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Wählerinitiative in Spanien
vor den Europaparlamentswahlen verboten
Erstmals lässt die spanische Regierung eine spanische Wählerliste verbieten, hinter der die baskische
Partei Batasuna stecken soll
von Ralf Streck (Heise, 18.5.2009)
Es war klar, dass sich die vielen Verbote gegen baskische Parteien, Wählerlisten und Organisationen
auch im gesamten spanischen Staat auswirken würden. Nun hat die Sonderkammer des Obersten Gerichtshofs,
die extra im Zuge der Änderung des Parteiengesetzes geschaffen wurde, die für das Verbot der Partei
Batasuna (Einheit) benötigt wurden, auch eine spanische Wählerinitiative von den Europaparlamentswahlen
ausgeschlossen. Es handelt sich um die
Iniciativa Internacionalista - La Solidaridad entre los pueblos . Kurios ist erneut die Argumentation, mit
der die Regierung den Ausschluss der "Internationalistischen Initiative – Solidarität der Völker" beantragt
hatte. Es gäbe "ausreichend Beweise, die belegen, dass diese Kandidatur eine Fortführung des Umfelds von
ETA-Batasuna ist", lautet die immergleiche Begründung, mit der schon Hunderte baskische Wählerlisten und
Parteien daran gehindert wurden, an den Wahlen teilzunehmen.
Es zeichnete sich in den letzten Jahren eine immer ausufernde Anwendung des neuen Parteiengesetzes ab.
Dabei muss gesagt werden, dass Batasuna, die Partei, die angeblich im Dienst der Untergrundorganisation
ETA stehen soll, in Frankreich legal an den Wahlen teilnimmt. Obwohl die Verbindungen zur ETA nie
bewiesen werden konnten,
setzte sie Spanien aber auch auf die EU-Liste terroristischer Gruppen. Schon vor vier Jahren ergab
sich die absurde Situation,
dass die gleiche Liste in Spanien verboten war und in Frankreich zu den EP-Wahlen antrat.
Seit dem Scheitern des letzten
Friedensprozesses, den Batasuna
in Gang gebracht hatte, wurde die Repression gegen die baskische Linke weiter
verschärft
und Terrorismus
neu definiert.
Mit dem Verbot dieser Wählerliste, deren Listenführer der in Madrid geborene und im Baskenland lebende
Dramaturg Alfonso Sastre ist, wird aber ein neuer Quantensprung vollzogen. Auf ihr befindet sich keine
Person, die schon einmal für eine verbotene Partei kandidiert hätte. Dort befindet sich aber das
Ex-Mitglied der spanischen Vereinten Linken (IU), die für die Partei im Madrider Parlament saß,
sie aber aus Frust verließ. Zum Verbot reichte, dass Sastre und Maestro kürzlich an einer
Veranstaltungsreihe mit dem Ex-Batasuna Chef Arnaldo Otegi
teilnahmen und es Unterstützungsunterschriften aus der patriotischen baskischen Linken für diese Liste gab.
(Foto: Alfonso Sastre und Arnaldo Otegi auf dem Podium einer Veranstaltung im November 2008)
Das Vorgehen trifft auf scharfe Kritik. Telepolis liegt ein Schreiben des Friedensnobelpreisträger
Adolfo Pérez Esquivel vor, der den spanischen Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero
persönlich auffordert, "zu intervenieren und das antidemokratische Vorgehen zu verhindern".
Erst kürzlich hatte der UN Sonderbeauftragte für Menschenrechte
sich darüber "beunruhigt" gezeigt, "welche Vielfalt an Bestimmungen“ des Parteigesetzes in Spanien
Verbote ermöglichten. "Schwammige Formulierungen", so Martin Scheinin "können so interpretiert werden,
dass sie auch auf jede politische Partei zutreffen, die mit friedlichen Mitteln ähnliche politische
Ziele verfolgt, wie terroristische Gruppen“. Die Institution, die Spanien auch wegen Folter
rügt, kritisiert,
Strafrechtsbestimmungen zu Terrorismus seien zum Teil vage. Dass in Kürze der Europäische
Gerichtshof für Menschrechte in Straßburg über das Batasuna-Verbot entscheidet, hinderte Madrid
nicht daran, die Verbotspolitik auszuweiten.
Maestro hat nun eine Klage vor dem Verfassungsgericht angekündigt, das allerdings bisher alle Verbote
abgenickt hat. Dann bleibt auch dieser Liste nur noch der Weg nach Straßburg. Dabei könnte helfen, dass
sich nun sogar fünf Richter des Sondergerichts dem Mehrheitsentscheid widersetzten. Angekündigt wurden
auch Anzeigen gegen Mitglieder der spanischen Regierung, weil es sich "um einen Gewaltakt gegen die
Freiheitsrechte" handelt, die "jede Person, die ein minimales demokratisches Grundverständnis hat,
ablehnen muss",
sagte Maestro.
Erstveröffentlichung: Ralf Streck, Heise vom 18.5.2009