Martin McGuinness zu der Aussetzung der Wahlen durch die britische Regierung

Sunday Business Post, 5. Mai, 2003

Am 10. April vor fünf Jahren wurde das Karfreitagsabkommen unterschrieben. Fünf Jahre danach hat die britische Regierung wesentliche Schlüsselbereiche immer noch nicht umgesetzt. Sie haben die Institutionen (das nordirische Regionalparlament) viermal suspendiert. Jetzt haben sie eine Wahl in Irland verhindert, die sich direkt aus dem Karfreitagsabkommen ableitet. Das Abkommen hat die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Menschen in Irland. Und dies geschah nach monatelangen intensiven Verhandlungen, die zu der gemeinsamen Erklärung (der irischen und britischen Regierungen) und zu einer weitreichenden Initiative der irischen Republikaner geführt hatten.

Von Anfang an wurde der Friedensprozess aufgehalten, blockiert und zermürbt, zum einen durch den Widerstand der Unionisten gegen Veränderungen, zum anderen durch diejenigen in den Reihen des britischen politischen und militärischen Establishments, die noch dem alten britischen Empire nachtrauern.

Von der Weigerung John Majors, im Jahre 1994 die versprochenen Allparteiengespräche zu führen bis zur Aussetzung der Wahlen durch Tony Blair ist das Verhaltensmuster in trauriger Weise konsistent. Die Rechte und Ansprüche irischer Bürger werden britischen politischen Interessen und dem unionistischen Veto untergeordnet.

Von den frühen Tagen des "Keine Verhandlungen", des "Verhandlungen über Verhandlungen" und der Verhandlungen, in denen die Unionisten sich weigerten, direkt mit Sinn Fein zu reden, bis hin zu den Ereignissen der letzten Wochen, mussten Unionisten unter nörgelndem Protest jeden Zentimeter geschoben und gezogen werden. Sie haben jede Taktik benutzt, um den demokratischen Prozess zu verlangsamen oder gar anzuhalten, von der Unterbrechung der gesamtirischen Gremien bis hin zu Trimbles wiederholten Drohungen, die Regierung zu verlassen.

Und hinter dem Vorhang sind die Hardliner omnipräsent. Diese Personen ohne Namen und Gesicht, die Nordirland 30 Jahre lang politisch und militärisch beherrschten, die Bürger umbrachten, die Todesschwadronen kontrollierten, die ihre eigene Regierung ausspionierten, die eine Augenweide jedes totalitären Staates wären.

Einige ihrer Taten sind bekannt. Die Tatsache systematischer Collusion (d..h. Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Todesschwadronen), auf die wir immer wieder hingewiesen haben, wurde lange Zeit abgetan. Nun ist sie durch die Veröffentlichung des Überblicks über den Stevens Report belegt. Es ist nicht nur so, dass der Staat religiös-rassistische (sectarian) Morde tolerierte, nein, der Staat initiierte solche Morde, bewaffnete und lenkte die Mörder. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ist es vorbei? Das An-und Abschalten der loyalistischen Gewalt immer dann, wenn es der britischen militärischen Agenda nutzt, ist ein Zeichen, dass diese Verbindung nicht einfach verschwunden ist. Ist ihr Krieg vorbei? Ist der Krieg der unionistischen Paramilitärs vorbei? Sie haben nie aufgehört, (irisch-)nationalistische Viertel und isolierte katholische Familien zu attackieren.

Die mehrheitliche unionistische Reaktion auf den Stevens Report ist ein beeindruckendes Beispiel von Doppelzüngigkeit. Wie in vielen Zeitungsberichten beschrieben, reagierten Unionisten entweder durch Leugnen des Sachverhalts, durch Rechtfertigungen oder indem sie das Ganze schlicht ignorierten. Ihre Haltung zur unionistischen Gewalt ist genau dieselbe.

Trotz alledem hat Sinn Fein am Karfreitagsabkommen festgehalten. Wir haben uns nicht durch die verletzenden, kindischen Bemerkungen David Trimbles provozieren lassen, die er zu diesem Zweck immer wieder anbrachte. Wir haben weder vor, auszuziehen, noch uns hinauswerfen zu lassen. Sinn Fein ist eingebunden, weil es unser Recht ist. Uns wurde die Regierungsbeteiligung nicht "erlaubt", wir wurden auch nicht "dazu gebracht", den politischen Weg einzuschlagen. In den letzten zwanzig Jahren oder noch länger war unser Ziel, den Konflikt durch einen demokratischen, politischen Prozess zu ersetzen. Aber für das Funktionieren eines politischen Prozesses braucht es Demokratie. und Demokratie verlangt Gleichheit. Und genau das ist der Kern der derzeitigen Krise genauso, wie es der Kern des Konfliktes war.

In einem Versuch, die derzeitige Krise des Friedensprozesses zu lösen, war Sinn Fein für fast vier Monate in äusserst intensive Gesprächsrunden mit der britischen Regierung, der irischen Regierung und verschiedenen politischen Parteien involviert. In all diesen Verhandlungen haben wir bis zur Erschöpfung an einem Plan für die vollständige Umsetzung des Karfreitagsabkommens gearbeitet und allen Versuchen der Unionisten Kontra geboten, diese Umsetzung durch unionistische Querschläge zu verhindern. In den letzten zwei Wochen konnten wir sehen, wie Republikaner diesen Prozess durch weitreichende Erklärungen zum Erfolg führen wollten.

Die weitreichende Erklärung der IRA schuf eine klare Grundlage für weitere Schritte für all diejenigen, die diesen Fortschritt auch wollen. In seinen Erklärungen am Sonntag und darauffolgenden Mittwoch machte Gerry Adams die Unterstützung der irischen Republikaner für diesen Friedensprozess und die Umsetzung des Karfreitagsabkommens absolut klar. Dies wurde wiederholt von beiden Regierungen anerkannt.

Sinn Féin ist weit über die Verpflichtungen, die die Partei gemäss des Abkommens hat, hinausgegangen, um die Blockade des Friedensprozesses zu brechen. Objektives Lesen des Karfreitagsabkommens zeigt, dass wir schon lange alle unsere Verpflichtungen als politische Partei erfüllt haben. Viele Republikaner sind verärgert, dass wie immer auch diesmal Sinn Féin das letzte gibt und schwierige Entscheidungen trifft, während die Führung der Ulster Unionisten wie bisher bei ihrem "Nein" bleibt und darin auch noch von den beiden Regierungen unterstützt wird.

Es ist wichtig, legitime Bedenken des unionistischen Teils der Gesellschaft zu adressieren. Diese Woche jedoch wurde den Unionisten erlaubt, ein Veto über die Wahlen, die Regionalregierung, das Abkommen und den Friedensprozess auszuüben.

Realität ist, dass trotz ihrer gegenteiligen Versicherungen weder die irische noch die britische Regierung irgendwelche Probleme bezüglich der Karheit der IRA Stellungnahme haben. Sie versuchen lediglich, David Trimble und der unionistischen Partei die politische Bürde der Verantwortung für die derzeitige Krise abzunehmen. Es ist völlig inakzeptabel für die irische Regierung, mit dieser Charade weiterzumachen. Die irische Regierung muss im Interesse der Iren handeln und die Umsetzung des Abkommens und ein Ende des unionistischen Störfeuers verlangen.

Die Veröffentlichung der gemeinsamen Erklärung (der beiden Regierungen) ist begrüssenswert. Allerdings ist die Veröffentlichung kein Abschluss. Die Erklärung ist an Bedingungen gebunden und ein Bekenntnis zu einem Prozess, der zu einem Abschluss führen soll. Es sind Sanktionen enthalten, die von Unionisten diktiert wurden, gegen Sinn Féin gerichtet und im Abkommen nicht vorgesehen sind.

Die gemeinsame Erklärung ist als Dokument Zeugnis der Hartnäckigkeit, mit der das Sinn Fein Verhandlungsteam daran gearbeitet hat, die Umsetzung des Karfreitagsabkommens einzuleiten. Sein Umfang demonstriert eindrucksvoll die grosse Lücke, die die beiden Regierungen schliessen müssen, um das Abkommen umzusetzen - und das fünf Jahre nach Unterzeichnung.

Nichtsdestotrotz müssen die beiden Regierungen ihren veröffentlichten Plan nun umsetzen und die dort festgehaltenen Punkte nebst all den anderen Elementen des Abkommens verwirklichen. Polizei, Menschenrechte, Recht und Gleichheit sind nicht an Bedingungen gebunden. Das Bekenntnis ist nichts wert, wenn diese Elemente nicht umgesetzt werden. Alle Bekenntnisse sollten nun in die Tat umgesetzt werden. Das ist unser Fokus.

Ironischerweise heisst es auf der ersten Seite der gemeinsamen Erklärung: "der beste Weg, den Frieden zu erhalten, ist aufzuzeigen, dass Politik funktioniert." Diese Woche hat die britische Regierung dieses Projekt durch die Verhinderung einer irischen Wahl geschädigt. Dazu haben sie kein Recht. Sie haben diese Wahl gegen den Willen des (irischen) Taoiseach und aller politischewn Parteien mit Ausnahme der UUP getan.

Leute sind zu recht verärgert, aber der Ärger muss konstruktiv kanalisiert werden, damit er dem Schutz und der Weiterführung des irischen Friedensprozesses dient. Die irische Regierung hat eine spezielle Verpflichtung, die Rechte und Ansprüche der Iren zu verteidigen. Diese Rechte sind nicht optional. Sie können nicht einem unionistischen Veto unterworfen werden.