI-Mitgliedern beschwerten, die Special Branch verliese ihre Positionen, um auf andere Stellen im Polizeiapparat zu wechseln. In anderen Worten, sie nutzen ihre Macht, um an andere Stellen zu gelangen, weil sie bereits wissen, dass der Druck von Sinn Féin und anderen Gruppen letztendlich die Änderungen erzwingen werden. Sie reorganisieren sich mit dem Versuch - und ich sage, sie versuchen es - die Macht zu erhalten, die sie hatten oder wenigstens individuell Macht zu behalten. Ich denke, Verantwortung kommt durch Verantwortlichkeit gegenüber den Politikern und den Bürgern. Sie resultiert aus Transparenz. Wenn Leute sagen können, dass vielleicht manches falsch laufen kann, aber wir eine Möglichkeit haben, das zu ändern. Nun, obwohl wir diesen Zustand noch nicht erreicht haben, möchte ich dennoch betonen, das wir substantielle Fortschritte bei einer Reihe von Themen gemacht haben, sowohl im Bereich Verantwortlichkeit als auch bei anderen Themen. Wir werden weiterhin dieses Thema puschen. Aber ohne politische Verantwortung - und nicht vergessen, wir haben zur Zeit auch ausserhalb des Bereichs Polizei keine politische Verantwortung - haben wir noch einen gewissen Weg vor uns.

Q: Nun, zu diesem Weg, den wir vor uns haben, ist die SDLP Position, dass Sinn Féin effektiv eine Art Spieler auf der Ersatzbank ist, der wartet, bis das Spiel zu Ende geht, um dann mitzuspielen, wenn die SDLP das Spiel bereits fast gewonnen hat. Gibt es eine Berechtigung für das Argument, dass man einen neuen Polizeiservice nur schaffen kann, indem man in diesen Institutionen mitarbeitet und hilft, sie wirksam zu machen?

A: Wir müssen uns klar darüber sein, was da passiert. Sieh mal, die SDLP hat eine sehr falsche Argumentation. Sie argumentieren, als ob sie die Ergebnisse von Weston Park verhandelt hätten und dann kam Sinn Féin und hat darauf aufgebaut. Nun, Sinn Féin hat darauf aufgebaut. Aber Sinn Féin war in die Verhandlungen von Anfang an involviert, ich war persönlich von den Anfängen der Mandelson Gesetzesvorlagen an durchgehend beteiligt. Man muss sich daran erinnern, dass die SDLP in Westminster (im britischen Unterhaus) tatsächlich für Mandelsons Gesetztesvorlage stimmte, das war die erste, sie enthielt sich in der zweiten und stimmte gegen die dritte. Damit besteht etwas Unklarheit über die Position der SDLP bezüglich dieser Vorlage. Meine Meinung ist, dass sie sich mit dem begnügen, was sie bekommen können. Und das ist das Problem. Wir sind nicht nur nicht auf der Ersatzbank, wir sind mitten im Spiel und in die Verhandlungen involviert. Und es gibt wenig Leute, die daran zweifeln, dass es Sinn Féin war, die unnachgiebig blieben. Während der Verhandlungen sagten die Briten dauernd, sie könnten nicht weiter. Nun, sagten wir, dann habt ihr ein Problem, denn ihr müsst weitergehen, wir müssen das hinkriegen .... Es ging nicht darum, den Briten mehr und mehr Zugeständnisse abzuringen. Es ging darum, es richtig hinzukriegen und die Briten haben sich dem wiedersetzt. Und die Leute, ich kann mich an Peter Mandelson erinnern (damals NIO Staatssekretär für Nordirland), der sagte in einem Treffen zu mir und ich glaube Gerry (Adams) als wir über Secrocrats sprachen, er sei auch einer. Das sagt, glaube ich, alles. Es geht ihnen darum, sich der Übergabe von Macht zu widersetzen. Manche Leute fragen, ob Hugh Orde ein netter Kerl ist. Ich habe ihn nie getroffen, aber ich halte das nicht für die relevante Frage. Die relevante Frage ist, ob derjenige, der diesen Job übernimmt, ob gut, schlecht oder indifferent, die Macht hat, etwas zu verändern. Zum Beispiel bei dem Thema Plastikgeschosse. In den letzten Verhandlungen haben wir die Zusage erkämpft, dass Ende dieses Jahres die Plastikgeschosse aus dem Verkehr gezogen werden. Wozu gab der Polizeiausschuss, dem auch die SDLP angehört, seine Zustimmung? Sie haben zugestimmt, dass wir diesen Schritt nicht vor 2005 tun. Das ist genau das Problem, über das wir reden. Wir reden über wirkliche Veränderungen. Wir reden darüber, ob man jetzt bereits mitmachen kann. Und ich möchte betonen, dass wir mit nationalistischem Konsens stärker wären, als wenn Sinn Féin alleine argumentiert, das ist klar. Wenn der ganze politische Nationalismus mit einer Stimme redet, gibt das mehr Gewicht. Aber wir müssen das hinkriegen und das heisst, wenn wir gezwungen sind, dies alleine zu tun - und wir sind dazu gezwungen - werden wir es eben alleine tun. Wir müssen das hinkriegen. Unser Ziel ist ein ordentlicher Anfang für einen Polizeiservice und die SDLP ist zu früh eingestiegen.

Q: Trotzdem, es gibt praktische Situationen ausserhalb politischer Verhandlungen. Als Republikaner hast Du Erfahrung mit Staatskräften, die in Häuser einbrechen und Wanzen installieren. Als Antwort darauf schalten Republikaner Rechtsanwälte ein, um die zuständigen Institutionen, PSNI oder NIO zur Verantwortung zu ziehen. Auf der anderen Seite gibt es auch diese Einbrüche von Kleinkriminellen, Angriffe auf Personen oder Diebstahl von Eigentum. Welchen Rat hat Sinn Féin für Betroffene in diesem Fall, im Hinblick darauf, die PSNI zu besserer Polizeiarbeit im Stadtviertel anzuhalten?

A: Nun, ich denke, man muss das differenziert betrachten. Es gibt gewisse Fälle, in denen Gesetze und Vorschriften die Einbeziehung von Polizei verlangen. Zum Beispiel, wenn man einen Einbruch der Versicherung meldet, muss die Polizei hinzugezogen worden sein. Mein Rat ist, immer einen Rechtsanwalt zuzuziehen. Diesen Rat gebe ich immer und der Grund dafür ist, dass man der PSNI nicht trauen kann. Ich kenne die Berichte vieler Leute, die alleine in eine PSNI-Station gehen, speziell in Situationen im Zusammenhang mit den interfaces (Gewalt in Grenzbezirken zwischen pro-irischen und pro-britischen Stadtvierteln), mit dem PSNI-Mitglied reden und nichts passiert. Es gibt Leute, die nachfragen, was aus ihrer Anzeige geworden ist, und es ist keine Anzeige mehr auffindbar, und so weiter. Man muss im Auge behalten, dass wir mit dem schlimmsten Szenario von "bad practice" konfrontiert sind, und das über Generationen. Deswegen empfehle ich, in solchen Umständen immer einen Rechtsanwalt einzuschalten, ich würde das auf jeden Fall tun. Was die Kriminalität betrifft, Joyriding, Death-riding, Einbrüche, Jugendliche, die trinken, es ist schwierig, mit all dem umzugehen. Aber Bürger in den Stadtvierteln sind bereits in diese Dinge involviert. Es wurde ein Netz des CRJ - Criminal Restorative Justice - aufgebaut, das wir unterstützen. Eine Community muss sich da selbst helfen. Und Leute werden sich ein eigenes Urteil bilden, wie sie es immer getan haben.

Ich denke, wir müssen zu dem Punkt kommen, an dem wir einen wirklichen Neuanfang der Polizei haben, einen Polizeiservice, der die Community repräsentiert, und wenn ich sage repräsentiert, meine ich, der Teil der Community ist. Dann müssen wir darüber nicht mehr diskutieren. Und weisst Du, die Menschen merken, wenn dieser Punkt gekommen ist und werden sich entsprechend verhalten. Geh in die Interface-Bezirke und sieh Dir die Art und Weise an, in der die PSNI ihre Arbeit macht. Ich meine, auch ich wurde von ihnen schon zusammengeschlagen (im Sommer 2001, als Gerry Kelly versuchte, mässigend auf eine wütende Menge einzureden, wurde er von hinten von der Polizei mit einem Knüppel auf den Kopf geschlagen, er klagte gegen die PSNI und gewann das Gerichtsverfahren). Gerard Brophy, ein Stadtrat, wurde zusammengeschlagen, als er versuchte, in North Queen Street eine Situation zu deeskalieren. Er wurde nicht von Loyalisten zusammengeschlagen, er wurde von der PSNI verprügelt. Nach wie vor ist eine Kultur der Kumpanei, ein anti-katholischer Ethos präsent, den wir bekämpfen müssen. Deswegen bleibt mein Rat auch heutzutage derselbe. Wir sind noch dabei, das hinzukriegen. Wir machen Fortschritte. Wir werden weiterhin das Thema vorantreiben und verhandeln. Wir werden uns nicht zieren, wenn wir glauben, den Punkt erreicht zu haben. Es gibt keinen anderen Rat und ich sage nochmals, dass Leute sich ihre eigene Meinung zu dem Thema bilden. Es ist nicht einfach so, dass Sinn Féin etwas sagt und die Menschen es dann tun, sicher nicht. Aber Du hast mich gefragt, wie ich mit dem Thema umgehe, und was ich Leuten empfehlen würde und das habe ich getan. Die Menschen werden merken, wenn wir an dem Punkt angekommen sind, an dem es einen Neuanfang bei der Polizei gibt und wir nähern uns diesem Punkt. Nun, das ist schliesslich auch unser Job. Das versuchen wir und wir werden nicht aufhören, bevor wir dieses Ziel erreicht haben.

Q: Um das Thema etwas weiterzuverfolgen, wir haben nun die Situation in Belfast, dass die District Policing Partnership gegründet wurden. Wir haben kürzlich ein Interview mit der einzigen Anwohnerin Westbelfasts geführt, die im DPP vertreten ist. Sie hat zugegeben, dass die Kommunikation des DPP mit der Öffentlichkeit noch nicht funktioniert, dass das DPP nicht repräsentativ ist, unfähig ist, in öffentlichen Meetings Rechenschaft abzulegen. Aber sie ist dort, weil sie ihren Teil dazu beitragen möchte, Dinge voranzubringen. Nocheinmal nachgehakt: was ist Deine Botschaft für Leute mit so hohem Sinn für das Gemeinwohl, die an den Neubeginn der Polizei glauben? Sollen sie einfach aufhören und heimgehen, bis die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen sind?

A: Nun, unsere Position ist, dass die DPPs wie das Policing Board ein Teil der gegenwärtigen Strukturen sind und dass diese Strukturen nicht ausreichen. deshalb nehmen wir nicht teil, so einfach ist das. Leute bilden sich ihre eigene Meinung. Dein Beispiel ist sehr gut und zeigt, dass die Mehrheit der Menschen nicht mitmacht, weil sie glauben, dass wir noch nicht so weit sind. Nicht , weil sie kein Interesse haben. Nicht, weil sie das Thema Polizei nicht interessiert. Nehmen wir Nordbelfast. Die Menschen dort haben überdurchschnittlich unter der schlechten Polizei gelitten. Deshalb sind sie es, die einen Neuanfang wollen. Aber sie wissen, dass es noch nicht so weit ist. Wenn es soweit ist, werden sie sich ihre eigene Meinung bilden. Der einzige Rat, den ich geben kann ist das, was wir politisch selbst tun und das ist, nicht mitzumachen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die wichtigste Aufgabe der Polizei immer noch ist, Republikaner zu bekämpfen. Sie haben immer noch Aufruhrbekämpfung als oberstes Gebot. Sie rekrutieren immer noch Kriminelle und Drogendealer. Sie amnestieren Leute für Spitzeldienste und zahlen sie dafür. Ein Beispiel: erst kürzlich rekrutierten sie einen 13 jährigen Jungen in Ardoyne, der lernbehindert ist, als Spitzel gegen Republikaner. Ein paar Jugendliche, die im Viertel ein äusserst negatives Image haben und Probleme machen, wurden ebenfalls rekrutiert. Die PSNI hat immer noch die Einstellung, dass die Menschen in unseren Stadtvierteln ihre Gegner sind. Als kürzlich die SDLP im Policing Board dem Polizeichef Hugh Orde genehmigte, die 50-50 Rekrutierungsvorschrift zu verletzen, waren viele Leute in den irischen Communities zumindest verwundert - dasselbe Policing Board, das die Umsetzung der Patten-Vorschläge überwachen soll, erlaubt dem Polizeichef, dies zu umgehen und in alte Praktiken zurückzufallen. Das hätten sie ihm niemals erlauben sollen. Lass mich abschliessend sagen, dass ich absolut überzeugt bin, dass wir über kurz oder lang einen ordentlichen Neuanfang der Polizei erreichen werden, eine Polizei, die verantwortlich ist, frei von parteipolitischer Kontrolle, in der Menschenrechtsverletzter nicht gezüchtet werden und nicht bleiben können. Das ist mein Job. Ich meine, ich bin nur eine Person, es ist der Job unserer Partei. Ich bin der Sprecher zu diesem Thema, aber wir alle arbeiten dran und das ist unser Versprechen.

Journalist:Jarlath Kearney, Nord Belfast News
Übersetzerin Uschi Grandel, Anmerkungen im Text durch Klammern gekennzeichnet