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In der baskischen Stadt Bilbo (spanisch: Bilbao) findet am 3. Januar 2009 eine der größten Demonstrationen der letzten Jahre statt:

Mehr als 37.000 Menschen gehen für die Rechte
der 764 baskischen, politischen Gefangenen
auf die Strasse

Menschenmassen strömen am 3. Januar 2009 durch die Strassen von Bilbo, um gegen unmenschliche Haftbedingungen baskischer Gefangener in spanischen und französischen Gefängnissen zu protestieren. Aufgerufen zur Demonstration hatte Etxerat, die Organisation der Angehörigen der politischen Gefangenen. Unterstützt wurde der Aufruf von insgesamt 40 gewerkschaftlichen, sozialen und politischen Organisationen, darunter auch Organisationen, die nicht zum direkten Umfeld der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung, der Izquierda Abertzale, zählen, wie zum Beispiel die größte baskische Gewerkschaft ELA oder auch die kleine Partei Aralar. Einheit ist wichtig im Ringen um Demokratie im Baskenland, wo vor allem die spanische Regierung in immer größerem Maße Menschen- und Bürgerrechte außer Kraft setzt.

Bericht von Uschi Grandel, 6. Januar 2009

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Seit Jahren zwingen spanische und französische Regierung den derzeit 764 baskischen Gefangenen, die als Folge des Konflikts im Baskenland in den spanischen und französischen Gefängnissen sitzen, eine Sonderbehandlung auf, mit der ihnen selbst die wenigen, für Gefangene geltenden Rechte entzogen werden. Um die grausamsten Missstände zu beenden, hat Etxerat drei Hauptforderungen formuliert, deren Dringlichkeit Zehntausende in Bilbo bekräftigen.

Forderung 1: Heriotz zigorrik ez - Nein zur Todesstrafe!

Die Entlassung im Falle einer unheilbaren Krankheit ist in Spanien Gesetz, aber die Regierung weigert sich, zehn schwer erkrankte baskische Gefangene zu entlassen. Etxerat fordert die sofortige Freilassung dieser Gefangenen.

Forderung 2: Bizi arteko zigorrik ez - Nein zu lebenslänglicher Haft!

28 der 764 Gefangenen haben ihre Strafe komplett verbüßt und werden trotzdem nicht entlassen. Genauso wenig wie weitere 170 baskische Gefangene, die ¾ ihrer Strafe hinter sich haben, eine Zeit, nach der man in Spanien aus dem Gefängnis typischerweise auf Bewährung entlassen wird. Die Spitze des Demonstrationszuges führt Santos Sagardui aus dem baskischen Ort Zornotza an. Er ist der Vater von Jose Mari Sagardui (Gatza), der seit 28 Jahren im Gefängnis sitzt und der in Europa am längsten einsitzende Gefangene ist. Weitere 44 Gefangene sind ebenfalls seit über 20 Jahren in Haft.

Obwohl allein schon die hohe Anzahl der Gefangenen sie Lügen straft, leugnet die Spanische Regierung nach außen die Existenz eines politischen Konflikts im Baskenland. Im Innern versucht sie, auch die Organisationen der baskischen Unabhängigkeitsbewegung gewaltsam mundtot zu machen, die nicht bewaffnet, sondern mit politischen Mitteln für ihre Ziele kämpfen. Die spanische Regierung akzeptiert das Recht der Basken nicht, über ihre Zukunft auf demokratische Weise selbst zu entscheiden. Ihre Mittel sind dabei aus Diktaturen bekannt: die Illegalisierung von Organisationen, Verbote demokratischer, politischer Betätigung und willkürliche Verhaftungen haben Demokratie im Baskenland weitgehend außer Kraft gesetzt. In den Gefängnissen sitzen deshalb längst nicht nur Mitglieder der ETA, der Gruppe Euskadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit), die bewaffnet für ein unabhängiges Baskenland kämpft, als politische Gefangene.

Ausweitung des Terrorismusbegriffs

Unter immer stärkerer Ausweitung des Terrorismusbegriffs werden auf einen Schlag Massenorganisationen, wie etwa die Jugendorganisation Segi oder die Gefangenenhilfsorganisation Gestoras pro Amnistia zu terroristischen Organisationen umgedeutet. Massenverfahren spülen mehr und mehr politische Aktivisten, Journalisten und Mitglieder sozialer Organisationen im Umfeld der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung, der Izquierda Abertzale, mit absurd hohen Gefängnisstrafen in die Gefängnisse.

So werden im September 2008 einundzwanzig der führenden Mitglieder von Gestoras pro Amnistia zu je 8-10 Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl keinem von ihnen irgendein Delikt oder auch nur direkter Kontakt zur ETA nachgewiesen wurde. Für das Gericht ist die Organisation terroristisch, weil ihre Arbeit, die Unterstützung der Gefangenen, Proteste gegen Folter und staatliche Willkür, die verfassungsmäßige Ordnung in Spanien untergräbt und damit Ziele der ETA unterstützt. Josu Beaumont ist einer der Verurteilten. Als Begründung für seine achtjährige Haftstrafe ist unter anderem die Organisation einer erlaubten und friedlich verlaufenden Demonstration gegen die repressive spanische Politik gegenüber den baskischen, politischen Gefangenen aufgeführt.

Forderung 3: Euskal presoak Euskal Herrira - Baskische Gefangene ins Baskenland!

Eine der repressiven Methoden ist die "Zerstreuung der baskischen Gefangenen", ihre Verlegung in Gefängnisse, Hunderte Kilometer vom Baskenland entfernt. Für die Angehörigen bedeutet diese Politik, dass sie für einen kurzen Besuch des Kindes, des Partners oder der Partnerin Woche für Woche stundenlange Reisezeiten auf sich nehmen. Im Schnitt legt jeder Angehörige 1300 km pro Woche zurück, in Frankreich sind es sogar 1600 km. Bisher sind 16 Angehörige oder Freunde während der Reise von oder zu einem Gefängnis tödlich verunglückt, unzählige wurden bisher verletzt. Die Kosten für diese Reisen erreichen exorbitante Höhen. Die Praxis der "Zerstreuung" ist unvereinbar mit den Gesetzen in Spanien und Frankreich und auch mit internationalen Menschenrechtsvereinbarungen.

Elf der Verurteilten des Massenprozesses gegen Gestoras pro Amnistia erfahren schon ein paar Tage nach Verkündung des Urteils die Praxis der "Zerstreuung", gegen die sie jahrelang Proteste mobilisierten, am eigenen Leib. Sie werden auf elf verschiedene Gefängnisse in Spanien verteilt.

Jahrelange Internierungen unliebsamer Personen

Josu war bereits Jahre vor seiner Verurteilung für vier Jahre inhaftiert. Präventive Haft nennt sich diese Praxis der jahrelangen Internierung ohne Gerichtsverfahren. Sie ist bei Terrorismusverdacht für maximal vier Jahre erlaubt. Mit der Ausdehnung des Terrorismusbegriffs und den Internierungen verschwinden politisch unliebsame Personen auf Jahre hinter Gittern. Der UN Sonderbeauftragte für Menschenrechte kritisierte dies in seinem Bericht im Oktober 2008 und forderte die überarbeitung der entsprechenden Paragraphen des Strafrechts.

Folter mitten in Europa

Ein zweiter Tatbestand, der die Gefängnisse füllt, sind willkürliche Verhaftungen vor allem junger Leute aus dem Spektrum der linken Unabhängigkeitsbewegung und die Erzwingung von "Geständnissen" durch Folter und schwere Misshandlungen. Verhaftungen, fünf lange Tage "incommunicado", d.h. völlig der Polizei ausgeliefert ohne Kontakt zur Außenwelt, zu einem Arzt, zur Familie, ohne einen Richter zu Gesicht zu bekommen.

Natürlich nur bei Terrorismusverdacht. Zum Beispiel wegen Zugehörigkeit zur Jugendorganisation Segi, die Tausende Mitglieder hat und Anfang 2007 zur terroristischen Organisation erklärt wurde. Zwar nur mit knapper Mehrheit des obersten spanischen Gerichtshofs, weil zwei der fünf Richter nicht Ausschreitungen auf Demonstrationen, die man Segi vorwarf, mit ETA Anschlägen gleichsetzen wollten. Trotzdem hängt über tausenden junger Baskinnen und Basken die Drohung der Incommunicado Haft, der Folter, der erzwungenen Unterschriften unter vorgefertigte Geständnisse, der jahrelangen Internierung in spanischen Gefängnissen, weit weg vom Baskenland. über 250 Verhaftungen gab es im Jahre 2008, in 64 Fällen wurden Foltervorwürfe erhoben.

Folter - UNO mahnt - Spanien ignoriert

Die Menschenrechtskommission der UNO mahnt Spanien seit Jahren vergeblich, Maßnahmen gegen Folter in Polizeihaft zu ergreifen, zumindest eine Videoüberwachung des 5-tägigen Incommunicado-Zeitraums einzuführen, besser die Incommunicado-Haft ganz abzuschaffen. Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2008 verkündet die spanische Regierung, die geforderte Videoüberwachung der Incommunicado-Haft endlich einzuführen. Die zuständigen Richter würden diese Periode nun außerdem besser überwachen.

Nur Tage danach werden drei junge Leute verhaftet und klagen an, schwer gefoltert und misshandelt worden zu sein. June Vilarubia, eine junge Frau aus Algorta, ist mittlerweile wieder in Freiheit. Sie beschreibt die fünf Tage in Incommunicado-Haft als "Hölle". Eine Plastiktüte wurde ihr viele Male über den Kopf gezogen, um Erstickungsanfälle zu produzieren. In den ersten beiden Tagen wurde sie mit nacktem Oberkörper verhört. Die Polizisten belästigten sie, berührten ihre Brüste, einer drohte mit Vergewaltigung. Sie wurde herumgestoßen, an den Haaren gerissen. Ihr Freund musste während seines eigenen Verhörs ihre Schreie hören. Der zuständige Richter des Sondergerichtshofs Audiencia Nacional weigerte sich, die Gefangenen während der Incommunicado-Periode zu sehen.

"Zehntausende Menschen demonstrieren heute hier, dass wir unsere gefangenen Angehörigen lebend und zu Hause haben wollen. Dass ihre Rechte respektiert werden. Wir alle müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Spanien und Frankreich ihre Gefangenenpolitik ändern. Und das werden wir erreichen!"

bekräftigt Polentzi Goikoetxea, die Sprecherin von Etxerat, vor den 37.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Demonstration.


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