Hat sich der Unionismus wirklich geändert?

Mitchel McLaughlin, Sprecher der (irisch-republikanischen) Partei Sinn Féin und Abgeordneter des Regionalparlaments hat in einer öffentlichen Veranstaltung am 5. Dezember in Balbriggan, im Landkreis Dublin, die Haltung derjenigen in den Reihen der (pro-britischen) Unionisten zum Friedensabkommen in Frage gestellt, die ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind, Änderungen umzusetzen. Mitchel McLaughlin sagte in seiner Rede:

`Vor einem Jahr widmete der damalige britische Staatssekretär John Reid, eine seiner offiziellen Ansprachen dem Thema 'Nordirland - kein angenehmer Platz für Unionisten'. Seine Ausführungen waren an die Adresse der Nationalisten und Republikaner gerichtet, die er ermahnte, in ihrer zunehmenden Selbstsicherheit auf unionistische Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Unionistisches Verhalten hingegen wird in der Regel nicht hinterfragt. Ich würde gerne einmal von einem politischen Kommentator eine Analyse hören, wie und ob sich unionistisches Denken in den letzen 30 Jahren geändert hat.
Klar, ich kann die Namen etlicher Unionisten aufzählen, die persönlich eine sehr progressive Haltung zur Umgestaltung und der Notwendigkeit von Umgestaltungen haben. Aber was ist mit denen, die verantwortlich sind, Änderungen umzusetzen?

Die beleidigenden Bemerkungen von David Trimble über die 26 Grafschaften (republikanischer Name der Republik Irland, die aus 26 der insgesamt 32 Grafschaften der Insel Irland besteht) an wenigstens zwei Gelegenheiten in den letzten zwölf Monaten zeigen sicherlich keinen Grad an politischer Reife oder informiertes progressives Denken. Das beste Beispiel für den unionistischen Widerstand gegen Veränderungen ist jedoch ihre Haltung zur Zusammenarbeit (zwischen irischen Nationalisten und pro-britischen Unionisten) auf lokaler Ebene. Kein einziges der 26 Distriktparlamente im Norden, das über eine ausreichende unionistische Mehrheit verfügt, hat sich bisher auf ein System der Machtteilung (zwischen Nationalisten und Unionisten) verständigt.

Es ist unbestreitbar, dass sich seit der Unterzeichnung des Abkommens viel geändert hat. Die Auffassung, die UUP (Ulster Unionist Party) unter David Trimble habe einen weiten Weg zurückgelegt, könnte bei genauerem Hinsehen um die Feststellung erweitert werden müssen, dass diese Bewegung zum grössten Teil nicht aus freiem Willen geschehen ist. Gerade einmal ein paar Stunden waren seit der Unterzeichnung des Abkommens vergangen, als David Trimble sich bereits daran machte, es umzukrempeln. Seit der Annahme des Abkommens haben sich die Ulster Unionisten an jeder wichtigen Stelle im Prozess an die Spitze derjenigen gestellt, die die Umsetzung der wichtigsten Teile des Abkommens verhindern wollten, sei es die Polizeireform, Demilitarisierung, Gesetzgebung zur Gleichheit, Strafgesetzgebung und anderes. Es war stets die UUP, nicht etwa die DUP, wie man vielleicht meinen könnte.

Zur gleichen Zeit hört man von der unionistischen Führung kaum einen Laut über die tägliche Gewalt unionistischer Paramilitärs gegen nationalistische Viertel, es sei denn, sie werden diesbezüglich unter Druck gesetzt.

Untersuchte man die unionistische Haltung gegenüber Veränderungen genauer, würde man klar erkennen - dessen bin ich mir sicher - dass die grösste Gewaltbereitschaft gegen Veränderungen aus dem Unionismus kommt. Die Zeit ist reif für die unionistische Führung, Nationalisten und Republikanern zu erklären, ob sie das Consens-Prinzip einhalten, wenn - nicht falls - eine Mehrheit im Norden die irische Einheit will. Werden sie für die friedliche Akzeptanz der demokratischen Wünsche der Mehrheit der Menschen in Irland eintreten oder werden sie weiterhin eine zweideutige Haltung gegenüber unionistischen Paramilitärs einnehmen und versuchen, friedliche und demokratische Änderungen der Konstitution zu hintertreiben? Es ist untragbar, dass dieser unionistischen Führung, die so lauthals Republikaner denunziert und so abwertend in ihren Äusserungen über die irische Gesellschaft ist, erlaubt wird, diese Fragen nicht zu beantworten. Vor dem Hintergrund der (gewalttätigen) Geschichte des Unionismus haben Nationalisten das Recht, die Haltung der Unionisten zu erfragen und Antworten zu erhalten. Wann können wir vertrauensbildende Massnahmen von den Unionisten erwarten?'

Veröffentlicht vom Sinn Féin International Departement
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Übersetzung: Uschi Grandel, 9.12.2002, Text in Klammern dient der Erläuterung