Dr. Ursula Grandel, Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling, Tel.: 09451/949859

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 19.02.2001

 

Bundesministerium der Verteidigung

z. Hdn. Dr. Michael Saalfeld
Platz der Republik 1
11011 Berlin

 

Ihre Antwort auf unsere Anfrage im Fall Peter McBride / britische Armee

Aktenzeichen - R II 3 Az 39-60-20/15 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Saalfeld,

wir bedanken uns für Ihre Antwort vom 2. Februar 2001 auf unsere Anfrage betreffs der Stationierung der beiden Mörder des Iren Peter McBride in Deutschland bei der britischen Rheinarmee.  Eine autorisierte englische Übersetzung Ihres Schreibens haben wir an die Familie McBride weitergeleitet. 

Die Antwort, die Sie vom Hauptquartier der Britischen Streitkräfte in Deutschland bezüglich der beiden Soldaten Mark Wright und James Fisher erhalten haben, ist in Übereinstimmung mit allen bisherigen Versuchen der britischen Armee, die nahtlose  Beschäftigung dieser beiden Mörder als „normal“ hinzustellen. Sie ist jedoch in kei­ner Übereinstimmung mit den tatsächlichen Fakten.

Richtig ist, dass das Programm zur frühzeitigen Entlassung (Early Release Scheme) der irisch-re­pu­bli­ka­ni­schen und loya­listischen Gefangenen,  deren Organisationen einen Waffenstillstand erklärt haben und einhalten, ein Bestandteil des Kar­frei­tags­ab­kom­mens ist. Richtig ist auch, dass die beiden Soldaten einen Antrag auf frühzeitige Entlassung im Rahmen dieses Programms bei der zuständigen Sentence Review Commission gestellt haben.    

Falsch ist, dass die Entlassung der beiden Soldaten Mark Wright und James Fisher auf Grund dieses Programms erfolgte. Die Entlassung der beiden Soldaten erfolgte nach einer intensiven Kampagne von Angehörigen des Regiments der Scots Guards, denen die beiden Soldaten angehörten, und der konservativen britischen Presse. Die zeitliche Koinzidenz mit den ersten Entlassungen nach dem „Early Release Scheme“, die am 7. September 1998 starteten, war so unerwünscht, dass die Entlassung der beiden Scots Guards in einer Nacht- und Nebel-Aktion sogar noch vorgezogen wurde. Die Soldaten wurden am 2. September 1998 entlassen. Sie haben damit nach 3 Jahren in militäri­schem Ge­wahr­sam nur weitere 3 Jahre im Gefängnis verbracht.

Um so erstaunlicher ist die Antwort, die Sie von der britischen Armee erhalten haben, als die damalige Nordirlandministerin Dr. Mo Mowlam dies in einer offiziellen Stel­lungnahme explizit begründet hat. Sie schreibt:

"Since I commenced my review the Northern Ireland (Sentences) Act 1998 has be­come law. While I am aware that the Guardsmen have applied to the Sentence Re­view Commission for early release, I nevertheless felt it right to continue with my review which was initiated following receipt of the solicitors' petition submitted on behalf of the Guardsmen.

I am conscious that the Sentences Act enables the earlier release of prisoners who were engaged in terrorism. The Guardsmen were in Northern Ireland as a conse­quence of that terrorism and committed the offence while on duty to counter it. I am now also aware that the first possible releases under the new legislation could take place from 7 September onwards.

Having taken all of these matters, and all other available information into account and having consulted with the Lord Chief Justice, as required by statute, I have decided that the Guardsmen should now be released on life licence.”

Das Zitat der Ministerin findet sich in der offiziellen Erklärung des Northern Ireland Office (NIO), die als Anhang beiliegt und auch online unter http://www.nio.gov.uk/980902a­nio.htm zugänglich ist.

Die Freilassung der beiden Soldaten war damit eine bewusste Einzelentscheidung der britischen Regierung und nicht ein Resultat des Karfreitagsabkommens.

Im übrigen beinhaltet das Early Prisoner Release Programm keine Amnestie. Die auf Grund dieses Programms entlassenen Gefangenen sind deshalb von öffentlichen Stellen in Verwaltung, Polizei, o.ä. ausgeschlossen. Ehemalige irisch republikanische Gefangene, die unter dem Programm entlassen wurden, müssen teilweise sogar die Zulassung als Taxifahrer erst in  langwierigen Verfahren erstreiten.     

Die Soldaten sind derzeit in Deutschland stationiert, obwohl noch nicht einmal geklärt ist, ob ihr Verbleib in der britischen Armee überhaupt zulässig ist. Der Verbleib verurteilter Straftäter ist nach britischem Armeerecht an „exceptional circumstances“ gebunden. Nachdem bereits ein Versuch der britischen Armee, solche „außer­ge­wöhn­li­chen Gründe“ zu finden, von einem zivilen Gericht für unzulässig erklärt wurden, wurde im Dezember letzten Jahres  auch gegen den zweiten Begründungsversuch Be­schwer­de vor dem High Court in Belfast zugelassen.

Einer der Begründungsversuche der britischen Armee für „außergewöhnliche Umstän­de“ lau­tete „kein Vorsatz für die Tat“. Derselbe Grund findet sich auch in der Stellungnah­me des NIO zur Entlassung der beiden Soldaten. Der Belfaster High Court hat dies bereits 1999 scharf zurückgewiesen und erklärt, dass die Soldaten wegen Mordes ohne mildernde Umstände verurteilt wurden. Diese Versuche, im Nachhinein mildernde Umstände in den Fall hi­nein­zudichten, und damit de facto das Urteil eines ordentlichen Gerichts revidieren zu wollen, sind ein Skandal und können im Fall des Mordes an Peter McBride nur als rassistisch verstanden werden. 

Was hat dies für Konsequenzen für die Anwesenheit der Soldaten in der Bundesrepublik Deutschland? Wir wissen nicht, ob von Mark Wright und James Fisher momentan eine akute Gefahr für Leib und Leben der Bevölkerung in unserem Lande ausgeht. Wir wissen nur, dass diese beiden Soldaten, die einen jungen Iren kaltblütig ermordet haben, nach britischem Armeerecht vor Jahren bereits aus der Armee hätten entlassen werden müssen.

Wir wissen auch nicht, welchen Ausgang die erneute gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des britischen Armeerats vom November 2000, die Soldaten nicht zu entlassen, haben wird. Die Verhandlung  war ursprünglich für den 5 Februar 2001 vor dem Belfaster High Court angesetzt. Die briti­sche Armee hat die für den Gerichtstermin nötigen Informationen nicht fristgerecht zur Verfügung gestellt und damit den Gerichtstermin verzögert.

Wir halten es jedoch für untragbar, dass die britische Armee diese Soldaten trotz die­ser unklaren Verhältnisse aktiv und sogar außerhalb Englands einsetzt.    

Die zynische Postkarte von in Kenia stationierten Mitgliedern der Scots Guards, die als makabere Botschaft zum Jahrestag der Ermordung Peter McBrides an die Familie McBride beim Pat Finucane Centre einging, belegt, dass diese Truppe auch nach dem Mord an Peter McBride den Rassismus in den eigenen Reihen toleriert. Es gibt keinerlei Anzeichen einer irgendwie gearteten Aufarbeitung oder gar Verurteilung der Tat innerhalb der britischen Armee.

Wir halten die Anwesenheit der beiden Soldaten in der Bundesrepublik Deutschland auch deshalb für eine akute Gefahr, weil sie ein gefährliches Signal für die Auseinandersetzung mit rassistischen Gewalttätern in unserem Lande setzt. 

Wir danken Ihnen für die Weiterleitung unserer Anfrage an das Auswärtige Amt und erhoffen von dort diplomatische Schritte. Nichtsdestotrotz bitten wir Sie, noch einmal zu überprüfen, ob nicht auch Ihnen Schritte möglich sind, gegen die Anwesenheit dieser beiden Soldaten in der Bundesrepublik Deutschland Protest einzulegen. 

Eine Kopie dieses Briefes haben wir zur Kenntnis an das Auswärtige Amt wei­ter­ge­lei­tet.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

 

 

Anlagen