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Abbildung 1: East Tyrone Herald "Vigil marks Hurson anniversary" (Samstag, 15.7.2006) |
Abbildung 2: Galbally bei Cappagh im County Tyrone (Nordirland) |
Im Alter von 15 oder 16 Jahren wurden meine Freunde und ich von diesen Rekruten (der UDR) angehalten, die im ländlichen Antrim eigentlich Nachbarn waren. Am Anfang war es ihnen peinlich, uns nach unseren Namen zu fragen und wo wir hingingen. Sie kannten unsere Namen, sie sind neben uns aufgewachsen. Sie wussten genau, wer wir waren. Ein Muster wurde langsam sichtbar, als unsere früheren Bekannten uns aus dem Auto befohlen und uns gegen die Wand stellten. Es ging nicht um Religion. Es ging darum, dass eine Seite bewaffnet war und die andere nicht.Für viele junge Männer und Frauen waren solche und ähnliche Erlebnisse der Anstoß, der IRA beizutreten. Die Sympathie der Bevölkerung war ihnen sicher. Ein Bauer aus der Region, selbst ehemaliger Aktivist erzählt, wie selbstverständlich die Unterstützung in dieser Gegend war:
Keine Tür war verschlossen. Man konnte in jedem Haus Unterstützung finden und man war immer willkommen.
Ein einzelner Helikopter der britischen Armee landete
während der Flucht der UVF Gang in der Nähe und hob kurz darauf wieder ab.
Siobhan, die Schwester von Malcom, sagt:
Vielleicht sind wir jetzt stark genug, die Wahrheit einzufordern. Ich erinnere mich, wie die UDR unser Haus im folgenden Jahr durchsuchte und ein Soldat höhnisch lachend beschrieb, wie Malcolm versuchte, über eine Mauer zu entkommen, bevor er erschossen wurde. Abbildung 3: Erinnerungsstätte an das Massaker in Cappagh gegenüber von O'Boyle's Pub Inschrift: |
Abbildung 4: Denkmal zum 25. Jahrestag des Hungerstreiks 1981
an der Gortindarragh Road in Galbally - das H symbolisiert die als H-Block bekannt gewordene Form der Gefängnisgebäude in Long Kesh |
Abbildung 5: Galbally Community Centre Oben links: Gemeinde- und Sportzentrum Oben rechts: an der Innenmauer findet sich ein Bild von Martin Hurson, umrundet von den neun anderen, die im Hungerstreik starben, Bilder des Blanketprotests und der Beerdigung Unten links: der zum Community Centre gehörige Sportplatz Unten rechts: ein Team des diesjährigen "under 16 girls cup", der im Rahmen des Martin Hurson Memorial Cup ausgetragen wird |
Martin hatte eine unbeschwerte Kindheit. Freunde beschreiben ihn als
typischen Jungen vom Land, ruhig und ernsthaft, aber mit Humor. Der gewinnt
später die Oberhand. Als das komische Duo waren er und sein Freund Peter
Kane bald bekannt. Immer gut für eine witzige Einlage. "Hurson Boy" nennen
ihn später liebevoll die republikanischen Mitgefangenen.
Die Zeitung IRIS, die damals vom Sinn Féin Foreign Affairs Bureau
herausgegeben wurde, beschreibt in ihrer Ausgabe vom November 1981, wie
Martin Hurson mit anderen jungen Männern von der britischen Armee verhaftet
wurde:
In den frühen Morgenstunden des 9. November 1976 kam es zu einer Reihe intensiver Einsätze der britischen Armee und der (nordirischen paramilitärischen Polizei) RUC im District Cappagh in Dungannon im Osten von Tyrone. Unter dem Paragraphen 10 des Emergency Provisions Act (eines weitreichenden Polizei-Ermächtigungsgesetzes) wurden die drei jungen Männer Pat Joe O'Neill, Dermot Boyle und Peter Kane verhaftet. Zwei Tage später, am 11. November wurden bei einem ähnlichen Einsatz James Joseph Rafferty, Peter Nugent, Kevin O'Brien und Martin Hurson in ihren Häusern verhaftet. Über die nächsten Tage wurden die sieben Manner in der Omagh RUC-Kaserne zu IRA Operationen im Osten Tyrones seit 1972 verhört. Sie wurden von Polizeibeamten der neu gebildeten Regional Crime Squad systematisch gefoltert. Die Männer wurden an den Haaren gezogen und geschlagen. Sie wurden gezwungen, für eine lange Zeit mit gespreizten Armen und Beinen gegen eine Wand zu lehnen, sie wurden getreten und geschlagen und bis zur Erschöpfung zu Liegestützen gezwungen.Martin war damals 20 Jahre alt. Er unterschrieb unter Folter ein Geständnis, das er später widerrief. Trotzdem verurteilte ihn ein Schnellrichter der neuen geschaffenen Diplock-Courts zu 20 Jahren Haft. |
In stolzem und liebendem Gedenken an den IRA-Volunteer Martin Hurson, der im Alter von 26 Jahren in den H-Blocks von Long Kesh nach 46 Tagen Hungerstreik starb. | Über das Wochenende komme ich mit vielen Menschen in Galbally ins Gespräch, die Leute sind herzlich und offen. Einen Nachbarn der Familie Hurson treffe ich mit seinem Enkel am Grab von Martin. Er erzählt mir von der Beerdigung, von dem Riesenaufgebot an britischen Soldaten, die alle umliegenden Hügel besetzt hielten und mit Hubschraubern über dem Trauerzug kreisten, der damals denselben Weg zum Friedhof nahm, den wir am Freitag 25 Jahre später mit dem Fackelzug erneut gegangen waren. Damals ließen sich die Menschen nicht abhalten, ihre Solidarität zu zeigen. Wie tief und nachhaltig die 1981er Hungerstreiks auf die Menschen gewirkt hatten, zeigt sich an den vielen Menschen, die durch Teilnahme an den Gedenkfeiern nicht nur hier in Galbally, sondern auf hunderten ähnlicher Veranstaltungen überall in Irland im Jahr 2006 ihre Solidarität zeigen. |
Früher gingen die Leute zu den Gedenkveranstaltungen, um das Leid gemeinsam zu tragen und ihren Widerstand zu zeigen. Hoffnung gab es sehr wenig. Heute ist das Leid noch da, aber Hoffnung und Zuversicht haben ungeheuer an Raum gewonnen.Das politische Bewusstsein der Menschen ist groß. Alle mit denen ich rede, sehen den Friedensprozess als richtigen Weg. Die überwiegende Mehrheit unterstützt politisch Sinn Féin und ihre Vision eines "vereinigten Irlands gleichberechtigter Menschen". Im Bezirk Dungannon, zu dem Galbally und Cappagh gehören, ist Sinn Féin mit neun Abgeordneten die stärkste Partei. Vier Abgeordnete stellt die ebenfalls im irischen Lager angesiedelte SDLP. Das pro-britische Lager der Unionisten, Loyalisten und Oranier Orden teilt sich in fünf Abgeordnete der DUP und vier der UUP. Nordirlandweit haben die Loyalisten und Oranier Orden auf ihre Art und Weise des 25. Jahrestages der Hungerstreiks gedacht. Der 12. Juli ist der zentrale Feiertag der Oranier Orden. An diesem Tag marschieren sie Nordirland weit, um den Sieg von King Billy über die katholischen Truppen im Jahre 1690 zu feiern. Am Vorabend des 12. Juli stahlen sie an mehreren Orten in einer konzertierten Aktion die zum Gedenken aufgestellten Poster der Hungerstreiker, um auf ihren "Bonfires" neben irischen Flaggen, Bildern von Sinn Féin Abgeordneten, Tops des Fußballvereins Celtic diesmal auch die Bilder der Hungerstreiker zu verbrennen. Etwas zynisch könnte man dies fast eine Art Anerkennung der politischen Bedeutung dieser Männer nennen. Abscheu und Entsetzen hat die Aktion ausgelöst, die selbst Toten ihre Würde und den Respekt verweigert. Auch in Galbally wurden die Poster gestohlen. Aber die Zeiten ändern sich. Der Sinn Féin Abgeordnete Michael Gillespie intervenierte bei einem Bezirkskreiskollegen, einem Abgeordneten der UUP und Mitglied eines Oranier Orden. In kürzester Zeit wurden die Poster wieder zurückgegeben. Und auch wenn Ian Paisley, der alte Hassprediger der DUP, in seiner diesjährigen Ansprache vor Oranier Orden immer noch davon redet, notfalls "durch Blut zu waten" und seine Partei anweist, mit Sinn Féin nicht zu reden, so hinterlässt auch hier der Friedensprozess seine Spuren. Michael Gillespie erzählt:
Im Bezirksrat redet kein DUP'ler öffentlich mit einem der Sinn Féin Kollegen. Aber neulich auf einer gemeinsamen Fahrt nach Schweden hielt das Schweigegelübde nur bis zum Dubliner Flughafen. Danach waren das Verhalten plötzlich ganz normal. Die DUP kann ihre Verweigerungspolitik in der Realität immer weniger durchhalten.In Galbally finde ich niemanden, der nicht Realist genug ist, um zu wissen, dass der Kampf um Unabhängigkeit, eine gerechte Gesellschaft und ein vereinigtes Irland, der von den irischen Republikanern nun ausschließlich politisch geführt wird, ein langes und zähes Ringen sein wird. Nach wie vor blockieren ewig Gestrige die Demokratisierung des Landes mit aller Kraft: Politiker der DUP, die unfähig zur Konfliktlösung sind; nordirische Bürokraten, die Transparenz fürchten; britisches Militär und Geheimdienste, die die Wahrheit über ihren schmutzigen Krieg, den sie in Cappagh und anderswo gegen die gesamte Bevölkerung führten, nicht ans Licht kommen lassen wollen. Die vielen Menschen, die Irland weit im Jahre 2006 den Mut und die Entschlossenheit der zehn Männer ehren, die 1981 im Hungerstreik starben, werden weniger als ihre vollen Rechte nicht akzeptieren. Den langen Atem, die Kraft und den Mut hierfür schöpfen sie aus der Erinnerung an