Irish Republican News and Information, 3. Juni 2002, http://irlnet.com/rmlist/ 


 

150 FLIEHEN AUS IHREN HÄUSERN ALS IRISCHE ENKLAVE VON LOYALISTEN ATTACKIERT WIRD

Ein Wochenende heftigster Zusammenstösse in Ostbelfast lässt die irisch-nationalistische Enklave Short Strand aussehen "wie Beirut", sagt der örtliche Stadtrat Joe O'Donnell.

Viele katholische Familien mussten während dieser loyalistischen Gewaltwelle evakuiert werden, nachdem die Loyalisten gedroht hatten, ihre Häuser niederzubrennen. Mindestens zwei Häuser wurden durch Benzinbomben in Brand gesetzt und über hundert Menschen flohen aus dem Bezirk.

Während die demographische Entwicklung den protestantischen Bevölkerungsteil schrumpfen lässt, haben sich loyalistische Paramilitärs die kleine Enklave Short Strand in Ostbelfast herausgesucht, in der Absicht, die wachsende katholische Bevölkerung aus der Gegend zu vertreiben.

Stadtrat O'Donnell sagt, die Angriffe auf das Viertel Short Strand seien "wie 1969 wiederholt" (Loyalistische Pogrome, die von der Polizei geduldet und unterstützt wurden, waren 1969 die Antwort der Loyalisten auf die Forderungen der Katholiken nach Gleicheit bei Wohnungszuteilung und weitere Bürgerrechtsforderungen. Sie waren der Beginn des 30-jährigen Bürgerkrieges)

Nationalistische Anwohner waren heute damit beschäftigt, ihre Häuser wieder instandzusetzen, nachdem sie am Wochenende bis zu 72 Stunden lang angegriffen wurden.

Auf dem Höhepunkt der Zusammenstösse am Wochenende wurden Schüsse von loyalistischer und nationalistischer Seite gemeldet.

Die Ausschreitungen begannen am Freitag Abend im Stadtteil Short Strand, als die Loyalisten zuerst Flaggen und Fahnen entlang des Grenzbezirks zwischen loyalistischem und nationalistischem Viertel befestigten, der die letzten Wochen Schauplatz loyalistischer religiös-rassistisch motivierter Ausschreitungen war. Sie warfen dann etliche Bomben auf die Newtownards Road.

Am Samstag Nacht kam es erneut zu Ausschreitungen, bei denen Steine, Flaschen, Benzinbomben und Feuerwerkskörper geworfen wurde.

Joe O'Donnell, der Sinn Fein Stadtrat für den Bezirk Short Strand, sagte, Loyalisten hätten die katholische Gegend in einen Belagerungszustand versetzt.

"Ich habe gehört, dass aus diesem Viertel heute Nacht Schüsse gefeuert wurden, aber zuerst wurde in dieses Viertel hineingeschossen", sagte er gestern abend.

"Wir standen da und beobachteten 40 - 50 halb-uniformierte loyalistische Paramilitärs, die heruntermarschierten und sich auf der Albertbridge Road aufstellten. Ich stehe hier mit 150 Anwohner, die dann aus ihren Häusern vertrieben wurden."

Joe O'Donnell sagt, Häuser im Viertel Short Strand seien dezimiert worden. "Dieses Viertel ist komplett von einer Mauer und 70000 Unionisten umzingelt, aber wir sollen diejenigen sein, die angreifen. Ich stehe hier und es sieht aus wie in Beirut."

Die Anwohner von Short Strand beschuldigen die UVF, nationalistische Häuser im Bezirk anzugreifen, um eine eigene Frontlinie für ihre rassistisch motivierten Angriffe zu haben.

An einer dieser Frontlinien waren nach den Angriffen vom Wochenende die Fenster aller Häuser verbarrikadiert.

'WIE BOMBAY STREET'

"Das ist die Wiederholung von Bombay Street," sagte Margaret McDowell, Mutter von drei Kindern, "sie versuchen, unsere Häuser anzuzünden, um uns zu verteiben, genauso, wie sie es 1969 in der Bombay Street gemacht haben. (Bombay Street in West Belfast wurde 11969 von Loyalisten und Polizei angegriffene und der ganze Strassenzug vollständig niedergebrannt. Die obdachlos gewordenen Anwohner wurden in einem Akt der Solidarität in den irisch-nationalistischen Vierteln aufgenommen, aus Spenden wurden die Häuser wieder aufgebaut.)

"Sie fingen am Freitag Nacht an, unsere Häuser mit Rohrbomben, Benzinbomben und Steinen zu attackieren und sie hörten das ganze Wochenende über nicht damit auf."

"Es gab fünf Vorfälle in der Nacht zum Sonnatg, bei denen über Schüsse berichtet wurden."

"Sie haben alle Fensterscheiben zerbrochen und dann fingen sie an, Tüten mit Benzin auf die Dächer zu werfen, um die Häuser anzünden zu können."

Margaret McDowell sagt, die Angriffe auf nationalistische Häuser könnten leicht gestoppt werden.

"Alle Angriffe auf unsere Häuser kommen von Clune Place auf der anderen Seite des Zaunes.

"Das ist nur eine Strasse. Wenn die Polizei die Angriffe stoppen wollte, müsste sie nur einen ihrer Landrover in die Strasse stellen."

Die Short Strand Mutter sagt, die Anwohner fühlen sich von den Medien völlig alleingelassen, die nicht über die Vorfälle berichten.

"Wir haben das ganze Wochenende versucht, Medien zu kontaktieren, aber keiner hat sich interessiert."

"Unionistische Politiker sagen, beide Seiten seien schuld, aber das ist nicht wahr."

"Sie attackieren unsere Häuser, weil sie Katholiken aus Ostbelfast vertreiben wollen. Darum geht es, um nichts anderes."

Die dreifache Mutter sagt, die Angriffe auf ihre Häuser haben so an Intensität zugenommen, dass die Anwohner Feuerlöscher und Wasserschläuche in ihren Fluren in ständiger Bereitschaft halten."

"Den meisten hier gehören ihre Häuser, sagt sie. Das letzte, was hier jemand tun würde, ist, Zusammenstösse zu provozieren - wer will schon Angriffe auf das eigene Haus erleben müssen?"

"Aber wir sitzen hier auf dem Präsentierteller und keiner interessiert sich dafür."

Joe O'Donnell sagt, er habe keine Zweifel, dass die Angriffe von der UVF organisiert seien."

"Das Viertel Short Strand ist ein kleines nationalistisches Viertel. das auf allen Seiten von unionistischen und loyalistischen Bezirken umgeben ist."

"Eine Gemeinschaft wie die unsere wäre verrückt, so etwas anzuzetteln, wenn die anderen um so viel zahlreicher sind." "Trotzdem ist das die Art und Weise, wie das ganze in den Medien dargestellt wird. Ich habe keinerlei Zweifel, dass die UVF aus eigenem Kalkül hier eine rassistisch motivierte Frontlinie aufmacht.

"Die Loyalisten verlegen den Ausgangspunkt ihrer Attacken von einem Bezirk in den nächsten, so dass niemand weiss, von wo aus der nächste Angriff zu erwarten ist. Sie haben inzwischen auch Flaggen und Fahnen direkt vor der katholischen Kirche St. Matthew aufgehängt." (in den vergangenen Wochen waren Kirchgänger in Nordbelfast auf dem Nachhauseweg von Loyalisten attackiert worden. Es herrscht Sorge, dass die Fahnen die ersten Anzeichen ähnlicher Angriffe sind).

"Sie haben Bungalows neben der Kirche angegriffen, in denen ältere Leute wohnen, und sie so stark beschädigt, dass die Dächer nun grosse Löcher haben. Wenn die Welt draussen nicht von dem Notiz nimmt, was hier im Viertel Short Strand vorgeht, wird früher oder später jemand umgebracht," sagt Joe O'Donnell.

ÜBERGRIFFE IN COLERAINE

Es gab auch Ausschreitungen in Nordbelfast und im Landkreis Derry an diesem Wochenende der loyalistischen Gewalt.

Die katholische Kirche St Anthony auf der Woodstock Road wurde durch Rauchentwicklung beschädigt, als eine Brandbombe durch ein Fenster gwworfen wurde. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

In Coleraine verfolgte ein Mob von etwa 40 Loyalisten zwei katholische Männer bis in das gemischten Sommerset Drive Viertel im Bezirk Heights hinein. Ein Mann wurde später von loyalistischem "Lynchmob" aus einem Haus dieses Viertels geschleift, entkam aber schwereren Verletztungen.

Übersetzung: Uschi Grandel, 4. Juni 2002, Anmerkungen in Klammern dienen der Erläuterung