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Anmerkung vom 25. August 2008: am 28. Juli wurde die Ina Galparsoro gegen Zahlung einer Kaution von EUR 30.000 aus der Haft entlassen. Viele Bürger von Arrasate (span. Mondragon) hatten sich mit Eingaben und vielen phantasievollen Aktionen für die Freilassung ihrer Bürgermeisterin eingesetzt und bereiteten ihr am 30. Juli 2008 einen begeisterten Empfang.


Bürgermeisterin des baskischen Kleinstädtchens Arrasate Ino Galparsoro seit 30. April in Haft in Madrid. Selbst politische Gegner kritisieren politische Justiz:

"Repressiver Wahnsinn"

Uschi Grandel, 5. Mai 2008

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Als der spanische Innenminister Rubalcaba Ende März dieses Jahres in einer kurzen Presseerklärung verlauten lies, der spanische Staat befände sich "vor einem langen Zyklus der Gewalt durch ETA", war dies die verklausulierte Ankündigung der spanischen Regierung, die von der PSOE - der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei - unter Führung Zapateros gebildet wird, nicht zum Dialog zurückzukehren, um den spanisch-baskischen Konflikt zu lösen. Stattdessen setzt die regierende PSOE weiterhin auf die Diffamierung und Kriminalisierung jeglicher Opposition. Sie hat hauptsächlich die zum Spektrum der "Izquierda Abertzale" - der baskischen, linken Unabhängigkeitsbewegung - zählenden politischen Parteien, sozialen und kulturellen Organisationen im Visier, die sie mit Hilfe von Anti-Terror-Sondergesetzen, exzessiver Polizeigewalt und einer willfährigen Justiz ihrer Freiheit, ihrer demokratischen Rechte und ihres politischen Handlungsspielraums beraubt.

Politische Justiz

Eine neue Dimension erreichte diese Politik am 30. April, als der Richter des Anti-Terror-Sondergerichtshofs "Audiencia National" Balthasar Garzón die amtierende Bürgermeisterin von Arrasate (spanisch: Mondragon) Ino Galparsoro "wegen Zusammenarbeit mit Terroristen" verhaften lies. Die Bürgermeisterin befindet sich seit Mittwoch, den 30. April 2008, "unbefristet" in Madrids Gefängnis "Soto de Real".

3. Mai 2008: Tausende protestieren in Arrasate gegen die Verhaftung der Bürgermeisterin Ino Galparsoro

Ino Galparsoro ist Mitglied der EAE-ANV, einer alten, antifaschistischen Partei, die zur linken Unabhängigkeitsbewegung gehört und wegen ihres mutigen Kampfes gegen die Franco-Diktatur im Baskenland viel Respekt genießt.

Ein Lehrstück über Moral und Demokratie

Die Bürgermeisterin stand in den Wochen vor ihrer Verhaftung als Zielscheibe im Rampenlicht eines Absetzungsantrags der PSE, der baskischen Sektion der PSOE, die sich ihres Bürgermeisterpostens auf wenig demokratische Art und Weise bemächtigen wollte. Mit gewaltigem Medienwirbel und immensem politischem Druck versuchte die PSE, Gemeinderäte in Gemeinden, in denen die EAE-ANV zwar Bürgermeister stellt, aber nicht über eine absolute Mehrheit verfügt, zur Unterstützung ihres Misstrauensantrags gegen die jeweiligen Bürgermeister zu bringen.

Bürgermeister, die den tödlichen Anschlag der ETA auf ihren ehemaligen Gemeinderat in Arrasate, Isaías Carrasco, im März dieses Jahres nicht explizit verurteilen, seien moralisch nicht tragbar, sagt die PSE. Die linke Unabhängigkeitsbewegung vertritt die Auffassung, dass Gewalt in diesem Konflikt in großem Umfang vom Staat ausgeht, eine Verurteilung der ETA deshalb nichts mit Moral, sondern viel mit einseitiger Schuldzuweisung zu tun hat und dass die Gewalt nur durch einen Prozess der Konfliktlösung und durch Dialog beendet werden kann.

Der Versuch der PSE, unter dem Deckmäntelchen der Moral mit massivem Druck die demokratischen Mehrheitsverhältnisse gegen den Willen der Bevölkerung zu ändern, scheiterte nicht nur in Arrasate, sondern gleich in vier Orten in Folge. Damit scheiterte die PSE bisher an allen Orten, an denen sie diesen Amtsdiebstahl versuchte.

Salbuespen egoerari STOP - Stoppt den Ausnahmezustand

Euskal Herriak Autodeterminazioa - Selbstbestimmung für das Baskenland

Die Verhaftung von Ino Galparsoro wurde weithin als politisch durchsichtiger Racheakt der PSOE gewertet. Sie ist als vorläufiger Höhepunkt einer politisch motivierten Verhaftungswelle besonders schwerwiegend, weil sie eine amtierende, demokratisch gewählte Bürgermeisterin trifft, die sich gegen eine fragwürdige Kampagne politisch und als Bürgermeisterin erfolgreich behauptet hat.

Selbst die Gemeinderäte der konservativen, baskischen Partei PNV in Arrasate, die auf Druck ihrer Parteiführung die PSE bei ihrem Absetzungsversuch unterstützt hatten, haben sich dem Protest gegen die Verhaftung der Bürgermeisterin angeschlossen. Auch die Regierung der (drei) "baskischen autonomen Gebiete" , deren Chef Ibarretxe ebenfalls der PNV angehört, verurteilte in einer Stellungnahme die Verhaftung als politische Maßnahme.

Die Polizei durchsuchte die Amtsräume von Ino Galparsoro und beschlagnahmte als einziges "Indiz" die Kopien der letzten Gemeinderatssitzung, die neben etlichen Gemeindethemen auch den gescheiterten Antrag der PSE auf der Tagesordnung hatte. Ein Sitzungsprotokoll des Gemeinderats als Beleg für eine "Zusammenarbeit mit Terroristen"?

Zu einer Protestkundgebung gegen die Verhaftung der Bürgermeisterin kamen am Samstag, den 3. Mai 2008, Tausende nach Arrasate, um ihre Solidarität zu zeigen.

"Ino befindet sich nicht auf Anweisung Garzóns in ‚Soto del Real', sondern auf Grund einer Entscheidung der PSOE "und derer, die ihr folgen in diesem repressiven Wahnsinn, politische Führungspersonen einzusperren, Jugendorganisationen für illegal zu erklären und diejenigen einzusperren, die wie Ino gewählt wurden, um die Gemeinden zu vertreten."

erklärte Arantxa Urkaregi, die Sprecherin der EAE-ANV. Die EAE-ANV stellt in Arrasate, wie in etlichen anderen baskischen Orten die größte Fraktion im Gemeinderat. Die Aktivitäten der Partei sind seit Februar dieses Jahres suspendiert. Hunderte ihrer Kandidaten wurde 2007 die Teilnahme an den Kommunalwahlen verboten. Trotzdem wurden 432 der zur Wahl angetretenen Kandidaten der Partei als Gemeinderäte gewählt. In über 40 Orten stellt die EAE-ANV die Bürgermeister. Genau diese demokratisch gewählten Bürgermeister und Bürgermeisterinnen sind der PSOE ein Dorn im Auge, weil sie mehr als alles andere die demokratische Verankerung, Legitimation und Stärke der linken Unabhängigkeitsbewegung demonstrieren. Sie sind täglicher Anschauungsunterricht für die Tatsache, dass für die Lösung des Konflikts der Dialog mit der Unabhängigkeitsbewegung nötig ist.

Unabhängigkeitsbewegung ruft für den 8. Mai 2008 zum Tag des Protests auf

Der "repressive Wahnsinn", den Arantxa Urkaregi anprangert richtet sich gegen eine Unabhängigkeitsbewegung, die nach wie vor die treibende Kraft für einen Konfliktlösungsprozess ist. Es war der Vorschlag der Partei Batasuna (Einheit), die seit 2003 in Spanien verbotenen ist und ebenfalls zur "Izquierda Abertzale" gehört, der im Sommer 2006 Sondierungsgespräche zwischen Batasuna, PSE und PNV über einen möglichen Friedensprozess ermöglichte und den die ETA mit einem Waffenstillstand begleitete. Der damalige Versuch, einen Friedensprozess aufzusetzen, scheiterte. Fast die gesamte Führung von Batasuna, darunter Batasunas Verhandlungsführer Arnaldo Otegi, sind mittlerweile inhaftiert. Trotz der Verhaftungen, der Verbote und der Unterdrückung wirbt die Unabhängigkeitsbewegung nach wie vor für eine politische Lösung des Konflikts.

Für Donnerstag, den 8. Mai 2008, ruft die Unabhängigkeitsbewegung die Menschen im Baskenland zu einem Tag des Protests auf, um der undemokratischen, repressiven Politik der spanischen Regierung mit massenhaftem Protest zu begegnen.

Eine der zentralen Forderungen der Unabhängigkeitsbewegung für einen politischen Konfliktlösungsprozess im Baskenland ist der Respekt vor den demokratischen Entscheidungen der Bevölkerung. Man sollte meinen, dies sei mitten in Europa nicht zuviel verlangt.

Literaturhinweis

Inaki Iriondo, Ramón Sola:
Das Baskenland – Wege zu einem gerechten Frieden.
Ein Gespräch mit Arnaldo Otegi.

Übersetzung aus dem Spanischen von Ralf Streck und Ingo Niebel.
Pahl-Rugenstein, Köln 2008, 260 Seiten, 22.90 Euro.


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