1. Juli 2003: Europäischer Gerichtshof fällt Urteil zum Mord an Pat Finucane

GROSSBRITANNIEN SCHULDIG DES VERSTOSSES GEGEN DAS RECHT AUF LEBEN


Presseerklärung des in Derry (Nordirland) ansässigen Menschenrechtszentrums Pat Finucane Centre:

Die Familie von Patrick Finucane begrüsst das heute gefällte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strasbourg. Dieses Urteil ist die erste richterliche Entscheidung, die zum Mord an Patrick Finucane bisher gefällt wurde. Das Gericht hatte Zugang zu allen relevanten Materialien, auch zu denjenigen, die nach der Anklage im Jahre 1995 entstanden. Dazu gehört insbesondere der kürzlich veröffentlichte Bericht von Sir John Stevens, Commissioner der London Metropolitan Police. Das Urteil bestätigt einmal mehr die Bedeutung des Falles und seine internationale Relevanz.

Die von der Familie Pat Finucanes und vielen anderen weltweit erhobenen Vorwürfe, RUC (nordirische Polizei, im Herbst 2002 umbenannt in PSNI) und Britische Armee seien in diesen Mord verstrickt, wurden im Urteil als schwerwiegende Vorwürfe gewertet. Die britische Regierung hat durch Nichtbeachtung oder unzureichende Reaktion auf diese Vorwürfe Artikel 2 der Konvention verletzt. Der Europäische Gerichtshof kam zu der Überzeugung, der britische Staat "versagte darin, eine schnelle und effektive Untersuchung der Anschuldigung der Verstrickung von Sicherheitskräften in den Mord durchzuführen".

Ein naheliegender Schluss aus diesem Verhalten ist, dass der Staat diese Angelegenheit nicht untersuchen konnte und wollte, weil die Anschuldigungen der Wahrheit entsprachen. Die britische Regierung ist nun in der Pflicht, den Fall ernsthaft anzugehen, so dass die Verletzung des Artikels 2 der Konvention angemessen untersucht und beseitigt wird.

In einer Stellungnahme der Finucane Familie sagte der Sohn des ermordeten Rechtsanwalts Michael Finucane, der selbst praktizierender Anwalt ist:

"Meine Familie hat niemals gezögert, unseren Fall kritisch überprüfen zu lassen. Nun haben wir ein Urteil des höchsten europäischen Gerichts, dass das Recht meines Vaters auf Leben verletzt wurde. Die britische Regierung trägt die Verantwortung, weil der Staat weder sein Leben ausreichend beschützte noch seinen Tod ordnungsgemäss untersuchte. Es ist klar ersichtlich, warum sie diesen Mord nicht untersuchen wollen: sie waren die Anstifter und die Helfershelfer des Mordes.

Die Verantwortung für diesen Fall liegt nun bei der britischen Regierung. Sie muss entscheiden, wie sie ihren Verpflichtungen gemäss der europäischen Konvention nachzukommen gedenkt. Wir werden sehen, ob sie diese Verpflichtungen ernst nimmt oder versucht, sie wiederum zu umgehen. Die einzige Art und Weise, wie die britische Regierung hoffen kann, Teile ihrer angeschlagenen Reputation wiederzugewinnen, ist durch eine volle, unabhängige, öffentliche Untersuchung ohne weiteren Verzug."

ANMERKUNG:

Michael Finucane ist praktizierender Anwalt und arbeitet in Dublin. Er ist der älteste Sohn von Pat Finucane.

Kontakt Tel: (00-353) (0)87 2247898


Hintergrundinformationen zum Fall Pat Finucane und zum Thema "collusion" sind in englischer Sprache auf der Webseite des Pat Finucane Centre zugänglich.